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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0116
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Herrschaft Rappoltstein

au-Val) im Münstertal nahmen dagegen an den Gottesdiensten in der Stadtkirche von Münster teil und
ließen sich trotz der Proteste der Regierung in Ensisheim auch nicht dazu bewegen, die Messe in der
Münsterer Klosterkirche zu besuchen26.
Durch den Einfluß der Mutter und den Erbs sowie der Verbindungen zu Bullinger und anderen Schwei-
zer Theologen besaß die Reformation in Rappoltstein zunächst eine merklich reformierte Ausrichtung. Von
seiten der benachbarten Grafschaft Horburg und der Herrschaft Reichenweier wurde nach dem Umbruch
von 1560 jedoch der Versuch unternommen, Rappoltstein für das lutherische Lager zu gewinnen. Aus
diesem Grund übersandte der Reichenweierer Superintendent im Oktober 1563 den Katechismus von
Johannes Brenz an Egenolph IV. Es war aber wohl eher der Druck der österreichischen Regierung, der
Egenolph dazu veranlaßte, im Jahr 1573 offiziell die Augsburgische Konfession anzunehmen. Sieben Jahre
später unterschrieb der Nachfolger Georg Federlins, Johannes Wolf, die Konkordienformel27.
1. Zuchtmandat, [ohne Datum] (Text S. 107)
Aus der Amtszeit Egenolphs IV. († 1585) ist lediglich ein auf die gesamte Herrschaft ausgerichtetes Zucht-
mandat erhalten. Es ist undatiert und nur in der fehlerhaften Edition von Muhlenbeck überliefert28. Ein
Teil des Textes (s. die textkritische Anmerkung unter f) scheint in der Edition ausgefallen zu sein. Die
Erwähnung von grausamen kriegen unnd verwüstungen der lender, steten unnd leuten [...] durch [...] unglaubige
tirannen könnte auf die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Osmanen (s. die Belagerung von Malta
1565, II. Österreichischer Türkenkrieg 1566-1568, V. Venezianischer Türkenkrieg 1570-1573) hindeuten, ist
aber zu unbestimmt für eine Datierung. Aufgeführt sind in dem Mandat typische Vergehen wie Gottes-
lästerung, Ehebruch und Hurerei, wegen derer Gott zum Zorn und zur Züchtigung bewegt wird. Entspre-
chend ergeht die Aufforderung, die Laster abzustellen, Buße zu tun und Gott um Vergebung und um die
Verschonung vor den Feinden zu bitten. Die in Zuchtordnungen übliche Aufführung der Strafen für die
einzelnen Vergehen fehlt hier. Es wird nur allgemein mit Strafe bei einer Mißachtung des Mandats gedroht.
2. Schulordnung, [ca. 1565 bzw. vor 17. Dezember 1567] (Text S. 109)
Eine Schule in Rappoltsweiler findet erstmals 1403 Erwähnung. Im Jahr 1495 erscheint der spätere Kanzler
der Herrschaft Rappoltstein, Heinrich Khenell, als „regierender Schulmeister“29. An Ostern 1563 gründete
Egenolph IV. auf der Herrenstube des Schlosses eine evangelische Schule. Deren Leitung übertrug er Georg
Federlin, den er erst kurz zuvor zum Hofprediger berufen hatte. Die Schule zog in die seit dem Bauernkrieg
leerstehenden Gebäude des Augustinerklosters in Rappoltsweiler ein30.
Die im Bestand E 1630 des AD Haut-Rhin in Colmar überlieferte Ordnung für die neugegründete
Schule und ihren Schulmeister selbst ist nicht datiert. Da im Revers des Schulmeisters (S. 111) Egenolph
erwähnt wird, muß sie auf alle Fälle aus dessen Regierungszeit stammen31. Vermutlich ist sie in den ersten
Jahren nach der Gründung der Schule entstanden. Jordan setzt sie in seiner Arbeit jedenfalls „um 1565“ an.
Eine genauere Eingrenzung wäre möglich, wenn es sich bei dem im Dezember 1567 als schulmaister und lerer
berufenen Johann Pichler um den neuen Präzeptor der evangelischen Schule handeln würde. In der Bestal-
lungsurkunde vom 17. Dezember 1567 heißt es nämlich ausdrücklich, daß sich Pichler inn dem allen unnd

26 Zu den beiden Kirchen in Münster im Münster- bzw.
Gregoriental vgl. das entsprechende Kapitel in diesem
Band S. 345.
27 Vgl. Süss, Geschichte, S. 19; Adam, Kirchengeschichte
Elsaß, S. 356.
28 Muhlenbeck macht bei den von ihm abgedruckten Tex-
ten leider keine Angaben zu den Archiven und den

Signaturen der Dokumente; meist stammen diese aus
dem AD Haut-Rhin in Colmar.
29 Vgl. Jordan, Noblesse, S. 204.
30 Vgl. oben S. 94.
31 Auf einer im gleichen Bestand E 1630 befindlichen
Abschrift des ersten Teils der Ordnung (S. 109f.) ist der
Name Egenolphs auch eingetragen.

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