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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0078
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Grafschaft Hanau-Lichtenberg

nemmen und durch das Gebet Gottes angesicht für-
stellen, auch in umb die gnad und gab des Tauffs
bitten sollen, so last uns hören das H. Evangelium
von den Kindtlein, wie es Marcus am 10 [13-16] be-
schrieben hat:
Zu der zeit brachten sie Kindlin zu Jhesu, daß er
sie solt anrüren. Aber die Jünger furen die an, die sie
trugen. Da es aber Jhesus sahe, ward er unwillig und
sprach zu inen: Last die Kindtlein zu mir kommen
und weret inen nicht, dan solcher ist das Reich Got-
tes. Warlich, ich sage euch, wer das Reich Gottes nit
empfahet alß ein Kindtlein, der wirdt nit hinein
kommen. Und er hertzet sie und legt die hende auff
sie und segnet sie. |19|
Lieben freund, wir hören auß disem Evangelio, wie
freundtlich sich der Sohn Gottes, unser lieber Herr
Jhesus Christus, gegen den Kindlin stellet, damit er
offentlich und gewiß zuverstehen gibt, in was gros-
ser not und gefahr die armen Kindtlein stecken und
daß sie darauß ohn sein sonderlich gnad und barm-
hertzigkeit nicht erlöset werden mögen. Dann wir
hören auch sonst täglich auß Gottes wort, erfahrens
auch beyde an unserm leben und sterben, daß wir
von Adam her allesampt in Sünden empfangen und
geboren werden81, darinnen dann wir unter Gottes
zorn in ewigkeit verdampt und verloren sein
müsten, wo uns nicht durch den eingebornen Sohn
Gottes, unsern lieben Herren Jhesum Christum,
darauß geholffen were.
Dieweil dann dises gegenwertig Kindtlin in seiner
Natur mit gleicher Sünde, in massen wie wir auch,
vergifftet und verunreiniget ist, darumb es auch des
ewigen Todts und verdamnus schuldig sein und blei-
ben müste, Und aber Gott, der Vater aller gnaden
und barmhertzigkeit, seinen Sohn Christum der
gantzen Welt, und also auch den Kindern nit weni-
ger dann den Alten, verheissen und gesandt hat,
welcher auch der gantzen Welt Sünde getragen82 und
81 Vgl. Ps 51,7.
82 Vgl. Joh 1,29.
83 Vgl. Mk 10,14par.
84 Vgl. Joh 3,3.5.
85 Vgl. Röm 8,17.

die armen |20| Kindtlein gleich so wol als die alten
von Sünd, todt und verdamnus erlöset und selig ge-
macht hat und befohlen, man sol sie zu im bringen,
daß sie gesegnet werden83, Derhalben vermane und
bitt ich euch alle, die ir hie versamlet seit, auß
Christlicher lieb und trew, daß ir erstlich zu hertzen
nemen und mit fleiß bedencken wolt, in was grossen
jamer und not dises Kindlein seiner art und natur
halben stecket, Nemlich, daß es sey ein Kindt der
Sünden, des zorns und ungnad, und daß ime nicht
anders geholffen werden möge, dann das es durch
den Tauff auß Gott new geboren84 und von Gott an
eines Kindtsstat von wegen unsers Herrn Jhesu
Christi angenommen werde.
Hierauff, so wöllet euch dises gegenwertigen armen
Kindtleins gegen Gott, dem Herrn, mit ernst anne-
men, dasselb dem Herrn Christo fürtragen und bit-
ten, er wölle es zu gnaden auffnemen, ihme sein
Sünd vergeben und zu einem miterben der ewigen
himlischen güter erkennen85, auch nicht allein von
des Teuffels gewalt, der es der Sünd halb unterwürf-
lich, erledigen86, sonder auch also durch den Heili-
gen Geist stercken, daß es dem Feind im leben und
sterben statlichen widerstandt thun und in dem zum
seligen sieg erhalten werden mög. |21|
Last uns beten:
O Allmechtiger, ewiger Gott, ein Vater unsers
Herrn Jhesu Christi, wir ruffen dich an uber disen
deinen diener N., der die gab deiner Tauff bittet und
dein ewige gnad durch die geistliche widergeburt be-
geret, nime ihn auff, Herr, wie du gesagt hast: Bit-
tet, so werdet ir nemen, suchet, so werdet ir finden,
klopfft an, so wirt euch auffgethan87. So reych nun,
ewiger Gott, dein güte und gnad dem, der da bittet,
und öffne die thür dem, der da anklopffet, daß er
den ewigen segen dises himlischen Bads erlange und
das verheissen Reich deiner gaben empfahe, durch
Christum, unsern Herren, Amen88.
86 Frei machen, s. Grimm, DWb 3, Sp. 896.
87 Mt 7,7; Lk 11,9.
88 Das Gebet findet sich im „Taufbüchlein“ des Kleinen
Katechismus, s. BSLK, S. 538 mit Anm. 4.

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