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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0511
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3c. Kirchenordnung [1538]

3c. Kirchenordnunga
[Sommer 1538]

Schultheis, meister1 und Rhat der Statt Gengem-
pach allen unsern burgern und hindersassen Gnad
und frid von gott dem vatter und unserm heyland
Jesu Christi.
Es ist meniglichen kundt und wissen, aller lieb-
sten, wie uns der allmechtig got, der vatter aller
barmhertzigkait, in vergangner Zeyt so barmhert-
ziglich durch sein vilfaltig gnad, so er an uns so
uberflyßig erzaygt, von den superstitionen, irthum-
ben unnd ungegrundten, nicht sollenden2 Ceremo-
nien der menschen satzen (in welchen wir umb un-
sere verdiente sehuld und undankparkait gelegen)
zu seinem wunderparlichen liecht des ewigen, ymer-
werenden wort gottes beruffen3.
Unnd wiewol wir diser haylwerttigen gottes
gnad nit zugegen gestanden, sonder mit unnsern
predicanten, durch das lauter wort gottes solche
gnad zu verkhunden (welches nun ettlich jar lang
mit trewen geschehen) verschafft und bißhieher
trewlich befolhen, der hoffnung, ain from, gotselig
und nach gutten wercken gottgefellig, eyfferig volck
zum preyß gottes und angesehen der seelen hayl
auffzuziehen, als auch gewißlich nit on frucht abgät,
wo des Herren wort getriben wurt, wie Esaias4 be-
zeugt.
Dieweyl aber der glaub und gnad, das Wort got-
tes zuhören, nit yedermans ding ist unnd in khains
menschen vermogen, sonder ain freye gottesgab ist,
so mußen wir layder, wie augenscheinlich, von den
unbegnadeten, zu grossem nachtayl der fromen,
gutherzigen, schwachen gewissen, vil unraths und
wyderspennigkayt im glauben sehen und hören, also
das die jhenen, so die warhayt anmuttig, von den
andern zum tayl mit newen auffsetzen5 bekumert
oder von den alten mißpreuchen vom rechten weg
der seligkayt verhindert, welches uns furohin nit
a Textvorlage (Handschrift): UBibl Basel, Frey-Gryn. I,
1, fol. 1r-8r. Abdruck: Kohls, Bewegung, S. 29-39.

1 Bürgermeister.
2 Feierlichen, festlichen.

lenger zugedulden und also stylschweigend umbzu-
gen ist, wir welten dann unnserm ampt, von got uns
befolhen, nit nachkomen, daruß uns sampt euch
nichts anders dann der billich zorn gottes erwachsen
und ewer blut von unsern henden gefordert werden
möcht. | 1v |
Unnd ob wir wol uber niemands glauben herren
sind, so werden wir doch bericht, das uns nit allain
gebure, sonnder auch ampts und befelch halber, so
wir von got haben, unnserer ußerlichen regierung
unnd ordnung der pollicey auß dem wort gottes
(welchs ain gotsforchtige oberkayt allweg ansehen
sol) beschaidig erforschen, welches, so wir mit der
hilff des allmechtigen (wie wir gentzlich bey uns ay-
niglich beschlossen) understen werden, hoffen wir,
euch, unsern underthonen, mit unserm vorsein nit
allain zu der seelen selyhkait, sonder auch des
leubs6, eeren, guts, friden und alles guten wolffart
beratten sein.
Zum vordersten aber sichts uns für nöttig an zu
bedencken, wie das haylig wort gottes bayder testa-
menten (auß welches innhalt glaub gegen got, lieb
gegen dem nechsten und gantz christenlich leben er-
lernt wurt) bey vilen gar veracht, bey andern, die
sich des rhumen, unwirdigklich gehandelt unnd
nachlessiglich gehalten, die sacramenta bayde, des
leibs und bluts unsers herren, auch des tauffs, ent-
ehret, christlich zucht hingelegt unnd das, mer greu-
lich zu hören, dargegen allerlay ergerliche laster ein-
gerissen, auß welchen allerlay unser Kirchen unord-
nung dem wort gottes und dem rechtgeschaffnen
gottsdiensts und religion ungmeß und untraglich, zu
besorgen, wa solche unordnung further solt gestat-
tet werden, nichts anders dann der Zorn gottes uns
zu erwartten.

3 Vgl. Ps 119,105.
4 Jes 55,11.
5 Feindschaften, Nachstellungen, vgl. Grimm, DWb 1,
Sp. 719.
6 Leibs.

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