Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0537
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Einleitung

42. Die Schulordnungen aus der württembergischen Großen Kirchenordnung von 1559

In der Großen Kirchenordnung fasste Herzog Christoph von Württemberg im Jahre 1559 die zahlreichen
bis dahin erlassenen Gesetze und Regelwerke des weitreichenden kirchlichen Lebens im Druck zusammen.
Die Bedeutung dieses umfangreichen großformatigen Ordnungswerkes liegt in der Kompilation von insge-
samt 19 Ordnungen, in der sich die konsequente Durchgestaltung des landesherrlichen Kirchenregiments
widerspiegelt. Die Große Kirchenordnung nahm damit für das Herzogtum Württemberg den Rang eines
Grundgesetzes ein, das bis 1806 Gültigkeit besaß.1 Zu den hier versammelten Ordnungen des kirchlichen
Lebens im engeren Sinne traten auch Regelungen des Schul- und Gesundheitswesens. Mit Einführung der
Reformation erfuhr das traditionell mit der Kirche verbundene Schulwesen entscheidende Veränderungen
und Neuerungen.2 In der Großen Kirchenordnung wird erstmals ein unter staatlicher Aufsicht stehendes
Bildungswesen vorgestellt.3
Schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts war die Zahl der Schulen im Land vergrößert wor-
den.4 Herzog Ulrich (1534-1550) verfolgte erste Ansätze zum Ausbau des Bildungssystems für die Landes-
kinder, da in den einzelnen Orten des Herzogtums gut ausgebildete Pfarrer, Lehrer, Ärzte und Verwaltungs-
kräfte benötigt wurden. Unter seiner Regentschaft entstand eine solide Grundlage des Schulwesens, das sein
Sohn, Herzog Christoph (1550-1568), schließlich auf vielfältige Weise erweiterte.5 Die Bedeutung der in der
Großen Kirchenordnung versammelten Schulordnungen lag einerseits darin, die in den zahlreichen Bil-
dungsinstitutionen des Landes bereits bestehende Praxis zu ordnen und festzuschreiben, andererseits darin,
zukünftig einzurichtende Institutionen bereits vorab zu strukturieren.6
In Bezug auf die schulischen Belange verfolgte die Große Kirchenordnung zwei Hauptanliegen. Zum
einen fasste sie ein flächendeckendes Volksschulwesen ins Auge, das die bereits zahlreich im Lande vorhan-
denen lateinischen und deutschen Schulen weiter ausbauen sollte. Überall dort, wo ein Mesneramt bestand,
sollte eine deutsche Schule unter der Leitung des Mesners eingerichtet werden.7 Zum anderen wurde das
Konzept eines geschlossenen höheren Bildungswesens vor Augen geführt, das sich auf zwei Gleisen
bewegte.8 Das eine führte von der Lateinschule über die Klosterschule9 an die Universität und ins Stift nach
Tübingen und mündete schließlich im Pfarramt. Dieser Weg war mit der Klosterschule, die einen in Würt-
temberg einzigartigen Unterbau für das Tübinger Stift darstellte, also bereits früh auf den geistlichen Beruf
ausgerichtet. Das andere Gleis führte von der Lateinschule über das Stuttgarter Pädagogium an die Uni-
versität und mündete im höheren Verwaltungsapparat des Herzogtums. Ziel der herzoglichen Schulpolitik
war also nicht allein, die allgemeine Bildung in der Bevölkerung zu verbessern, sondern vor allem, Nach-
wuchs für die eigene Landeskirche und -verwaltung auszubilden.

1 Hahn/Mayer, Stift, S. 18.
2 Brecht, Einflüsse, S. 63-73; Smolinsky, Kirchenre-
form, S. 43f.
3 Holtz, Bildung, S. 255.
4 Schmid, Volksschulwesen, S. 5-11; Schulz, Latein-
schulen, S. 108-110.
5 Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte, S. 252f.
6 Ehmer, Bildungsideale, S. 18f. Die Adelsakademie (vgl.
Nr. 42o) sowie die Schreib- und Rechenschulen (vgl.

Nr. 42r) sollten erst noch errichtet werden. Auch die
Leib- und Wundärzte (vgl. Nr. 42q) waren noch nicht in
den Bezirken des Landes angestellt.
7 Siehe unten, S. 527.
8 Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte, S. 334;
Bauer, Konzeption, S. 46.
9 Abdruck der württembergischen Klosterschulordnung
von 1559 bei Sehling, EKO XVI, S. 361-380.

517
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften