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Das Fürstenthum Anhalt.
Die fürstlichen Brüder wollten jedoch in kirchlichen Dingen die Einheit aufrecht erhalten. In
dem Vertrage vom 18. Mai 1606 machten sie miteinander aus, „damit wir auch neben der ein-
trächtigen reinen lehre einerlei ceremonien in unseren kirchen und schulen haben, so wollen
wir uns so viel möglichen denjenigen kirchengebräuchen und catechismo, so in der kurpfälzi-
schen kirche gewöhnlich, bequemen, und nach gehaltenem brüderlichen rath solche förderlichst
publiciren.“ —
Rudolf nahm die Sache ernst. Er erliess, nachdem offenbar Anregungen und Vorschläge
verschiedener Art vorhergegangen waren (man vergleiche das Projekt, in einer grossen Landes-
ordnung die Kirchenordnung als Theil zu publiciren; Zerbst, Superintendentur-Archiv, XVIII,
299 ff.), ein Rescript vom 1. April 1608 an Sigmund von Lattorf, M. Caspar Ulrich, Superinten-
dent zu St. Bartholomäi, und Amtmann Friedrich Graube, dass es immer noch an einer gleich-
förmigen Agende fehle, und dass er deshalb mit Zustimmung seiner Brüder beschlossen habe,
eine gemeine Kirchenagende einzuführen. Die Adressaten sollten die pfälzische Agende von
1601 durchsehen und begutachten, was dort zu revidiren und zu ändern wäre1).
Man sieht hieraus zweierlei:
1. Die Agende von 1599 war Entwurf geblieben und die Fürsten hielten dieselbe
für abgethan.
2. Die Einführung der pfälzischen Agende war immer noch die Lieblingsidee der
Fürsten — aber sie einfach herüberzunehmen, hielten sie nicht für opportun.
Übrigens ist auch aus diesem neuen Agendenplane nichts geworden. —
Im Cöthen’schen Theile ging Fürst Ludwig mit einzelnen Reformen weiter, aber
auch er hat weder die Anhalter noch die Pfälzer Agende publicirt. In Wörbzig wurde in Folge
des bewaffneten Widerstandes, den Frau Maria von Diesskau organisirte, von Weiterungen ab-
gesehen. Vgl. Heine, Geschichte von Wörbzig, in: Beiträge zur Anhalt. Geschichte, Heft 5
(1902), S. 75.
Im Bernburg’schen Theile führte dagegen Christian im Jahre 1616 die pfälzische Agende
und den Heidelberger Katechismus ein. Vgl. die Darstellung von Windschild, in: „Unser
Anhaltland“, 1901, S. 431, 443, 453.
Auf verschiedenen Gesammtlandtags-Abschieden, so vom 22. Juni 1603 und besonders
vom 3. Mai 1611, gaben sämmtliche Fürsten von Anhalt die feierliche Erklärung ab, dass sie
sich zwar für ihre Person volle Freiheit des Bekenntnisses und der Ceremonien vorbehielten,
1) Das Schreiben lautet wörtlich (Zerbst, Superintendentur-Archiv, Nr. 18, Bl. 311, vom Fürsten unter-
schriebenes Original): „Von gottes gnaden, Rudolf, fürst zu Anhalt, graf zu Ascanien. Unsern gruss zuvorn.
Ernveste, würdige und erbare räthe. Lieben andächtige und getreue. Wir haben dahero bei unsers fürstlichen
antheils angenommener regierung umbstendig erfahren, wie sunderlich ufm land. im predig ampt, auch
administrirung der heiligen sigillen vast ungleiche ceremonien gehalten, auch anders unordnung eingerissen sein
sollen. Daher erfolget, das der weniger teil ihme das christentumb kein richtiges angelegensein und eifriger
ernst sein lesset; wie wir nun erinnern, das alle regiment in guter ordnung gefast standhaftigkeit, hiergegen aber
unordnung und missbreuche zerrüttung derselben verursachen, als haben wir mit zuthuunge hochwichtigen be-
denkens unserer freundlichen geliebten herrn gebrüdern, fürsten zu Anhalt, den sachen reiflichen nachgedacht
und befunden, das eine gemeine kirchenagende gar fuglich einzuführen stunde. Wann wir uns dann der cur-
fürstl. pfalz. kirchenordnung, so 1601 zum truck geben, mehrenteils wol belieben und dieselbe auch bei den
unserigen einführen zu lassen nicht ungeneigt weren, als begehren wir - aus der bibliotheka allhier ein
exemplar benanter kirchenordnung aufzusuchen, dasselbe euer förderlichsten gelegenheit nach an die hand zu
nehmen, die capita zu durchsehen, folgig nach erwegunge und betrachtunge mit zusammengesetztem rate uns
euer wolgemeintes gutachten und bedenken und was sonst hiebei zu erinnern und wie dem werke an ihme
selbst nachzugehen, damit die christliche gemeine nicht stutzig gemacht, auch was in angezeigter agenda abzu-
stellen oder zu verbessern sein mochte, in schriften unterthenig zu eröffnen. Wollen wir uns also dan hierauf
nach gepflogener einhelligen vereinigunge der hochgedachten unsern geliebten herrn gebrudern mit weiteren
geburenden anstellungen gnädig vernehmen lassen. Hievon erstattet ir unser gefällige meinung und seind euch
zu gnaden geneigt. Datum Zerbst, den 1. aprilis anno 1608. Rudolf.“
Das Fürstenthum Anhalt.
Die fürstlichen Brüder wollten jedoch in kirchlichen Dingen die Einheit aufrecht erhalten. In
dem Vertrage vom 18. Mai 1606 machten sie miteinander aus, „damit wir auch neben der ein-
trächtigen reinen lehre einerlei ceremonien in unseren kirchen und schulen haben, so wollen
wir uns so viel möglichen denjenigen kirchengebräuchen und catechismo, so in der kurpfälzi-
schen kirche gewöhnlich, bequemen, und nach gehaltenem brüderlichen rath solche förderlichst
publiciren.“ —
Rudolf nahm die Sache ernst. Er erliess, nachdem offenbar Anregungen und Vorschläge
verschiedener Art vorhergegangen waren (man vergleiche das Projekt, in einer grossen Landes-
ordnung die Kirchenordnung als Theil zu publiciren; Zerbst, Superintendentur-Archiv, XVIII,
299 ff.), ein Rescript vom 1. April 1608 an Sigmund von Lattorf, M. Caspar Ulrich, Superinten-
dent zu St. Bartholomäi, und Amtmann Friedrich Graube, dass es immer noch an einer gleich-
förmigen Agende fehle, und dass er deshalb mit Zustimmung seiner Brüder beschlossen habe,
eine gemeine Kirchenagende einzuführen. Die Adressaten sollten die pfälzische Agende von
1601 durchsehen und begutachten, was dort zu revidiren und zu ändern wäre1).
Man sieht hieraus zweierlei:
1. Die Agende von 1599 war Entwurf geblieben und die Fürsten hielten dieselbe
für abgethan.
2. Die Einführung der pfälzischen Agende war immer noch die Lieblingsidee der
Fürsten — aber sie einfach herüberzunehmen, hielten sie nicht für opportun.
Übrigens ist auch aus diesem neuen Agendenplane nichts geworden. —
Im Cöthen’schen Theile ging Fürst Ludwig mit einzelnen Reformen weiter, aber
auch er hat weder die Anhalter noch die Pfälzer Agende publicirt. In Wörbzig wurde in Folge
des bewaffneten Widerstandes, den Frau Maria von Diesskau organisirte, von Weiterungen ab-
gesehen. Vgl. Heine, Geschichte von Wörbzig, in: Beiträge zur Anhalt. Geschichte, Heft 5
(1902), S. 75.
Im Bernburg’schen Theile führte dagegen Christian im Jahre 1616 die pfälzische Agende
und den Heidelberger Katechismus ein. Vgl. die Darstellung von Windschild, in: „Unser
Anhaltland“, 1901, S. 431, 443, 453.
Auf verschiedenen Gesammtlandtags-Abschieden, so vom 22. Juni 1603 und besonders
vom 3. Mai 1611, gaben sämmtliche Fürsten von Anhalt die feierliche Erklärung ab, dass sie
sich zwar für ihre Person volle Freiheit des Bekenntnisses und der Ceremonien vorbehielten,
1) Das Schreiben lautet wörtlich (Zerbst, Superintendentur-Archiv, Nr. 18, Bl. 311, vom Fürsten unter-
schriebenes Original): „Von gottes gnaden, Rudolf, fürst zu Anhalt, graf zu Ascanien. Unsern gruss zuvorn.
Ernveste, würdige und erbare räthe. Lieben andächtige und getreue. Wir haben dahero bei unsers fürstlichen
antheils angenommener regierung umbstendig erfahren, wie sunderlich ufm land. im predig ampt, auch
administrirung der heiligen sigillen vast ungleiche ceremonien gehalten, auch anders unordnung eingerissen sein
sollen. Daher erfolget, das der weniger teil ihme das christentumb kein richtiges angelegensein und eifriger
ernst sein lesset; wie wir nun erinnern, das alle regiment in guter ordnung gefast standhaftigkeit, hiergegen aber
unordnung und missbreuche zerrüttung derselben verursachen, als haben wir mit zuthuunge hochwichtigen be-
denkens unserer freundlichen geliebten herrn gebrüdern, fürsten zu Anhalt, den sachen reiflichen nachgedacht
und befunden, das eine gemeine kirchenagende gar fuglich einzuführen stunde. Wann wir uns dann der cur-
fürstl. pfalz. kirchenordnung, so 1601 zum truck geben, mehrenteils wol belieben und dieselbe auch bei den
unserigen einführen zu lassen nicht ungeneigt weren, als begehren wir - aus der bibliotheka allhier ein
exemplar benanter kirchenordnung aufzusuchen, dasselbe euer förderlichsten gelegenheit nach an die hand zu
nehmen, die capita zu durchsehen, folgig nach erwegunge und betrachtunge mit zusammengesetztem rate uns
euer wolgemeintes gutachten und bedenken und was sonst hiebei zu erinnern und wie dem werke an ihme
selbst nachzugehen, damit die christliche gemeine nicht stutzig gemacht, auch was in angezeigter agenda abzu-
stellen oder zu verbessern sein mochte, in schriften unterthenig zu eröffnen. Wollen wir uns also dan hierauf
nach gepflogener einhelligen vereinigunge der hochgedachten unsern geliebten herrn gebrudern mit weiteren
geburenden anstellungen gnädig vernehmen lassen. Hievon erstattet ir unser gefällige meinung und seind euch
zu gnaden geneigt. Datum Zerbst, den 1. aprilis anno 1608. Rudolf.“