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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0446
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Isny

4. Das evangelische Kirchenwesen nach dem Interim (1548-1618)

Nach dem Schmalkaldischen Krieg musste auch Isny das kaiserliche Interim von 1548 annehmen. Erst
Ende des Jahres dachte man jedoch ernsthaft an die Umsetzung der Interimsbestimmungen. Seit dem
28. November wurden in der Pfarrkirche St. Nikolai wieder Messen gefeiert. Dennoch versuchte der Rat, in
Anlehnung an das Beispiel des Herzogtums Württemberg, wo man die evangelischen Geistlichen als Kate-
cheten kurzerhand wieder anstellte,50 das evangelische Kirchenwesen während des Interims soweit wie
möglich aufrecht zu erhalten. So erteilten die Katecheten in Isny seit dem 2. Juni 1549 wieder Katechis-
musunterricht51 und der Rat stellte den ein Jahr zuvor entlassenen Vikar Benedikt Burgauer am 22. Okto-
ber als Prediger in der Spitalkapelle erneut an.52
Nach dem Ende des Interims kehrte der Isnyer Magistrat offiziell zum evangelischen Glauben zurück;
seit dem 29. Mai 1552 wurden wieder evangelische Gottesdienste in St. Nikolai gefeiert. Der Konflikt zwi-
schen Stadt und Kloster um die Rechte an der Pfarrkirche dauerte jedoch noch bis 1583 an. Erst in diesem
Jahr kam es durch den Verkauf der Inkorporationsrechte an den Rat zu einer gütlichen Einigung.53 Damit
ging die Pfarrkirche schließlich auch de iure in den Besitz der Stadt über, de facto hatte der Rat bereits seit
Ende des Interims 1552, möglicherweise aber auch schon davor, Einfluss auf die Stellenbesetzung ausge-
übt.54

3. Ehegerichtsordnung 1566 / 19. Juli 1600 (Text S. 439)
Die Ehegerichtsordnung von 1566, die in einer Abschrift aus dem 17. Jahrhundert überliefert ist, geht
inhaltlich auf zahlreiche Bestimmungen aus vorreformatorischer Zeit zurück. Bereits 1397 wurden die gegen
den Willen der Eltern geschlossenen Ehen mit Enterbunggeahndet.55 In der Stadtordnung vom 1. Mai 1544
(Nr. 2) wurden ebenfalls einzelne Bestimmungen zum Ehe- und insbesondere zum Erbrecht erlassen, bevor
mit der Ehegerichtsordnung von 1566 eine umfassende Ordnung zum Eherecht abgefasst wurde.
Der Rat setzte ein eigenes Ehegericht ein, dessen Zuständigkeitsbereiche und Handlungsspielräume die
Ordnung regelt. Die Bürger sollten schwören, das städtische Ehegericht anzuerkennen und gegen dessen
Entscheidungen nicht bei einem geistlichen Gericht zu appellieren. Die entsprechende Eidesformel ist der
Ordnung auf einem separaten Blatt beigegeben.56 Der zehn Kapitel umfassende Text regelt die Vorausset-
zungen des Eheschlusses, Ehehindernisse, Ehescheidung, Desertion sowie die Versöhnung der Eheleute.
Die Ehegerichtsordnung von 1566 stimmt wörtlich mit derjenigen aus Lindau aus dem selben Jahr
überein. Dass die Lindauer Ordnung die Vorlage für die Isnyer ist, geht daraus hervor, dass der Schreiber an
einer Stelle den Ortsnamen „Lindau“ nachträglich in „Isny“ verbesserte.57
Im Jahre 1600 erschien eine Neuauflage des Textes,58 in der einige längere Passagen anders abgefasst
sind, etwa die Vorrede und die Abschnitte zur Eheschließung Unmündiger, zu heimlichen Eheschließungen

50 Sehling, EKO XVI, S. 33 Nr. 19.
51 Kammerer, Reformation, S. 51.
52 Ebd. Zu Benedikt Burgauer siehe ebd., S. 40-44.
53 Hauptmeyer, Verfassung, S. 20; Kammerer, Refor-
mation, S. 35; Reinhardt, Überblick, S. 14; Sauter,
Inkorporationen, S. 73f. Zum Verhältnis von Protestan-
ten und Katholiken in der Stadt siehe Greiffenha-
gen, Kultur, S. 112ff.
54 Sauter, Inkorporationen, S. 74f.

55 Köhler, Ehegericht II, S. 207.
56 Siehe unten, S. 440 Anm. n.
57 Vgl. Köhler, Ehegericht II, S. 211 Anm. 48. Vgl.
unten, S. 444 Anm. m. Der Text der Lindauer Ehege-
richtsordnung von 1566 ist nicht bei Sehling ediert. Dort
wird lediglich darauf verwiesen, Sehling, EKO XII,
S. 185.
58 Siehe unten, S. 439 Anm. a.

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