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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0085
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2. Kirchenordnung 1527

andernt ursach willen, dan das man sie sogleych als
wol menschen, von Cristo mit seinem blut thewer
von den sunden erkaufft, als die andern also nach-
gultig acht. Es ist vast83 die meynung, wan man den
genieß von den Bawren het, got geb, der teuffel holt
sie oder nit. Das nu solichs nit auch von einer erbern
Oberkait dißer Statu gearckwont mocht werden, wer
es gut, das ein einsehen geschehe an den pfarernv
auff dem land, nemlich uff disse weys:
Zumw ersten: Dieweyl die lehen der pfaren fast
all in fremder Herschafften handtx steen, das ein er-
ber Raty sich by den lehenherrn, die lehen der pfar-
ren zu inenz durch billiche mittel zubringen, bemuet,
das wurt dahin dienstlich sein, das die pfaren furt-
hin mit frumen, |150v | redlichen mennern versehen
wurden. Auch mocht man darmit die Burger oder
Landskinder, so fleyßig in der schulen aufferzogen,
versorgen. Wan man sicha schon solichs handels et-
was costen laßt, was ligt daran? Kompt es doch der
Statt und land zu nutzb.
Zum andern: Ein erber Ratc uberkum die pfar-
lehen oder nit, so wurt es doch fur gut angesehen
und ist auch auff dem Stettag zu Speyer, vor einem

t Fehlt B.
u B: Stat nit.
v B, E: pfarren.
w E: Zu dem.
x E: land.
y E: statt.
z E: sich.
a D: sie.
b E: gutt.
c E: Statt.
d E: geordnet.
e D: das es.
f Fehlt B.
g B: pfarren.
h-h E: in den stetten.
i B, C: es alhie. E: es dann.
j E: N.
k C: haubtpfarrer.
l-l Fehlt E.
m-m E: ein erbere statt.
n B: gleichen.
o B: werden. Beschlus: Dise obgeschriben ordnung fur die
kirchen ist allein ein Zucht unnd kein noth oder Zwangk-
nus, dero halb sie frey soll sein, wie es ein erbarn Rath
fur gutt wurdt ansehen und dem volck nutz, zu bessern,
zu endern, meren oder mindern, allein das es gottes wort

Jar gehalten, verordnetd, aber wenig volstreckt,
dase ein Oberkait beschick all pfarer irer flecken und
bevelh inen, das sie furohin nichtz anders dan das
heylig, lauterf, clar evangelion, durch die appostel-
lischen und biblischen schrifften approbirt, predigen
und furtragen und sunst all ander leer, so der haili-
gen geschrift und dem Evangelio widerwertig, auch
zu schmach unnd aufrur dienet, gentzlich geschwei-
gen84.
Wo nu das hailig Evangelion also gepredigt,
wurd es leichtlich darnach mogen in den kirchen-
diensten geordnet werden, dan die pfarerng auff dem
land kunden nit die ord-|151r | nung des nachtmals
Cristi halten, wie es hhie in der Stat zu Sant Michelh
gehalten wurd, auß mangel der schuler und mithelf-
fern. Mocht aber mit der Zeyt by inen gehalten wer-
den, wie esi zu Sant Katherinaj85 geordnet ist. Es
wurt nit vil not mit den selbigen bedorffen, wan nur
die houptpfark fzu Sant Michel86 recht verordnet
wurd, daran meinem erbern Ratm aller fleys und
ernst zuwenden ist, auff das die andern kirchen nach
ir weys oder dergleychenn gebessert werdeno.

enlich sey unnd der kirchen zu guttem kem, dan das ist
vast der grosten feyl [=Fehler] einer in den ceremonien
und kirchen dinsten, von den papisten auffgesetzt, das
sie alles guot und gezwungen wollen haben. Darzu wol-
lens nit lassen ein Zucht sein, sonder muß ein rechte
frumkeit sein, also das ein ytlicher, so solche kirchen-
dinst außricht, soll dardurch frumb und gerecht sein. So
doch allein die kirchendinst ein eusserlich ordnung oder
zucht sein sollen und ein yetlicher, der sie außricht, der
dabey ist, darff sich allein beromen, das er zuchtig sey
gewesen unnd noch nit frumb. Die frumkeit ligt in ho-
hern stucken dann an kirchendinsten. Man lernt woll in
der kirchen, wie man frumb soll sein, darnach die frum-
keit will heraussen in den gscheften geubt sein. Darumb
und dieweyl an der ordnung in der kirchen vor gott nichs
gelegen ist (Sie were dan gantz ungotlich), so mag ein
erbar Rath alwegen nach not und nutz der kirchen sie
endern, meren oder mindern lassen.
E: 19. Februarii Anno 1527.

83 Sehr, überwiegend.
84 Zum Städtetag in Speyer 1525 vgl. Schmidt, Städte-
tag, S. 153-159, 490f.
85 Pfarrkirche St. Katharina. Eine Ordnung für die Ka-
therinenkirche ist jedoch nicht überliefert.
86 Siehe oben, S. 52 Anm. 43.

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