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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0568
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Nachtrag zu Band XVI

von Gott geordnet Ampt und mittel seie, die Kinder
mit der Lehr und Gottsforcht zu erhaltung des Pre-
digampts und gutten Regiments anzunemen. Dar-
nach wölle und solle er vermittelst Göttlicher Gna-
den die Schul, so ime bevolhen, mit trewem fleiß
regieren und der Jugent mit einem züchtigen, er-
barn, nüchtern Leben vorsteen und sie in jeder
Classe durch Decurias von den ersten elementis an
mit iren assignierten institutionibus, praeceptis und
authoribus zu allen Stunden, diser unserj Schulord-
nung nach, trewlich underrichten und leeren, das
man jeder zeit bey der Jugent seinen fleiß schein-
barlich befinde und mit gemelten assignierten au-
thoribus in keiner Classe enderung thun, sonder die-
selbige keins wegs underlassen und fürnämlich die
Grammatic als das nöttigst Stuck für und für trei-
ben und üben, damit die Knaben gutte und gewisse
Grammatici werden. | cxxxvib |
Das er auch mit den Schülern, so ettwas in der
Grammatic bericht, lateinisch rede und sie dasselb
also zureden gewehne.
Die Jungen, so unfleiß unnd Boßheit halben
sträfflich befunden, wie oben gemelt, mit keinem
gifftigen zorn oder unbescheidenheit oder poldern,
sonder gebürlich und bescheidenlich mit glimpffigen
Worten, und, da die nit verfänglich oder erschieß-
lich, mit der Rutten straffen, dieselbig gebürlicher
weiß gebrauchen und darbey alle ungebürliche
streich, als zu dem Haupt, auff die Nasen oder Ba-
cken schlahen, in die Oren pfetzen oder dieselbigen
umbtrehen, bey dem Haar ziehen oder rauffen,
Tholle92 geben oder anders dergleichen gäntzlich
vermeiden. Fürnämlich aber sich in allweg befleis-
sen, das sie die jhenigen, so gute ingenia haben, nit
poldern, sonder sanfft und milt mit inen handlen,
auch die, so ettwas unglürnig93 und nit mit so fähi-
gen ingeniis begabt, obgelautter massen mit Worten
und bescheidner gebürender Straff ermanen. Da
aber ein Knab so gar unglürnig und also eines har-
ten Kopffs, das kein fleiß noch arbeit bey ime wolte
j Fehlt Separatdruck 1559.
k Separatdruck 1559: der.
l Fehlt Separatdruck 1559.
m Separatdruck 1559: dise.
n-n Separatdruck 1559: weltlicher Oberkeit.

erschiessen, desselben Eltern anzeigen, das er bey
der Schuol verderbe, damit sie, die Eltern, ine zu
Handtwerckern oder anderm bey zeit richten und
helffen mögen, Jedoch hierinn nit eilen, dann es be-
gibt sich, das in dem fall die letsten die ersten wer-
den94, Darumb allwegen das alter und mores der
Knaben fleissig seind zubedencken.
Und damit der Kirchen und Schul halben gleich-
heit gehalten werd, den Catechismum, so in un-
serk Kirchenordnung begriffen95, gebrauchen, auch
kein ander Gesang oder Psalmen, dann deren, die
Kirch desselbigen Orts gewont ist und er von seinem
Pfarrherr bescheiden wurdet, zusingen, sich auch
von der Schul zu keiner zeit weder über |cxxxviia|
Feld noch sonsten one erlaubnuß des Pfarrhers und
verordneten Schul Superintendenten zu absentiern,
und wa ihme gleich also eehaffter ursachen halber
erlaubt, nichts destweniger die Schul mit einer tau-
genlichen Person, one versaumbt der Knaben, diser
unser1 Schulordnung gemeß zuversehen, auch ob sei-
nen Collaboratoribus, wo er einen oder mehr hett,
trewlich unnd fleissig zühalten, damit der- oder die-
selben jederzeit ire assignierte Classes und lectiones
beedes, an Leer und leben, halten, und wo deren ei-
ner ausser Eehafften ursachen mit erlaubnuß zu sei-
ner Stund nicht entgegen, das dannocht sein Classis
und lection verricht und versehen werde. Auch ne-
ben seinem Schulampt kein Practic, weder mit Ad-
vocieren noch Artzney (wie bißher von etlichen be-
schehen), zutreiben, sonder allein der Schul zuwar-
ten.
Und sonsten alles anders mit seinem fleiß ver-
mittelst Göttlicher gnaden verrichten, das un-
serm Schulordnung vermag und in sich helt, und ime
sein Vocation, der Kinder halber aufferlegt, als er
am jüngsten Tag vor Gott rechenschafft geben und
gegen nuns als dem Magistratn getrawe zuverant-
worten, wie einem getrewen, redlichen Praeceptori
gezimbt und gebürt.

92 Schläge, vgl. Grimm, DWb 21, Sp. 637.
93 Ungelehrig, unverständig.
94 Vgl. Mt 19,30; 20,16; Mk 10,31; Lk 13,30.
95 Siehe oben, Anm. 90.

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