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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0537

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Das Fürstenthum Anhalt.

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zuordnen, und dem volk die tafel, darinnen die sechs stücke verfasset, deutlich vorzulesen,
darmit sie die worte einmütig lernen mogen.“
II. Fürst Bernhard III. starb 1570 kinderlos und nunmehr trat Joachim Ernst an die
Spitze des ganzen Landes. Damit begann eine neue Periode für die kirchliche Rechtsbildung.
Eine der ersten gesetzgeberischen Thaten aus der Zeit seiner Alleinregierung ist die
Landesordnung vom Jahre 1572. Aus der Vorrede derselben erfahren wir die Veranlassung zu
ihrer Publication. Der Fürst erzählt, dass Wolfgang, Joachim, Carl, Bernhard und er selbst
im Jahre 1560 eine Polizeiordnung publicirt hätten. Diese Ordnung sei aber theils in Vergessen-
heit gerathen, theils sei sie überhaupt nicht ausreichend gewesen. Laut den Reichsgesetzen sei
aber jeder Reichsstand verpflichtet, eine gute, christliche Polizei in seinen Landen aufzurichten;
dieses sei auch von seinen Vorfahren bisher stets geschehen. Er — Joachim Ernst — habe sich
deshalb seines fürstlichen, von Gott ihm verliehenen Amtes erinnert und mit Zustimmung der
Landschaft etliche nothwendige Punkte aufgerichtet.
Diese Landesordnung, welche 1572 im Druck erschien (ein Exemplar in Jena, Univ.-Bibl.
Bud. Jus Germ. 167[1]), enthält den zeitgenössischen Anschauungen entsprechend Regelungen der ver-
schiedensten Art. Sie betrifft Civilrecht [im weitesten Sinne] und öffentliches Recht, von letzterem
wieder Strafrecht, Verwaltungsrecht. Staatsrecht, Kirchenrecht, Civilprocess und Strafprocess,
kurz und gut, fast sämmtliche Rechtsgebiete sind mit einer oder der anderen Vorschrift betheiligt.
In einer Zeit, wo öffentliches und privates Recht nicht geschieden waren, wo Staat und Kirche
eine begriffliche Einheit darstellten, darf der systematische Wirrwarr nicht Wunder nehmen.
Uns interessiren von den 43 Capiteln nur Cap. I, II, III, XIV, XXXVIII. Diese werden
daher zum Abdruck gebracht. (Nr. 125.)
Diese Landesordnung änderte die kirchliche Verfassung. Wir sahen, dass dem Lande
eine centrale Behörde fehlte. Es bestand lediglich ein nicht formirtes Consistorium für Ehe-
sachen und sonstige Streitigkeiten. Die Landesordnung gab auch noch dieses geringe Maass
von Centralisation preis; sie gab das einheitliche Ehegericht auf und bestimmte, dass in Zu-
kunft jeder Landessuperintendent die vor ihn und seine Zugeordneten gebrachten Streitigkeiten
zu erledigen suchen solle, und zwar im Wege des Vergleiches. Gelinge ein solcher nicht und
liege die Rechtsfrage einfach, so dass sie leicht formulirt werden könne, so solle der Super-
intendent dies thun und die Entscheidung einem Consistorium oder einem Schöppenstuhl (also,
was sehr bemerkenswerth,einem rein weltlichen Gerichte) durch Aktenversendung übertragen.
Sei die Sache aber zu verwickelt oder sei die Formulirung der zu stellenden Frage
nicht ohne Widerspruch einer der Parteien möglich, so sollten die Superintendenten und ihre
Zugeordneten die Abfassung von Schriftsätzen veranlassen — (eine Anleitung dazu giebt die
Landesordnung) — und daraufhin die Akten zum Spruche verschicken. [Ein Beispiel s. Dessau,
Superintendentur-Archiv, I. Hauptabtheilung, 7. Unterabtheilung, Nr. 6, 1588. Superintendent
Brendel instruirt und verschickt dann die Akten an den Schöppenstuhl zu Leipzig. Das Con-
sistorium, an welches man sich mit Vorliebe wandte, war natürlich Wittenberg. Vgl. in Zerbst,
Superintendentur-Archiv, Nr. XVIII.]
Was dann die Superintendenten auf die Entscheidung der Spruchbehörde verfügen würden,
solle von den weltlichen Behörden vollstreckt werden. —
Eine sonderbare Regelung! In allen anderen Ländern war man mehr und mehr von
der Nothwendigkeit der Consistorien durchdrungen; hier in Anhalt gab man die vor-
handenen Ansätze eines solchen preis. Man verzichtete auf ein centrales kirchliches Verwal-
tungsorgan und begnügte sich mit der Regierung durch den Landesherrn und seine Räthe.
Man verzichtete auf eine einheitliche Rechtsprechung in Ehesachen und anderen geistlichen
Streitigkeiten und machte sich bewusst von ausländischen Behörden abhängig. Deren Ent-
scheidung erging auf Grund der mehr oder weniger exacten Aktenlage, welche jeder Super-
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