Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0193
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
10. Kirchenordnung 1543/1615

Ordnung der Begrebnusu

Es sagt Christus im Evangelio Johannis: Wer an
mich glaubt, der wirt leben, ob er gleich stürbeθ. So
hat auch Christus durch sein urstendt die Begreb-
nus aller deren, die an in glauben, so ehrlich und so
herlich gemacht, das sie nicht sein sol ein verderb-
liche gruob, sonder ein götliche schlaffkammer, darin
man ruwet zu dem ewigen leben, und ein fruchtba-
rer Gottis acker, darin man vor Gott auffwachset
und blühet zu der ewigen seligkeit157. Darumb sollen
die Christen ire abgestorbenen mitglider nicht als
verstorbene bestien unachtsam hinschlen-
ckern158, sonder als erben deß Himelreichs ehrlich
und ordenlich, so vil es sein mag, zur begrebnus be-
stetigen, nicht solcher meinung, als solt der leben-
digen dienst den abgestorbenen inn disem fall zur
e Entwurf 1614, KO 1615: Joh. 11, V. 25.

Haß und Mißgunst, auch anderen bösen Dücken, wie
das mein HERR und Gott an mir erkennt und Ichs ley-
der so volkommlich nit erkennen kan. Also rewen sie
mich und seind mir leyd und begere von Hertzen Gnad
von Gott, durch seinen lieben Sohn Jesum Christum. O
Gott, sey mir sündigen Menschen gnädig.
Darauff mag dem Krancken, so es die Zeit erleydet, der
25. Psalm oder ein Bußpsalm fürgesprochen werden.
Form der Absolution
[Entwurf 1614: Forma Absolutionis]
Der Allmächtig, Barmhertzig Gott hat sich uber dich
erbarmet und durch den Verdienst deß Allerheyligsten
Leydens, Sterbens und Aufferstehens unsers HERRN
Jesu Christi, seines geliebten Sohns, vergibt er dir alle
deine Sünd, und Ich, als ein verordneter, beruffener Dei-
ner der Christlichen Kirchen, verkündige dir auß Befelch
unsers Herren Jesu Christi solche vergebung aller deiner
Sünden im Namen Gottes, deß Vatters unnd deß Sohns
und deß heyligen Geistes, Amen.
Gebett vor Empfahung deß H. Abendtmals, einem
Krancken zusprechen [Entwurf 1614: Precatio,
ante acceptionem Coenae Dominicae aegroto dicanda]
Allmächtiger Gott, Himmlischer Vatter, seytemal ich dir
nicht, dann allein in deinem geliebten Sohn, meinem
Herren Jesu Christo, wolgefallen mag, so Heylige mein
Leib und Seel und gib mir, sein seelige Gemeynschafft
inn seinem H. Abendtmal mit rechtglaubiger Begierd
unnd Danckbarkeit also zuempfahen, daß ich, deiner
ewigen Güte unnd Liebe gegen mir abermals getröstet
und in meinem Glauben gestärcket, nach deinem Willen
gedultiglich leyden, gehorsamlich leben und seelig ster-
ben möge, Durch denselben, meinen HERRN Jesum
Christum, Amen.

erlösung nützlich und dienstlich sein, sonder das hie-
mit die, so noch leben unnd mit der Leich gehn, ir
Christlich mitleiden erzeigen, auch darbey der Ur-
stendt159 inn unserm Herrn erinnert und im glauben
gesterckt werden, das auch sie den todt inn Christo
recht bedencken und in zu seiner zeit mit gutem,
bestendigen vertrawen der Urstendt auffnemen.
|LXXIXa|
Wir wöllen aber der abgestorbenen begrebnus
mit folgender Ordnung halten.
vNach dem die Leich mit begleitung des kirchen-
dieners und deß Volcks auff den kirchhoff getragen
Ein Dancksagung nach empfangenem Abendtmal,
einem Krancken zusprechen [Entwurf 1614:
Gratiarum actio post acceptionem Coenae Dominicae
aegroto dicenda]
Ich dancke dir, HERR Jesu Christe, daß du mich durch
dise heylsame Gaben deines wahren Leibs unnd Bluts
erquicket hast unnd bitte dein Barmhertzigkeit, daß du
mir solche gedeyen lassest zum starcken Glauben gegen
dir, zu brünstiger Liebe gegen meinem Nächsten, zu
Christlicher Gedult in allem Leyden und zu schuldigem
Gehorsam im Leben und Tod, Der du mit Gott, dem
Vatter, in Eynigkeit deß H. Geistes lebest und regierest,
immer und ewiglich, Amen.
Hirauff mögen auch dem Krancken, so es schwachheit
halben geschehen kan, etliche schöne Psalmen fürgelesen
werden, als der 23., 91., 103., 117., 118. etc.
u Entwurf 1614, KO 1615: Begrebnus der Todten.
v-v Entwurf 1614, KO 1615: Erstlich soll die Begräbnuß ihre
gewiße Stund haben, als umb 12 oder umb 1 oder umb
3 Uhr Nachmittag. Diß anzuzeigen, soll dem volck vor-
her mit einer Glocken ein Zeichen gegeben werden, sich
zur Belaytung zuversamblen, Dann das Glockenleuten
an ihm selbst nit unrecht ist, wann es ohne Aberglauben
und Abgötterey geschicht. Inmassen auch an ihm selbst
nit unrecht ist, ein Creutz vor der Leich hertragen, wann
es ohne Aberglauben und Abgötterey geschicht, Nemb-
lich also, daß es nit effective, sondern significative ge-
braucht wirt, anzuzeigen, daß der Todte auff das Creutz
Jesu Christi abgestorben [marginal: Gal. 6, V. 14]. Dar-
nach sollen die Kirchendiener, Welche zum Begräbnuß
erfordert, sampt den Schülern (wann mans begert) zu
bestimbter Zeit fein ordentlich fürs Hauß gehen, darinn
der Abgestorbene ligt, und die Leich von dannen zum

157 Vgl. Ps 16,8-11; Jes 26,19; Apg 2,24-36.
158 Hinwerfen.
159 Auferstehung.

173
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften