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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0398
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Konstanz

5. Almosenordnunga
13. April 1532
Merung dess almüsens ordnung, darvon oben am 36. blatt geschriben stat1

Man erfart täglich, das eben so not ist, maß und
ordnung zehalten, das man uff den bettel sich nitt
lege noch zü bettlern werde, wie not ist, das man
den törfftigen und armen in irer notturfft helfe. Wo
man nun alle mengklich on underschid bettlen, vor-
ab von hus zu hus umbgon und das allmüsen höu-
schen laßt, so bschicht, das vil böser, schadhaffter
und maisterloser2 lüt under die armen sich inmi-
schent, under welhen, welhe vil swätzens und sich
übel gheben könnent, den andern rechten armen für-
kumment und innemment, was den selben sollt ge-
raicht und geben werden. Darzü legent sich vil lut
uff bettlen, die noch jung und starck sind, ouch wol
wercken und ir brot unnd narung mit der hand ge-
wunnen mochten. Deßglich sind vil, die aigen güter
und wol sunst on den bettel narung |117v| habent,
die dannocht der gstalt harumb loufent und bett-
lent. Vil ouch sind, die die iren nach dem bettel
schickent, nur das sy dester bas maisterloß, ouch
fuls3 und volles leben triben mögint. So bschicht
ouch gwonlich, welhe ain mal anfahent, sich uff sol-
ches umbstrichen zelegen, das sy sich verschement
und nimmermer darvon abstond, ouch ir leben lang
in maisterloßkait bettlent. Item, sy ziehent ouch ire
kind druff, allso das ire kind kain scham deß bett-
lens habent, ouch zur arbait untouglich werdent und
mütwillig dem bettel sich ergebent. Vil werdent mit
den kindern zbettlern, nur das sy nitt werken mü-
ßint, des gwonent dann die kind, dann sy drinn uff-
erzogen werdent; deßhalben ouch, wie man sicht, an

α Dise vorig ordnung stat oben am 36. blatt [Siehe oben,
S. 373, Nr. 4].

a Textvorlage (Handschrift): StadtA Konstanz AIII
Bd. 8, fol. 117r-120r. Abdruck: Feger, Statutensamm-
lung, S. 51-54.

1 Siehe oben, S. 372, Nr. 4.
2 Meisterlos, ohne Meister, ohne Führung, hier im Sinne

werckluten offt mangel ist. Item, ob schon ettwan
lüt sind, die gern werckent und dannocht darnebent
hilf haben müßent, so werdent doch sy (dwil sy all
tag die hilf und almüsen suchent) letstlich verrücht,
ouch unwercksam und stond nit mer vom bettel.
Das allso am allermaysten die bösen lut und die deß
nit wert sind, das almüsen innemment und die rech-
ten armen, die der luten hilf notturftig | 118r | sind,
versumpt werdent und große armüt und hunger li-
den müßent. Söllichs so vil möglich zufürkummen,
hatt ain ersamer rat verordnet, das die vor uffge-
richt almusens ordnung in allen und jeden iren ar-
ticklen by creften pliben und darinn nichtz geendert
sin soll, dann allain, als hernach volgtα.
Namlich dwil in der selbigen ordnung luter ver-
botten ist, das weder frembd noch haimsch hie uff
der gassen noch in den husern (man habe dann ains
zekummen vorhin ervordert) das almüsen höuschen
noch darumb ankummen noch sich umb erholung
willen desselbigen fur die kirchen an die straßen
noch sunst verfügen oder richten, besunder das al-
müsen in sant Jos herberg4 holen, und, so er frombd
ist, in zwayen monaten nit mer wider, das almüsen
inzenemmen, kummen soll, wie dann die ordnung
zugibt, so hatt der rat dises allenklich ernüwert,
aber allain nachgelassen, welher allso das almüsen
im seelhus innimpt, das er dann nach vier wochen
wol mög dasselbig almüsen widerumb holen. Sunst
aber und one dasselbig almüsen, hat der rat zu me-

von zügellos, ausgelassen, vgl. Grimm, DWb 12,
Sp.1973.
3 Faules.
4 Das Seelhaus war aus der bei St. Jos in der südlichen
Vorstadt Stadelhofen bestehenden Elendenherberge und
dem 1518/19 dort errichteten Blatternhaus entstanden,
vgl. Buck, Reformationsgeschichte, S. 36; Meisel,
Verfassung, S. 113.

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