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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0079
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theologische Fakultät suchten dem zu begegnen, indem sie vom Kurfürsten ein Verbot offenen Streitens
erwirkten, die nichttheologischen Fakultäten von der Erörterung ausschließen ließen und bei Kanzel-
polemiken eines Neuser und Johannes Willing Versetzungen herbeiführten. Der Verlauf der Ereignisse
im einzelnen ist noch nicht hinreichend geklärt. Insbesondere die Zürcher bestärkten die Opposition in
ihrem Widerstand. Umstritten war nicht die Zuchtübung als solche, sondern die Frage, von wem, in
welchen Fällen und in welcher Weise sie zu handhaben sei. Die Befürworter der calvinischen Kirchen-
zucht standen auf der Linie von Katechismus und Kirchenordnung und unterstrichen das göttliche
Recht der Presbyterien, die Notwendigkeit der Abmahnung vom Abendmahl bei Irrlehrern und besse-
rungsunwilligen Sündern durch dieses und im Prinzip die scharfe Trennung einer weltlichen und kirch-
lichen Strafgewalt. Die Bestreiter hingegen verbleiben auf dem Standpunkt der Kirchenratsordnung und
bestreiten die Notwendigkeit und den Nutzen einer solchen kirchlichen Disziplin schlechthin. Durch
übertreibende Verdächtigungen von beiden Seiten erscheinen die Standpunkte vergröbert, ja in ihren
sachlichen Konturen verwischt. Nach mehrfachen vergeblichen Versuchen, auch die Zustimmung der
Deutschschweizer für die Einrichtung von Presbyterien und Kirchenzuchtübung zu gewinnen, wurde die
Entscheidung im Herbst 1569 durch Gegengutachten Bezas, Ursins und Zanchis gegen Erasts Thesen
erzielt. Kurze Zeit später diskreditiert sich die Opposition aufs schwerste dadurch, daß ihre theologischen
Protagonisten in arianische Irrtümer fallen. So ist das Ergebnis des Streits das
44. [Edikt über die Einhaltung der Polizeiordnung, die Einrichtung der Kirchendisziplin und der
Classicalconvente und die Verbesserung des Almosens vom 13. Juli 1570].
Der Verkündung des Edikts scheint eine Einschärfung der Polizeiordnung von 1562 (Nr. 26)
vorausgegangen zu sein. Unter dem 4. Juli 1570 heißt es im Protokoll des Rats der vier Täler des Amts
Bacharach: ,,Befhalen die amptleut dem gantzen rhat zun vier thelen, das sie uber der policeyordnung,
sonderlich des hochzeitscostens halber, vleißig halten sollten, sonst wurde er ihnen, der burgermeister, nit
vergessen etc.“26
In den Streitfragen beschreitet das Mandat den Weg des Kompromisses zwischen den extremen
Standpunkten. Dieser muß sich schon im Mai 1570 angebahnt haben27. Den Kirchenzuchtsgegnern
wurde eine enge Verbindung mit der Polizei und die Einschaltung der Obrigkeit bei der Exkommuni-
kation zugestanden. So konnte Erastus sich von diesem Ausgang befriedigt erklären28. Auch wenn
Olevian und die Seinen nicht in allen Punkten durchgedrungen waren29, so haben sie dies Edikt als
einen Fortschritt verstanden. In der Folgezeit haben sie um den Preis andauernden Streites, insbesondere
mit der Universität, die Exkommunikation gehandhabt30. Das Mandat selbst schärft den Amtleuten
die genaue und strenge Beobachtung der christlichen Polizei ein. In den Ortschaften sind Verordnete auf-
zustellen, denen die Beobachtung von Verstößen gegen die Polizeibestimmungen obliegt. Bereits die
früheren Polizeiordnungen seit 1546 sahen solche Aufseher zur Kontrolle des Gottesdienstbesuchs vor.
Eben diesen Verordneten - Begriff und Theorie des Presbyteriums sind vermieden - ist auch die Auf-
sicht auf Lehre, Leben und Amtsführung der Kirchen- und Schuldiener befohlen. Mit dem Pfarrer be-
raten sie in regelmäßigen Zusammenkünften kirchliche Angelegenheiten, bescheiden mit Irrlehren und
ärgerlichem Wandel behaftete Gemeindeglieder vor sich, ermahnen sie nach der Maßgabe von Matthäus
18, 15—18 zur Besserung und mahnen sie bis zur Besserung vom Abendmahl ab. Ausdrücklich wird be-
merkt, daß dies letztere in der Stille und nicht von der Kanzel zu geschehen habe. Den förmlichen Abend-
26 Staats-A. Koblenz, Abt. 613 Nr. 502, fol. 60 recto.
27 van Schelven, S. 419.
28 Vgl.Wesel-Roth, S. 63. Gesiegt hatte Erastus aber keineswegs, auch wenn seine Gegner im ersten Anlauf nicht
triumphiert hatten.
29 Rott, Neue Quellen, S. 30.
30 Wesel-Roth, S. 70-81.

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