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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0377

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Die mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt).

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Erledigung der Ehesachen, Ende der sechziger Jahre noch nicht die Rede sein (Mar-
tens, Wann ist das Erfurter Ministerium entstanden? S. 4 ff.). In Folge von Streitigkeiten
unter den Geistlichen sah sich der Rath wiederholt genöthigt, in die internen Angelegenheiten
der evangelischen Gemeinde einzugreifen und Anordnungen zu treffen. Von diesen ist besonders
wichtig die „formula pacificationis“; der Rath gab hierin dem inzwischen zu einer wirklichen
Behörde erwachsenen Ministerium am 30. December 1580 eine eigene Instruktion, die von den
Mitgliedern des Ministeriums unterschrieben wurde.
In erster Linie bezweckte die Formula die Beseitigung der Streitigkeiten unter den
Geistlichen. Dieser Zweck wurde, wie Martens (Wie entstand das Erfurter Ministerium?
S. 7 ff.) an verschiedenen Vorkommnissen, namentlich an dem grossen Streit über die sonntäg-
lichen Frühhochzeiten, zeigt, nur in geringem Maasse erreicht. (Streitigkeiten unter den
Pfarrern waren überhaupt in Erfurt häufig. Im Jahre 1572 berief der Rath zur Schlichtung
eines Zwistes zwei hallische Theologen, Superintendent Boëtius (s. unter Halle) und Mag. Caspar
Cannengiesser. Der Streit wurde beigelegt, brach aber sehr bald von Neuem aus und nahm
einen so ärgerlichen Charakter an, dass der Rath zu den strengsten Massregeln greifen musste.
Es sei dieser halb verwiesen auf den im Erfurter Rathsarchiv vorhandenen Druck „Gründlicher
und warhaftiger bericht, unser des raths zu Erfurt, aus was bestendigen ursachen die beide
pfarrer zun barfussern und zu Sankt Thomas, auch ire beide anhangende capellan von irem
dienst und amt enturlaubt worden. Gedruckt zu Erfurt durch Melchior Sachsen“.) Aber die
Formula hat noch einen weit wichtigeren Inhalt. Sie war eine förmliche Dienst-Instruktion.
Vgl. in dieser Hinsicht die schönen Ausführungen von Martens, Wie entstand u. s. w., S. 8 ff.
Aus diesen sei hervorgehoben, dass dem Ministerium seit 1557 das Recht der Examinirung und
der Ordinirung zugestanden war, während die Wahl der Gemeinde zustand; der Rath besass
für die Landpfarren ein Vorschlagsrecht, indem er in der Regel der Gemeinde drei Can-
didaten präsentirte, aus denen die Gemeinde nach gehaltenen Probepredigten durch mündliche
Stimmenabgabe den Pfarrer wählte. Die Bestätigung geschah durch die Stadtvögte, jedoch
wurde eine schriftliche Bestätigungsurkunde erst in späterer Zeit ausgefertigt. Auch bei der
Einführung war der Rath später betheiligt. Endlich regelte die Formula pacificationis auch die
Thätigkeit des Ministeriums als Ehegericht.
Erst in den siebziger Jahren machte sich das Bestreben des Rathes bemerkbar, mit
Umgehung der jurisdictio ordinaria des Erzbischofs von Mainz Ehesachen selbstständig zu er-
ledigen, und gegen Ende dieser siebziger Jahre scheint der Rath solche Angelegenheiten auch
dem Ministerium zugewiesen zu haben. In der Formula pacificationis wurde das Recht des
Ministeriums ausdrücklich festgelegt.
Die Formula pacificationis befindet sich in der Bibliothek des Erfurter Raths-
archives, III, 18, in einer späteren, aus dem Ende des 17. Jahrhunderts stammenden Abschrift
und gelangt hiernach (erstmalig) zum Abdrucke. (Nr. 74.)
Im Jahre 1663 wurde diese „Formula der Instruktion“ „von neuem revidiret, gemehret
und verbessert“. Vgl. Erfurt, Rathsarchiv III, 18.
II. Die vom Rathe am 2. Juni 1551 erlassene, aber erst 1559 im Druck erschienene
Polizei-Ordnung zeigt schon den Einfluss der Reformation. In besonderem Masse aber lässt die
Polizei-Ordnung von 1583 erkennen, dass der Rath in durchaus evangelischen und in denjenigen
Bahnen weiter wandelte, welche er selbst durch die Formula pacificationis vorgezeichnet hatte.
Exemplare dieser Polizei-Ordnungen befinden sich in Erfurt, Rathsarchiv, Bibliothek,
III, 28b; die von 1583 auch in Jena, Univ.-Bibl., 4. Bud. Jus. Germ. 246(i). Wir drucken die
kirchenrechtlichen Bestimmungen der Polizei-Ordnung von 1583 erstmalig wieder ab. (Nr. 75.)
Die Ordnung von 1551 enthält nur zwei hierher gehörige Abschnitte: „Von gottes
lästerung“ (die Bestimmungen wiederholen sich in der zweiten Polizei-Ordnung) und „Von heim-
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