Nachtrag zu Band XVI
bezeichnet.30 In den fünf Klassen, die unter einem Pädagogarchen als Rektor standen und für die fünf
Lehrer und ebenso viele Helfer zuständig waren, sollten Stundenplan und Lehrinhalte der Lateinschulord-
nung (Nr. 421) Anwendung finden.31 Anders als bei den sächsischen Fürstenschulen war dem Stuttgarter
Pädagogium jedoch kein Internat angeschlossen. Das bedeutete, dass dort ausschließlich Stuttgarter sowie
reiche Auswärtige lernten, die sich die Unterbringung in der Stadt leisten konnten.32
Stand bereits das Landexamen, mit dem die Lateinschule beendet wurde und das den Übertritt in die
Klosterschule ermöglichte, von Anfang an unter der Leitung der Stuttgarter Lateinschule,33 so übertrug
Herzog Christoph im Rahmen des Auf- und Ausbaus einer staatlichen Schulkontrolle dem Leiter des Päd-
agogiums die Aufsicht über sämtliche württembergischen Lateinschulen. Mit dieser Sonderstellung wurde
die Stuttgarter Lateinschule von einer städtischen Einrichtung zu einer herzoglichen Institution. Auch
inhaltlich und methodisch wurde das Stuttgarter Pädagogium eine Musterschule für die übrigen Latein-
schulen im Lande. Die hier entwickelten Lehrpläne, Lernmethoden und Unterrichtsmaterialien sollten lan-
desweit eingeführt und angewendet werden.34
Die Bezeichnung „Pädagogium“ stellte die Stuttgarter Institution dem Tübinger Pädagogium35 an die
Seite, ohne sie diesem jedoch gleichzusetzen.36 Beide Pädagogien waren mit fünf Klassen ausgestattet, die
als Voraussetzung für den Besuch der Universität durchlaufen werden mussten.37 Anders als das Stuttgarter
Pädagogium, das der direkten landesherrlichen Aufsicht unterstand, war das Tübinger von Anfang an der
Universität angegliedert und besaß deren korporative Rechte.38 In der revidierten Neuauflage der Großen
Kirchenordnung von 1582 erscheint das Stuttgarter Pädagogium um eine sechste Klasse erweitert. Neu war
1582 auch die Aufnahme eines Eides der Hilfslehrer, mit dem sie sich zu ihren Pflichten bekennen mussten.
42n. Ordnung des Tübinger Stipendiums (Text S. 555)
Herzog Ulrich gründete 1536 in Tübingen eine Förderungseinrichtung für das Studium von Pfarrern, Leh-
rern und höheren Angestellten in der Landesverwaltung und versah die Stiftung am 14. Februar desselben
Jahres mit der ersten Stipendiatenordnung,39 die vor allem den notwendigen institutionellen und ökono-
mischen Rahmen festlegte.40 Vorbild dieses herzoglichen Stipendiums war die hessische Stipendiatenanstalt
in Marburg, die Landgraf Philipp zusammen mit seiner evangelischen Landesuniversität eingerichtet
hatte.41 Das Grundkonzept des Stipendiums bestand darin, sozial und finanziell schwächer gestellten Per-
sonen das Theologiestudium zu ermöglichen. Als Gegenleistung verpflichteten sich die württembergischen
Stipendiaten, ausschließlich an der Tübinger Universität zu studieren und nach dem Abschluss als Lehrer
oder Pfarrer in württembergische Dienste zu treten.42
Die Stipendiaten bildeten nicht nur einen durch den Erhalt des Stipendiums verbundenen Personen-
kreis, sondern auch eine räumlich eng zusammengefasste Korporation, die zunächst in der Studentenburse
29 Holtz, Bildung, S. 260; Kreiker, Armut, S. 138.
30 Holtz, Bildung, S. 260.
31 Ebd.; Pfaff, Unterrichtswesen, S. 76-79.
32 Holtz, Bildung, S. 260; Ziemssen, Partikularschulwe-
sen, S. 530.
33 Sehling, EKO XVI, S. 363; vgl. Holtz, Bildung,
S. 262.
34 Ebd., S. 261f.
35 Siehe unten, S. 579.
36 Lang, Gelehrtenschule, S. 29; Ziemssen, Partikular-
schulwesen, S. 591-601.
37 Holtz, Bildung, S. 260.
38 Ziemssen, Partikularschulwesen, S. 591f.
39 HStaatsA Stuttgart A 274 Bü 85, Abdruck bei Rey-
scher, Gesetze XI/2, S. 11-20.
40 Leube, Stift, S. 8-13; Reformation in Württemberg,
S. 223; Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte,
S. 253-255; Bauer, Unter Herzog Ulrich, S. 39; Deet-
jen, Stift, S. 22f.; Brecht, Konzeptionen, S. 29;
Hahn/Mayer, Stift, S. 13f., 103f.
41 Hierin zeigt sich einmal mehr die enge Verbundenheit
Herzog Ulrichs mit Landgraf Philipp von Hessen, vgl.
Reformation in Württemberg, S. 223; Brecht, Straß-
burger Vorbild, S. 228f.; Deetjen, Stift, S. 21-24.
42 Reformation in Württemberg, S. 223; Brecht, Evan-
gelisches Stift, S. 218.
