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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0119
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Einleitung

ubeln und lastern abzustehen ermahnen. Der Inhalt der Ordnung selbst entspricht dann weitgehend ver-
gleichbaren Zuchtordnungen aus dieser Zeit: Bestraft werden sollen der nachlässige Besuch der Gottesdien-
ste und die mangelnde Teilnahme am Abendmahl, die Verachtung und Verspottung christlicher Zeremonien
und der Widerspruch gegen die geltende Lehre, das Gotteslästern und Schwören, das Zutrinken und die
Völlerei, das Spielen um Geld, das Konkubinat und der Ehebruch, Kuppelei, Vergewaltigung und Deflo-
ration sowie der unangemessene Aufwand bei Hochzeiten, Taufen und anderen Mahlzeiten46.
Leider sind beide Dokumente, die Supplik und die Zuchtordnung47, nicht datiert. Da aber im Jahr 1553
Jean Loquet als Prediger der französischen Gemeinde mit der ausdrücklichen Genehmigung des Herren von
Rappoltstein aus Straßburg in das Lebertal berufen wurde, liegt es nahe, die Supplik der Bergleute und die
Zuchtordnung auch in dieses Jahr zu datieren48. In Straßburg war der aus Bourges stammende Loquet
Diakon gewesen. Wegen seiner angegriffenen Gesundheit kehrte er aber bald aus den Vogesen nach Straß-
burg zurück49. Der erste namentlich bekannte Pfarrer der deutschen Gemeinde war der aus Plauen stam-
mende Peter Hoger, der bei Simon Sulzer in Basel Theologie studiert hatte. Möglicherweise war Hoger vor
dem Studium selbst als Bergmann im Lebertal tätig gewesen50.
4. Bekenntnis der französischen Gemeinde im Lebertal, [1558] (Text S. 117)
Nach der Rückkehr Loquets nach Straßburg wandte sich die französische Gemeinde mit der Zustimmung
Egenoplphs an die Pfarrer der Lausanner Kirche. Diese schlugen Fran?ois de Morel de Colonges als neuen
Prediger vor, der im Herbst 1554 dann auch ins Lebertal kam. Morel predigte in Markirch, in Eckerich und
in Fortelbach. Aus Angst, ein ähnliches Schicksal zu erleiden wie der Heiterner Pfarrer Jakob Spaler51, floh
er jedoch 1556 aus dem Lebertal in das württembergische Altweier, wo er möglicherweise einige Zeit als
Helfer von Élie de Hainaut tätig war, bevor er in die Schweiz zurückkehrte02. Am 20. April 1556 baten die
französischen Bergleute Egenolph IV. um einen Nachfolger für Morel. Die Wahl fiel dabei auf Pierre
Marboeuf53.
Pierre Marboeuf verdankt die französische Kirche im Lebertal ihre Organisation54. Auf ihn geht wohl
auch das erste Bekenntnis der französischen Kirche im Lebertal zurück, auch wenn Jean Figon, ein späterer
Pfarrer der Gemeinde, dieses Marboeufs Vorgänger François de Morel zuschreibt55. Das Bekenntnis ist in
einer lateinischen Fassung „Confessio fidei ecclesiae Gallicanae, quae est apud Sanctam Mariam, quae alias
dicitur vallis Alberti“ überliefert. Diese ist im Bestand 1 AST 183 (ehemals Varia ecclesiastica XVIII), Bl.
290-296 des AMS überliefert. Daneben gibt es zwei deutsche Fassungen: Die eine liegt ebenfalls im AMS im
Bestand 1 AST 177 (Varia ecclesiastica XII), Bl. 136-145 und trägt den Titel „Bekantnus des glaubens der
welschen kirchen zu Markirch im Leberthal“; es handelt sich um eine deutsche Übersetzung des genannten
lateinischen Textes, die sich eng an die Vorlage anschließt. Die zweite deutsche Fassung „Bekantnus des

46 Vgl. z.B. Sehling, EKO XX,1, S. 208-217 sowie in die-
sem Band S. 245-247 und 441-447.
47 Das auf der Zuchtordnung von einem Archivar einge-
tragene Datum 1580 ist sicherlich falsch. Möglicherweise
wurde die Ordnung später noch einmal erneuert.
48 Für dieses Jahr sprechen sich auch Caspari, Notice,
S. 23 und ihm folgend Adam, Kirchengeschichte Elsaß,
S. 357 aus.
49 Vgl. Muhlenbeck, Histoire, S. 4 und 35-39; Denis,
Églises, S. 274.
50 Zum ihm vgl. das Biogramm unter Nr. 7, Anm. 1.
51 Vgl. oben S. 95.
52 Vgl. Denis, Églises, S. 275f.
53 Zu ihm vgl. Nr. 6, Anm. 1.

54 In einem Brief an Calvin vom 27. Juni 1560 schreibt
Marboeuf, er habe die Gemeinde nach dessen Lehre und
Ordnung geformt: quod hanc Christi ecclesiam mihi con-
creditam ad vestram regulam hactenus et doctrina et disci-
plina jormare curavi (Calvin, Opera 18 [CR 46],
Nr. 3214, Sp. 108-113, Zitat Sp. 109).
55 Auf Figon stützen sich Haag, France protestante 7,
S. 500; Muhlenbeck, Histoire. S. 4-6 und 41-67 und
Denis, Églises, S. 274-276; vgl. aber dagegen die Argu-
mentation in Magdelaine, Confession, S. 328-330.
Johannes Calvin spricht in seinem Brief an Marboeuf
vom August 1560 jedenfalls ausdrücklich von tuam con-
fessionem ( Calvin, Opera 18 [CR 46], Nr. 3236, S. 169).

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