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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0555
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42l. Ordnung der Lateinschulen 1559

kommen. Damit nun sieu lust und liebe darzu ge-
winnen und nit davon abgeschreckt, auch einerley
weiß zu leren in den Schulen gehalten werd, Soll
inen der Praeceptor zum eingang den rechten
brauch der Etymologiae auff das kindestv26,

u Separatdruck 1559: die Knaben.
v Separatdruck 1559: kindisch.
Fehlt Separatdruck 1559.
x Separatdruck 1559: sey. Erstlich soll er den Knaben an-
zeigen, das sie alle Wörtlin, wievil deren seind, in der
gantzen lateinischen Sprach unnd allen Büchern under-
scheidenlich sollen und müssen wol vor einander lernen
erkennen. Dann sollen sie inen anzeigen, das es nit so
schwär sey, wie es sie ansehe, dann alle wörtlin seien in
acht hauffen außgetheilt, die man nennet partes oratio-
nis, unnd so ein Kind in denen acht hauffen nur eins oder
zwey Wörtlin lernet kennen, so kennet er darnach die
andern alle, Gleich wie einer, der vil Geltz hat unnd legt
ein jetliche Münz besonder in ein eigens Säcklin, als die
Heller legt er besonders in ein eigens Säcklin, darnach
die Pfenning, zum dritten die Kreutzer, zum vierdten die
Dreyer, zum fünfften halb Batzen, zum sechsten gantz
Schilling, zum sibenden Groschen, zum achten gantz
Batzen. Derselbig muß underschidlich acht Seckel neben
oder bey einander haben. Also hat ein jede Red acht par-
tes orationis, als acht Seckel, darein alle Wörtlin gelegt
werden müssen. Wölcher nun ein Heller oder Pfenning
kent, der kennet auch alle andere Heller unnd Pfenning,
und also auch fürauß mit der andern Müntz, der weißt,
alsbald er die Müntz gesehen hat, in wölches Säcklin sie
gehört. Also auch ein Schulknab soll des underwisen wer-
den, das er seine Wörtlin alle lerne kennen, under wol-
chen partem orationis es gehör, ob es sey ein Nomen oder
Pronomen, ein Verbum oder Participium, ein Adverbium
oder Praepositio, Coniunctio oder Interiectio etc.
Zum dritten, so soll der Praeceptor dise acht Wörtter
oder Namen, darmit die Partes orationis genannt wer-
den, wol verteutschen und den Kindern bekannt ma-
chen, dann dardurch lernen sie alle Wörtter erkennen,
sonderlich, so inen angezeigt, was jeder pars orationis für
ein ämptlin hat und warzuo er in der Red gebraucht
würdt.
1. Nomen, ein nam, ist ein wörtlin, darmit ein jedes ding
genennt würdt, wie dann alle ding besondere namen ha-
ben, als Deus - Gott, Coelum - Himmel, Homo -
Mensch, Terra - Erd. Und würdt das Nomen darumb in
der Red gebraucht, das es die Ding nennet, darvon man
reden will.
2. Pronomen, für den namen, ist ein wörtlin, das in der
Red für den Namen gebraucht würdt und an des Na-
mens statt kompt, da er selber nit füglich sein kan, als
wann ich vom Petro, der gegenwürtig da ist, wolt rhü-

wvermög unser den Schülmeistern derwegen sonde-
rer gegebner Instructionw, anzeigen und sich keiner
mühe und arbeit darüber dauren lassen. Dann recht
Schül halten erfordert, das der Praeceptor unver-
drossen seyx.

men, er wer gelert, sagte ich nit: Petrus ist gelert, sonder
also: der ist gelert, dann hie thut mir das wörtlin (der)
sovil als Petrus. Das heißt nun Pronomen, für das No-
men.
3. Verbum, wort, hat den namen darumb, das es so voller
Wort stecket, dann es entspringen auß einem Wort bey
den hundert wörtlin per Modos, Tempora et Personas.
Sein ampt ist, das es in der Red anzeigt, was das Nomen
thüe oder leide, ut puer discit - der Knab lernt; puer
verberatur - der Knab würdt geschlagen. Hie sagt das
Verbum discit et verberatur, was der Knab thüe oder
leide.
4. Participium, ein theilhafftigs Wörtlin, dann es behilfft
sich und nimpt seines einkommens eins theils von dem
Nomine, ein theil vom Verbo, hat in der Red ein gleich
ampt mit dem Verbo, also das es für das Verbum ge-
braucht würdt, ut puer legens pro puer, qui legit.
5. Adverbium, ein wörtlin, das sich allwegen bey dem
Verbo findt. Sein ampt ist, das es die umbständ anzeige,
wie und wann oder wölcher gestalt das Nomen thüe oder
leid, ut puer discit sedulo: Das Adverbium sedulo sagt,
wölcher gestalt der Knab lerne, nämlich fleissig.
6. Praepositio hat den namen, das sie vor dem Accusa-
tivo oder Ablativo stehn soll, dann dazumal richt sie
gleich ir ampt auß wie das Adverbium, dann es zeigt
auch an, wie und wann und wölcher gestalt, ut puer dis-
cit sine dolo - der Knab lernet fleissig. Hie thut sine dolo
als vil als das Adverbium sedulo. Noch hat die Praepo-
sitio ein ampt, das sie auch wie ein Coniunctio die wört-
ter an einander knipfft, doch nun den Accusativum und
Ablativum an das Verbum.
7. Coniunctio ist ein band, das zwey ding zusamen helt,
wölche one diß band zerfielen, ut Praeceptor et Disci-
pulus sunt in schola. So nun erstlichs Coniunctio (et)
und darnach auch Praepositio (in) wurden herauß gelas-
sen, also: Praeceptor Discipulus sunt schola - der Schul-
meister Schuler seind Schul, were ein mangelhafftige,
lame und unglaichnige Red.
8. Interiectio, ein nott- oder herzenschrey, wölchen das
Hertz mehr dann der Mund herauß laßt under andern
Wortten. Als da einer sein ungluck wil klagen, sagt er nit
schlecht [=schlicht, einfach] mit disen wortten: wol, ist
es mir so übel gangen, sonder also: Ach Gott, oder: O
wee, ist es mir so übel gangen.

26 Kundigste, geschickteste, vgl. Grimm, DWb 11,
Sp.2626.

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