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bezeichnet.30 In den fünf Klassen, die unter einem Pädagogarchen als Rektor standen und für die fünf
Lehrer und ebenso viele Helfer zuständig waren, sollten Stundenplan und Lehrinhalte der Lateinschulord-
nung (Nr. 421) Anwendung finden.31 Anders als bei den sächsischen Fürstenschulen war dem Stuttgarter
Pädagogium jedoch kein Internat angeschlossen. Das bedeutete, dass dort ausschließlich Stuttgarter sowie
reiche Auswärtige lernten, die sich die Unterbringung in der Stadt leisten konnten.32
Stand bereits das Landexamen, mit dem die Lateinschule beendet wurde und das den Übertritt in die
Klosterschule ermöglichte, von Anfang an unter der Leitung der Stuttgarter Lateinschule,33 so übertrug
Herzog Christoph im Rahmen des Auf- und Ausbaus einer staatlichen Schulkontrolle dem Leiter des Päd-
agogiums die Aufsicht über sämtliche württembergischen Lateinschulen. Mit dieser Sonderstellung wurde
die Stuttgarter Lateinschule von einer städtischen Einrichtung zu einer herzoglichen Institution. Auch
inhaltlich und methodisch wurde das Stuttgarter Pädagogium eine Musterschule für die übrigen Latein-
schulen im Lande. Die hier entwickelten Lehrpläne, Lernmethoden und Unterrichtsmaterialien sollten lan-
desweit eingeführt und angewendet werden.34
Die Bezeichnung „Pädagogium“ stellte die Stuttgarter Institution dem Tübinger Pädagogium35 an die
Seite, ohne sie diesem jedoch gleichzusetzen.36 Beide Pädagogien waren mit fünf Klassen ausgestattet, die
als Voraussetzung für den Besuch der Universität durchlaufen werden mussten.37 Anders als das Stuttgarter
Pädagogium, das der direkten landesherrlichen Aufsicht unterstand, war das Tübinger von Anfang an der
Universität angegliedert und besaß deren korporative Rechte.38 In der revidierten Neuauflage der Großen
Kirchenordnung von 1582 erscheint das Stuttgarter Pädagogium um eine sechste Klasse erweitert. Neu war
1582 auch die Aufnahme eines Eides der Hilfslehrer, mit dem sie sich zu ihren Pflichten bekennen mussten.
42n. Ordnung des Tübinger Stipendiums (Text S. 555)
Herzog Ulrich gründete 1536 in Tübingen eine Förderungseinrichtung für das Studium von Pfarrern, Leh-
rern und höheren Angestellten in der Landesverwaltung und versah die Stiftung am 14. Februar desselben
Jahres mit der ersten Stipendiatenordnung,39 die vor allem den notwendigen institutionellen und ökono-
mischen Rahmen festlegte.40 Vorbild dieses herzoglichen Stipendiums war die hessische Stipendiatenanstalt
in Marburg, die Landgraf Philipp zusammen mit seiner evangelischen Landesuniversität eingerichtet
hatte.41 Das Grundkonzept des Stipendiums bestand darin, sozial und finanziell schwächer gestellten Per-
sonen das Theologiestudium zu ermöglichen. Als Gegenleistung verpflichteten sich die württembergischen
Stipendiaten, ausschließlich an der Tübinger Universität zu studieren und nach dem Abschluss als Lehrer
oder Pfarrer in württembergische Dienste zu treten.42
Die Stipendiaten bildeten nicht nur einen durch den Erhalt des Stipendiums verbundenen Personen-
kreis, sondern auch eine räumlich eng zusammengefasste Korporation, die zunächst in der Studentenburse
29 Holtz, Bildung, S. 260; Kreiker, Armut, S. 138.
30 Holtz, Bildung, S. 260.
31 Ebd.; Pfaff, Unterrichtswesen, S. 76-79.
32 Holtz, Bildung, S. 260; Ziemssen, Partikularschulwe-
sen, S. 530.
33 Sehling, EKO XVI, S. 363; vgl. Holtz, Bildung,
S. 262.
34 Ebd., S. 261f.
35 Siehe unten, S. 579.
36 Lang, Gelehrtenschule, S. 29; Ziemssen, Partikular-
schulwesen, S. 591-601.
37 Holtz, Bildung, S. 260.
38 Ziemssen, Partikularschulwesen, S. 591f.
39 HStaatsA Stuttgart A 274 Bü 85, Abdruck bei Rey-
scher, Gesetze XI/2, S. 11-20.
40 Leube, Stift, S. 8-13; Reformation in Württemberg,
S. 223; Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte,
S. 253-255; Bauer, Unter Herzog Ulrich, S. 39; Deet-
jen, Stift, S. 22f.; Brecht, Konzeptionen, S. 29;
Hahn/Mayer, Stift, S. 13f., 103f.
41 Hierin zeigt sich einmal mehr die enge Verbundenheit
Herzog Ulrichs mit Landgraf Philipp von Hessen, vgl.
Reformation in Württemberg, S. 223; Brecht, Straß-
burger Vorbild, S. 228f.; Deetjen, Stift, S. 21-24.
42 Reformation in Württemberg, S. 223; Brecht, Evan-
gelisches Stift, S. 218.
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