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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Bergholz, Thomas [Oth.]; Goeters, J. F. Gerhard [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 1. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30659#0482
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Wied

3. Die Zeit der geteilten Grafschaft nach 1595

Seit dem Tode Hermanns I. 1591 war es zwischen dessen Bruder Wilhelm und Hermanns Söhnen Johann
Wilhelm und Hermann II. immer wieder zu Streitfällen gekommen, so dass sie 1595 die Grafschaft in die
beiden Herrschaften Wied-Neuwied (sog. Untere Grafschaft) und Wied-Runkel (sog. Obere Grafschaft) teil-
ten.16 Diese Teilung blieb dauerhaft bestehen, obwohl Wilhelm 1612 kinderlos starb, da sich Johann Wil-
helm und Hermann II. die Grafschaft in gleicher Weise teilten.
5. Kirchenzuchtordnung 18. Januar 1600 (Text S. 476)
Graf Wilhelm IV. ließ 1599 eine eigene Kirchenzuchtordnung für die Obere Grafschaft entwerfen. Das
Konzept ist auf den 18. Dezember datiert, vom Grafen unterschrieben und dann offenbar an die Pfarrer
verschickt worden. Die Pfarrer des Amtes Dierdorf traten im Januar 1600 in Raubach unter Superinten-
dent Anröder17 zu ihrem jährlichen Konvent zusammen und berieten am 14. Januar die neue Ordnung. Ihre
Verbesserungsvorschläge sandten sie am 17. Januar an den gräflichen Sekretär mit der Bitte, diese zu
begutachten und ihnen die veränderte Fassung wieder zurück zu schicken. Das hielt man am gräflichen Hof
aber wohl nicht für nötig: Die meisten18 der Änderungsvorschläge wurden einfach als Marginalien in ein
weiteres Exemplar des Entwurfes eingetragen, das schon am 18. Januar von Graf Wilhelm unterzeichnet
und gesiegelt wurde. Die Publikation erfolgte wohl mündlich, denn das Amt Dierdorf besaß zu diesem
Zeitpunkt nur sieben Pfarrstellen;19 auch heißt es im Schreiben der Pfarrer an den Sekretär, dass solche
Ordnung noch vor die anstehende Fastnachtstag offentlich auch diß orts abgelesen werde.20
Von diesem Text gibt es noch eine zweite, spätere, aber leider undatierte Fassung, den sog. Kurtzen
Extract (Text 5b S. 486).
Einzelne Absätze dieser Ordnung wurden dann wörtlich auch in die Kirchen- und Polizeiordnung von
1616 übernommen.
6. Synodalbeschlüsse 9. Juni 1602/10. Juni 1609 (Text S. 490).
Aus den folgenden Jahren finden sich wieder Auszüge aus Synodalprotokollen. Allerdings ist das Protokoll
von 1602 nicht im Original, sondern nur in zwei Abschriften aus dem Jahre 1609 erhalten, als nämlich auf
dem Konvent erneut das Thema der Witwenversorgung diskutiert und zu diesem Zweck auf die früheren
Bestimmungen zurückgegriffen wurde.
Wilhelm IV. starb 1612, sein Nachfolger in der Oberen Grafschaft wurde sein Neffe Hermann II. 1616 ließ
dieser eine neue Kirchen- und Polizeiordnung erarbeiten. Dazu wurde sowohl auf die Ordnung von 1600
(Text Nr. 5) als auch auf eine Polizeiordnung Graf Johanns IV. von 1575 zurückgegriffen. Diese letztge-
nannte Ordnung ist zwar in der älteren Literatur und im Findbuch des Fürstlich Wiedschen Archivs belegt,

16 Die ältere Linie Wied-Neuwied starb zwar 1638 aus, die
Teilung der Grafschaften blieb aber bis 1824 bestehen;
vgl. Tullius, Geschichte, S. 121.
17 Josef Anröder, geb. ca. 1545, stud. Marburg, Superinten-
dent Dierdorf 1586, dort gest. 1601, vgl. Rosenkranz,
Rheinland, S. 9.
18 Lediglich zwei Punkte fanden keine Berücksichtigung:
das unter Punkt 8 von den Pfarrern gewünschte Verbot
von Hochzeiten an Bettagen - mit dem interessanten

Hinweis, wohl aus der gräflichen Kanzlei, dass die Hoch-
zeit schließlich ein Teil des heiligen Ehestandes sei, und
das unter Punkt 15 gewünschte Verbot der weingesel-
schafften an Sonn- und Feiertagen. Das Gutachten wird
abgedruckt in Fußnote a S. 476.
19 Vgl. die Unterschriften am Ende des Gutachtens, unten
S. 477.
20 FWA 64-3-1.

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