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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0535

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Das Fürstenthum Anhalt.

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alten monstranzen, kelchen und bilden“, welche sie aus denselben Kirchen zu Verhütung des
Missbrauchs und zu eigenem Besten der Verkäufer mit ihrem guten Willen aufgenommen haben.
Die Ausübung des Wiederkaufsrechts ist ein Vierteljahr vor Martini anzuzeigen.
Hohes Vertrauen setzte der Landesherr in seine tüchtige Geistlichkeit und liess ihr
freie Hand. Umgekehrt aber erhob auch kein Geistlicher Widerspruch, wenn im Wege eines
Vertrages zwischen Landesherrn und Stadtobrigkeit kirchenrechtliche Fragen erledigt und solche
Abmachungen dem Superintendenten nur notificirt wurden. Ein anderes Mal wurden ähnliche
Fragen durch Vertrag zwischen dem Superintendenten und dem Stadtrathe erledigt, ohne dass der
Fürst Widerspruch erhoben hätte. Bei Erlass der Kirchen-Ordnung Bernhard’s von 1568 verglich
sich der Landesherr erst mit dem Bürgermeister und den Rathmannen der Stadt Zerbst, und diese
sammt dem Superintendenten und Kirchendienern sich wiederum mit dem Landesherrn. Unter
Joachim Ernst schloss der Superintendent mit dem Rathe zu Zerbst einen Vergleich über die
Besetzung der Kirchendienerstellen ab. Diesen Vergleich bestätigte der Landesherr am 5. Juni 1572.
Es herrschte auf allen Seiten gegenseitig das grösste Vertrauen, und man stritt sich
nicht um Competenzen, sondern nur darüber, ob etwas gut oder heilsam sei. Das Gute nahm
man an, gleichviel von welcher Seite es stammte. —
Nimmt man zu dem Vorstehenden noch die herrlichen Kultus-Ordnungen und sonstigen
vortrefflichen Einrichtungen Georg’s, so bietet die Kirche Anhalts das erfreuliche Bild eines
kirchlichen Gemeinwesens, welches einträchtig in sich, einträchtig mit der Landesobrigkeit seinen
erhabenen Zielen nachlebte.
Cap. III. Bernhard III. Joachim Ernst.
Die überlebenden Söhne Johann’s II., Bernhard III. und Joachim Ernst, nahmen im
Jahre 1563 eine Landestheilung vor, bei welcher Bernhard III. Dessau, Zerbst, Lindau, Warns-
dorf, Joachim Ernst Bernburg, Cöthen, Sandersleben und den Harz erhielt.
Die Brüder wandelten getreu in den Bahnen ihrer Ahnen. Sie bildeten die von Georg
geschaffenen Institutionen weiter aus und sorgten noch mehr für ihre Aufrechterhaltung.
I. Aus der Regierungszeit Bernhard III. sind uns nicht viel selbstständige Maassnahmen
überliefert.
Bernhard III. trug sich mit der Idee einer neuen Kirchen-Ordnung. Er fand allerlei
Mängel und namentlich Ungleichheit in den Kirchenceremonien vor. Die freiheitliche Ent-
wickelung der Dinge musste ja überall der bureaukratischen Uniformirung und gesetzlichen
Normirung weichen. Wie schreibt doch der Superintendent Abraham Ulrich an Paulus Eber,
1569 (Zerbst, Superintendentur-Archiv, Nr. XVIII): „Freti sumus hactenus libertate necessaria
in iis rebus, quae vere sunt adiaphora. Cum autem dissimilitudo principem offendat, sperantem
ut per universum territorium uniformitas institueretur.“
Am liebsten hätte Bernhard III. die ganze Kirchen-Ordnung Georg’s wieder aufgerichtet;
das ging aber nicht mehr an, und so begnügte er sich damit, davon so viel zu erhalten als
nur irgend möglich war. So stellt sich denn seine Kirchen-Ordnung als eine Modernisirung der
Ordnung Georg’s dar. Sie ist nur eine Gottesdienst-Ordnung. Ursprünglich gingen die Pläne
des Fürsten weiter; er dachte an eine grössere Codification. Dies ersehen wir aus einem
Schreiben des Superintendenten M. Ulrich, welches wir in Zerbst, Superintendentur-Archiv,
XXVIII, Bl. 108 ff., vorfinden. [Dieser Band ist eine Sammlung von allen möglichen Akten-
stücken und Urkunden, besonders solchen auf die Confessionsstreitigkeiten bezüglichen, welche ein
Superintendent aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zusammengetragen hat.]
In diesem Schreiben übersandte Ulrich dem Fürsten die mecklenburgische und witten-
bergische Ordnung zusammengebunden. [Letztere ist die bekannte, von Melanchthon für
Mecklenburg gefertigte Ordnung, welche wohl auch die Wittenberger Ordnung genannt wird.]
Sehling, Kirchenordnungen. Bd. II. 66
 
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