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Raible, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]; Heger, Klaus [Gefeierte Pers.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1992, 2. Abhandlung): Junktion: eine Dimension der Sprache und ihre Realisierungsformen zwischen Aggregation und Integration ; vorgetragen am 4. Juli 1987 ; Klaus Heger zum 22.6.1992 — Heidelberg: Winter, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.48166#0184
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Wolfgang Raible

Dies ist kein Einzelbeispiel. Wir finden in den frühen romanischen Tex-
ten eine Vielzahl solcher Fälle:
- E quando ella si sarebbe voluta dormire (...), et egli le raccontava la vita di
Cristo.
(Wörtlich: „Und als sie hätte schlafen wollen (. . .), und er erzählte ihr das Leben
Christi“ - Boccaccio, Decamerone iii,4.)
- Entreusque il mengoient, et Niclolete s’esveille au cri des oisiax et des pastoriax.
(Wörtlich: „Während sie aßen, und Nicolette erwachte vom Gesang der Vögel
und der Hirten“ - Aucassin et Nicolette.)
Ähnliche Fälle finden sich aber auch in der Verschriftung des Judenspa-
nischen:
- I si no sentirés a nozotros per ser sirkusidos i tomaremos kon fortaldad a nuestra
ika i nos andaremos.
(„Und wenn ihr euch nicht dazu versteht, euch beschneiden zu lassen, werden
wir unsere Tochter mit Gewalt wegnehmen und weiterziehen.“)42
Sorrento brachte dies zum einen mit einem Konzept der Entwicklung
von (Schrift-)sprachen, zum anderen mit dem Einfluß der Volkssprache
auf die der Literatur zusammen. Der große klassische Philologe Giorgio
Pasquali nahm Anstoß an dieser These und verwies, angesichts der vie-
len schon lateinischen Belege, auf griechischen Einfluß und griechische
Modelle - eine Argumentationsweise, die in der klassischen Philologie
mit ihrer Fixierung auf griechische Quellen Tradition hat. (Man wird
sich auch an zwei neutestamentliche Beispiele in Kapitel IV.3 erinnern.)
In der 2. Auflage von 1950 berichtet Sorrento ausführlich über die leb-
hafte, aber nützliche Diskussion mit Pasquali, bei der ihm übrigens der
Latinist G.B. Pighi hilfreich zur Seite trat43. Aus dieser Diskussion geht
Sorrento letztlich in seiner Überzeugung gestärkt hervor, es handle sich
nicht um kulturellen Einfluß, sondern um eine allgemeinere Erschei-
nung, die auch in anderen Sprachen zu beobachten sei. Er verweist auf
das, was er 1929 geschrieben hat:

Gliederungssignal - es handelt sich auch hier um einen Kapitelanfang - die verbale
Thematisierung des Geschehens durch avvenne uno die ehe zu verwenden.
42 Das Beispiel stammt aus dem Me’am Lo’ez von Jakob Kuh (Band 2 der Ausgabe von
David Gonzalo Maeso und Pascual Pascual Recuero, Madrid 1970, S. 906).
3 Vgl. Luigi Sorrento 1950:72-91 („Nota aggiunta e conclusione“).
 
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