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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0584
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Nachtrag zu Band XVI

schleinigen24 und tugentlichen Worten begegnen und
zufriden sein und pleiben. Wölcher hierüber einen
oder mehr allein mit worten belaidigen und auff-
wögen würdet, derselbig soll drey tag seines Weins
priviert sein.
Wir wöllen auch, das in unserm Stipendio in all-
weg ein gebottner und gelobter friden sein und ge-
halten werden soll, und damit solches dester baß ge-
schehen mög, ist unser bevelch und meinung, das
alle unsere Stipendiaten, wölche nit Magistri, so
bald sie ins Stipendium kommen, ihre Wöhren25
(ausserhalb Dolchen oder Waidner26) dem Magistro
domus zuverwaren geben, der dieselbigen in seinem
Gemach behalten und keinem, er wölle dann mit er-
laubnuß über Veld raisen, zustellen. Und sollen die
Magistri ire Wöhren in ihren Truchen verschlossen
verwaren unnd dieselben nit antragen oder anderer
gestalt dann erst gemelt gebrauchen.
Wa aber einer oder mehr über den andern in un-
serm Stipendio zucken2' und frävenliche handlung
anlegen wurde, der soll von dem Rectore Universi-
tatis nach unser Universitet Statuten erkanntnuß
gestrafft und nichts destweniger bey dem Stipendio
nach ermessen der Superattendenten und Magistri
domus der verwirckung discipliniert werden.
Item sich der offen Wirts- unnd anderer Zech-
heuser mit Zechen unnd Dantzen, auch aller heim-
licher Schlupff unnd verdächtlicher Heuser gentz-
lich enthalten. So offt und dick einer hierüber aber
erfunden, | clxxib | soll er seines Weins vier tag Pri-
viert werden, und da einer sollichs so gefarlich ge-
brauchte, gegen ime mit solcher ringer Straff nit er-
winden, sonder seinem verschulden nach hertiglich
gebüßt unnd gestrafft. Doch so einer oder mehr auff
ehrliche Hochzeit, cMagister oder Doctorn Täntzc
geladen, von seinen Freunden28 oder andern berüfft
wurde, das mag inen von Magistro domus hierinnen
nach gelegenheit der Sach unnd Personen erlaubt
unnd vergünnet werden.
c-c Fehlt KO Württemberg 1582.
d-d KO Württemberg: verstendtlich.
24 Schleunigen, unverzüglichen, vgl. Grimm, DWb 15,
Sp. 613.
25 Waffen.
26 Kleines Jagdmesser, vgl. Grimm, DWb 28, Sp. 619.
27 Aufbegehren, vgl. Grimm, DWb 32, Sp. 293.

Item es soll ein jeder Stipendiat sich befleissen,
nach dem man zum Tisch geleutet, bey dem Gebett
anfengklichs zusein, bei Privierung einer Quart
Weins.
Item die jenigen, so nit Baccalaurei seien, sollen,
jhe einer wochenlich umb den andern, zum Tisch,
vor und nach29, mit erhebter Stimm dund recht ver-
stentlicher Mensurd30 betten. Unnd alßdann die
Baccalaurei also in der Ordnung zu Tisch, die Bibel
vornen anzuheben, Morgens im alten, Abents im
newen Testament lesen, mit der ersten fürgesetzten
Tracht31 anfahen, unnd, so man die letste Tracht
auffhebt, auffhörn. So offt und dick auch das betten
und lesen an einen kompt, dasselbig mit fleiß eigner
Person verrichten bey Privierung seines Weins, so
offt er das betten und lesen underlaßt.
Und wölcher Stipendiat under dem Gebett und
lesen ob dem Tisch schwetzen oder sonsten sich mit
ungeberden erzeigen oder vom Tisch, ehe man das
Gratias32 gesprochen, lauffen würdet, derselbig soll,
so offt das geschicht, seines Weins des tags beraubt
oder dem verwircken nach mit Gefencknuß gestrafft
[werden]. | clxxiia |
Und als die übung nit ein geringe frucht zu ge-
wenung an die lateinischen Sprach bringt unnd be-
fürdert, so sollen alle unsere Stipendiaten pflichtig
sein, in allweg, besonder in unserm Stipendio, latine
zureden, darauff dann die Superintendenten, Magis-
ter domus, Repetenten und Officiales ir fleissigs
auffmercken haben wöllen unnd, da von einem oder
mehr Stipendiaten sollichs gevarlich underlassen,
der oder die jedes mals mit privierung des Weins
oder sonsten nach gelegenheit gezichtigt werden.
Es soll auch ein jeder Stipendiat, Official unnd
Famulus sein eigen Trinckgeschirr selber haben
unnd vor essens, wann gemeinlich der Pincern ein-
schenckt, sein angebür empfahen, sonst keinem sein
Wein nachgeraicht werden. Unsere Stipendiaten sol-
28 Verwandten.
29 Vor und nach dem Essen.
30 Hier ist vermutlich das gemessene Tempo gemeint, mit
dem die Gebete vorgetragen werden sollten.
31 Die aufgetragene Speise, der Gang einer Mahlzeit, vgl.
Grimm, DWb 21, Sp. 980.
32 Zum Tischgebet des Gratias vgl. Luther, Kleiner Ka-
techismus, BSLK S. 522.

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