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Wolfgang Raible
An früherer Stelle behandelt Ehrliholzer die Präposition per in ihrer
kausalen Funktion - wobei freilich die kausale Bedeutung eine Frage
der Interpretation durch den Rezipienten ist: per kann viele Bedeutun-
gen annehmen - man denke nur an die Kontroversen um die Auslegung
des per im Cantico Franz‘ von Assisi. In der Einleitung des nachfolgen-
den Abschnitts über die „Präpositionalen Wendungen“ schreibt Ehrli-
holzer dann:
„Wenn die gebräuchlichen einfachen Kausalpräpositionen, besonders das einsil-
bige und mehrdeutige per, aber auch di, zur Bezeichnung eines Grundes oder einer
Ursache nicht genügend wirksam scheinen, hat das Altitalienische die Möglich-
keit, sich mehrerer präpositionaler Wendungen zu bedienen, die schon äußerlich
gewichtiger und zudem meistens anschaulicher sind als die einfachen Partikeln und
von denen ein Teil die Idee der Kausalität sozusagen doppelt ausdrückt, nämlich
mit der einfachen Kausalpräposition (d.h. gewöhnlich per) und einem Substantiv
wie ragione, cagione, causa. “
Von der Wendung per cagione di sagt er dann, sie sei selten anzutreffen,
und zwar fast nur bei einigen aus der Toskana oder den angrenzenden
Gebieten stammenden Autoren. Sie sei eindeutiger als das bloße per
und komme deshalb besonders in Texten vor, denen an der Verdeutli-
chung der logischen Beziehung gelegen sei, so in der „Arte notaria“ des
Rainerio da Perugia aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts, desgleichen
in einem Testament. Auch von der etwas häufigeren Fügung per ragione
di sagt er, sie komme am ehesten in der Art von Texten vor, in denen
sich auch per cagione di finde: Briefsteller, Geschäftsbriefe, „Capitoli“,
„Ordinamenti“, „Arte notaria“, „Accusa“ usw.
Wir können Ehrliholzers Arbeit also dreierlei entnehmen. Erstens, daß
eine Konjunktion wie perché relativ selten verwendet und eher durch
einfaches (aber polyvalentes) chèlca vertreten wird. Zweitens eine kei-
neswegs strenge Scheidung von „Koordination“ und „Subordination“
(hier bei den kausalen Konjunktionen); und drittens das Auftreten von
präpositionalen Fügungen dort, wo einfachere Mittel nicht ausreichen,
weil es auf absolute Klarheit und Unmißverständlichkeit ankommt. Alle
drei Feststellungen sind nun signifikant für das Thema dieses Kapitels,
das Verhältnis zwischen Junktion, Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Be-
vor davon die Rede sein wird, ist allerdings noch etwas Grundsätzliches
zu erörtern.
Wolfgang Raible
An früherer Stelle behandelt Ehrliholzer die Präposition per in ihrer
kausalen Funktion - wobei freilich die kausale Bedeutung eine Frage
der Interpretation durch den Rezipienten ist: per kann viele Bedeutun-
gen annehmen - man denke nur an die Kontroversen um die Auslegung
des per im Cantico Franz‘ von Assisi. In der Einleitung des nachfolgen-
den Abschnitts über die „Präpositionalen Wendungen“ schreibt Ehrli-
holzer dann:
„Wenn die gebräuchlichen einfachen Kausalpräpositionen, besonders das einsil-
bige und mehrdeutige per, aber auch di, zur Bezeichnung eines Grundes oder einer
Ursache nicht genügend wirksam scheinen, hat das Altitalienische die Möglich-
keit, sich mehrerer präpositionaler Wendungen zu bedienen, die schon äußerlich
gewichtiger und zudem meistens anschaulicher sind als die einfachen Partikeln und
von denen ein Teil die Idee der Kausalität sozusagen doppelt ausdrückt, nämlich
mit der einfachen Kausalpräposition (d.h. gewöhnlich per) und einem Substantiv
wie ragione, cagione, causa. “
Von der Wendung per cagione di sagt er dann, sie sei selten anzutreffen,
und zwar fast nur bei einigen aus der Toskana oder den angrenzenden
Gebieten stammenden Autoren. Sie sei eindeutiger als das bloße per
und komme deshalb besonders in Texten vor, denen an der Verdeutli-
chung der logischen Beziehung gelegen sei, so in der „Arte notaria“ des
Rainerio da Perugia aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts, desgleichen
in einem Testament. Auch von der etwas häufigeren Fügung per ragione
di sagt er, sie komme am ehesten in der Art von Texten vor, in denen
sich auch per cagione di finde: Briefsteller, Geschäftsbriefe, „Capitoli“,
„Ordinamenti“, „Arte notaria“, „Accusa“ usw.
Wir können Ehrliholzers Arbeit also dreierlei entnehmen. Erstens, daß
eine Konjunktion wie perché relativ selten verwendet und eher durch
einfaches (aber polyvalentes) chèlca vertreten wird. Zweitens eine kei-
neswegs strenge Scheidung von „Koordination“ und „Subordination“
(hier bei den kausalen Konjunktionen); und drittens das Auftreten von
präpositionalen Fügungen dort, wo einfachere Mittel nicht ausreichen,
weil es auf absolute Klarheit und Unmißverständlichkeit ankommt. Alle
drei Feststellungen sind nun signifikant für das Thema dieses Kapitels,
das Verhältnis zwischen Junktion, Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Be-
vor davon die Rede sein wird, ist allerdings noch etwas Grundsätzliches
zu erörtern.