Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0103
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
7. Schulordnung 1614

Lehre nach Inhalt der Prophetischen und Apostoli-
schen Schrifften, inn der Augspurgischen Confession
und Christlichem Concordibuch kurtzlich wieder-
holt, mit Mundt und Hertzen zugethan sein, wie
auch der waren Gottesfurcht, eines gutten, erbaren,
nüchtern, züchtigen Wandels, embsigen Studierens
und aller Tugenten sich befleissigen und am Sontag
in der Kirchen den Catechismum helffen verhö-
ren10, damit sie Niemandt ärgerlich11 lehren, son-
dern auch ihre anvertrawte discipulos dahin anweis-
sen sollen, des Morgens und Mittags ihre labores
und Ubungen mit dem Veni sancte Spiritus (wo La-
teinische [Schüler] vorhanden) oder andern Christ-
lichen Gebetten, alss dem Morgen Seegen, Vatter
Unser und Tischgebetten nach dem Essen, bei den
Teutschen [Schülern], anzufahen, desgleichen vor
Mittag und Abendts mit den Tischgebetten vor dem
Essen, Abentseegen unnd Vatter Unser gebürlich zu
schliessen. Sonderlich aber soll die letste Stunde
nach Mittag von Zweyen bis auff Drey bei den
Teutschen mit stetiger Übung des Gebets, Catechis-
mi und der Psalmen zugebracht werden.
γZum Dritten sollen sie gute und fleissige Disciplin
halten, die Kinder nicht viel umb die Köpf schlagen,
sondern die Ruthen sonsten der Noturfft und Gebür
nach brauchen, ihre discipulos treulich instituiren
und, damit dieselben ja nicht versäumbt werden,
alle Tag (daran Schul gehalten würdt) fünff Stunden
ihnen persönlich beywohnen12: zwo [am] Vormittag,
von Sieben Uhren biss uff Neun, im Sommer von
Ostern bis Michaelis13, oder von Acht Uhren an biss
uff Zehen, im Winter von Michaelis bis Ostern, und
dann Nachmittag von Zwölffen ahn biss auff Dray,

γ 3. Disciplina et horae consuetae.
δ 4. Feriae hebdomadariae.
ε 5. Feriae in diebus canicularibus.
ζ 6. Feriae paschales et autumnales.

10 Vgl. Nr. 6, S. 54.
11 Ärgernis erregend, anstößig, s. FWb 2, Sp. 74.
12 Beiwohnen - „mit jemand zusammen sein“, aber auch
„helfend beistehen“, s. FWb 3, Sp. 1051f.
13 29. September.
14 Bei den schulfrawen handelt es sich vermutlich um die
Lehrerinnen der Mädchen (s. unter Zum Neunden und

uff dass also die Jugent nicht allein den Schul-
frawen14, wie etwan hiebevor geschehen, uberlassen
werde, auch andere Ungelegenheiten oder unzeitig
Aus- und Einlauffen vermiten pleibe.
δZum Viertten, wann am Mittwoch oder Donners-
tag, je nach jedes Ortes Gelegenheit und Gewohn-
heit, ein Wochenpredig15 gehalten würdt, daran die
Knaben vor Mittag in die Kirche gehen, sollen sie
an solchem [Tag] nach der Predig oder nach Mittag
Vacantz und ferias haben. Da sich aber zutrüge, daß
ein Feyertag einfiele und die Wochenpredig in den-
selben verlegt würde, sollen vorangedeute wochent-
liche Feriae auch auff den Feyertag gehalten werden
und die Schulübung dafür am Donnerstag vor und
nach Mittag ihren Forttgang haben.
εZum Fünfften, wann es inn Hundtstagen16 sehr
heiss ist, mögen die Praeceptores oder Schulmeister
die zwo erste Stunden nachmittag von Zwölffen biss
auf Zwey das Schulhalten underlassen, doch dass die
Morgens- und Abendtsstunden von drey biss auff
vier fleissig gehalten werden. Da es aber kuel oder
Regenwetter wär, so gehe das Schulhalten in alle
Wege fortt.
ζZum Sechsten, weil man auch umb die Osterliche
Zeit und im Herbst fast in allen Schulen hien und
wieder ferias hat, mögen die Praeceptores das Schul-
halten vom Palmsonntag ahn durch die Char-
wochen biss nach den Osterlichen Feyertagen auch
einstellen, doch dass die Predigten und Kirchen
nicht versäumpt und die Knaben darbeneben in ge-
wönlichen Festgesängen geübt werden. Also auch

Zum Zehenden). Zu den Schulfrauen vgl. die Studie von
Wolfram Hauer, Lokale Schulentwicklung und städ-
tische Lebenswelt [...], Wiesbaden 2003 (= Contuberni-
um 57), S. 247-249. Grimm, DWb 15, Sp. 1944 kennt
schulfrau nur als Bezeichnung für die Frau des Lehrers.
15 Zu den Wochenpredigten vgl. Nr. 6, S. 53.
16 Mit Hundstage (dies caniculares) werden zum einen kon-
kret die Tage vom 23. Juli bis 23. August bezeichnet
(Benennung nach dem Hundsstern, Sirius), zum anderen
aber auch allgemein die heißen Tage der Monate Juli
und August (s. Grotefend, Taschenbuch, S. 45).

83
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften