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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0539
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Einleitung

42l. Ordnung der Lateinschulen (Text S. 525)
Die Ordnung der Lateinschulen steht am Anfang des gesamten Abschnitts zu den Regelungen der ver-
schiedenen Bildungsinstitutionen der Großen Kirchenordnung. In der Vorrede werden zunächst die einzel-
nen Ausbildungsstätten vorgestellt und erläutert, in welcher Beziehung sie zueinander stehen.
In den Lateinschulen (Trivial- oder Partikularschulen) wurde der Grundstein für die Ausbildung des
Nachwuchses für kirchliche und weltliche Ämter gelegt. Bereits vor der Reformation gab es einige Latein-
schulen im Land, deren Lehrplan sich an den seit dem Mittelalter verbindlichen Artes liberales orien-
tierte.19 Herzog Ulrich baute das Schulsystem aus und nahm erste Maßnahmen vor, das Lateinschulwesen
zu ordnen. 1547 wurde eine Landesschulordnung erlassen und Valentin Vannius verfasste im selben Jahr
eine Ordnung für die Stuttgarter Lateinschule; beide Schriftstücke sind jedoch nicht erhalten.20
Die Mehrzahl der Lateinschulen war nicht mit sämtlichen fünf Klassen, sondern - aus Mangel an
Lehrern und Schülern - nur mit den ersten beiden ausgestattet.21 Wer an einer Lateinschule nicht alle
Klassen absolvieren konnte, aber später an der Universität studieren wollte, musste die fehlenden entweder
im Stuttgarter22 oder Tübinger Pädagogium23 absolvieren. Diese beiden Lateinschulen, so genannte Vollan-
stalten, verfügten über sämtliche fünf Klassen und ermöglichten den Zugang zur Universität.24
Die Lateinschulordnung ist in vier Teile untergliedert: Im ersten Teil werden die verschiedenen Klassen,
die Unterrichtszeiten sowie die auf den Gottesdienst konzentrierten Unterrichtsinhalte ausführlich vorge-
stellt. Im zweiten Teil beschäftigt sich die Ordnung mit dem Verhalten von Lehrern und Schülern, im
dritten Teil wird erläutert, unter welchen persönlichen Voraussetzungen die Lehrer und ihre Helfer ange-
stellt werden und welche Besoldung sie erhalten sollen. Der vierte Teil beschäftigt sich schließlich mit den
Gremien der Schulaufsicht.25 Der Text der Lateinschulordnung wurde nicht nur in die Große Kirchenord-
nung von 1559 aufgenommen, sondern erschien in diesem Jahr zusätzlich als Separatdruck, der einige
inhaltliche Abweichungen sowie zusätzliche Abschnitte aufweist. Auch der erneute Abdruck in der revidier-
ten Großen Kirchenordnung von 1582 weist Neuerungen auf.
Mit Hilfe der Lateinschulordnung von 1559 und der Neuauflage von 1582 wurde das Netz der Schulen
im Land ausgebaut. Die Maßgabe von 1559, dass in allen großen und kleinen Städten des Landes Latein-
schulen eingerichtet werden sollten,26 wurde umgesetzt: 1590 gab es in Württemberg zwischen 45 und
50 Lateinschulen. Eine solche Schuldichte wurde in zahlreichen anderen Territorien erst im 20. Jahrhundert
erreicht.27

42m. Ordnung des Stuttgarter Pädagogiums (Text S. 553)
Das Stuttgarter Pädagogium ging aus der Lateinschule im Beginenhaus im Hospitalviertel hervor.28 Bereits
1535 war die Schule mit vier Klassen für ca. 300 Schüler konzipiert worden, Ende der 1550er Jahre erfolgte
die Erweiterung um eine fünfte Klasse.29 Spätestens seit dieser Zeit wurde die Institution als Pädagogium

19 Ehmer, 450 Jahre, S. 129f.
20 Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte, S. 333; Eh-
mer, Vannius, S. 88f.; Ziemssen, Partikularschulwe-
sen, S. 482-485.
21 In Tübingen bestand eine vierklassige Lateinschule, in
Nürtingen eine dreiklassige, vgl. Holtz, Bildung,
S. 257; Ehmer, Bildungsideale, S. 20; Bauer, Unter
Herzog Christoph, S. 49.
22 Siehe unten, Nr. 42m.
23 Siehe unten, Nr. 42n S. 579.
24 Ehmer, Bildungsideale, S. 20.

25 Zum Inhalt siehe Ziemssen, Partikularschulwesen,
S. 512-530; Bauer, Unter Herzog Christoph, S. 49f.;
Pfaff, Unterrichtswesen, S. 71; Schulz, Lateinschu-
len, S. 112f.
26 Siehe unten, S. 526.
27 Ehmer, 450 Jahre, S. 132f.; vgl. Holtz, Bildung,
S. 257; Pfaff, Unterrichtswesen, S. 71-74.
28 Zu den Anfängen der Stuttgarter Lateinschule siehe
Ziemssen, Partikularschulwesen, S. 574-581; Lang,
Gelehrtenschule, S. 1-38; Pfaff, Unterrichtswesen,
S. 74.

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