Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0125
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Einleitung

Infolge des sich zuspitzenden Konflikts mit der österreichischen Regierung um die Ausräumung der
Kirchen in Eckerich und in Markirch mußte Jean Figon schließlich seinen Posten räumen. Matthias Erb,
der sich anderweitig sehr lobend über die Bildung Figons geäußert hatte, berichtete Bullinger am 16. Juli
1562 in einem Brief von dessen Weggang nach Genf. Vom gleichen Tag wie Erbs Brief datiert auch das von
Figons Nachfolger Nicolas François unterzeichnete Bekenntnis (Nr. 9a), das ihm von der Gemeinde vor-
gelegt wurde91. In diesem bestätigt François, daß er alles, was im Alten und Neuen Testament enthalten
und von der Kirche angenommen worden ist, als das wahrhaftige Wort Gottes anerkennt. Das Wort wird
dabei als vom Hl. Geist dictiert aufgefaßt. Mit der ausdrücklichen Erklärung zur Kindertaufe vollzieht
François eine klare Abgrenzung gegenüber den Täufern, die im Lebertal sehr stark vertreten waren92. Beim
Abendmahl wird auf alle eingrenzenden Aussagen zur Präsenz Christi in Brot und Wein verzichtet und nur
auf den Genuß im Glauben abgehoben.
Nach der Darstellung von Denis genügte Pieter van Keulen (Pierre de Cologne), der Figon bei seiner
Tätigkeit unterstützt hatte, das vorgelegte Bekenntnis nicht. Am 27. Juli 1562 legte er deshalb einen
redigierten Text des Bekenntnisses mit fünf Artikeln vor. Die Unterschrift unter drei dieser Artikel lehnte
François ab (Nr. 9c). Die beiden anderen Artikel finden hier keine Erwähnung; der eine betraf die Aufrecht-
erhaltung der Einheit und des Friedens innerhalb der Gemeinde, der andere das Verbot, Änderungen an der
bestehenden Gemeindeordnung vorzunehmen93.
Vermutlich ging die Berufung von François, der zuvor als Priester im lothringischen Teil Markirchs94
tätig gewesen war, sich dann aber der Reformation angeschlossen hatte, auf den Wunsch Egenolphs IV.
zurück95. In dem vom 17. Juli 1562 stammenden Revers (Nr. 9b) gelobt François deshalb gegenüber dem
Herrn von Rappoltstein, seine Gemeinde mit der reinen Lehre Christi zu versehen, sich eines ordentlichen
und vorbildhaften Wandels zu befleißigen und sich von allen Sekten und Spaltungen fernzuhalten. Als
maßgebliche Instanz bei Konflikten zwischen der Gemeinde und dem Pfarrer erkennt François ausdrücklich
die Entscheidung Egenolphs an.
10a. Verpflichtungserklärung für den Prediger der französischen Gemeinde [1569] (Text S. 149) / 10b.
Bestallungsurkunde für den Prediger, 1569 (Text S. 150)
Im Laufe der sechziger Jahre ergingen zahlreiche Mahnungen der österreichischen Regierung in Ensisheim
an Egenolph IV., die Sektierer und Calvinisten aus seinem Gebiet zu entfernen96. Egenolph antwortete in
der Regel ausweichend auf diese Weisungen; gleichzeitig trug er aber Sorge, daß die französische Gemeinde
im Lebertal möglichst wenig Aufsehen erregte, um ihr Weiterbestehen nicht zu gefährden. In einem Mandat
vom 31. Dezember 1567 warnte er deshalb die Gemeinde, die gegen die kirchliche Ordnung gerichteten
heimlichen Versammlungen und Gottesdienstfeiern einzustellen und sich auch keine eigenen Disziplinar-
ordnungen zu geben97. Den Bestrebungen Egenolphs mußte es daher vollkommen entgegenlaufen, als mit
Thomas Buyrette98 ein als unnachgiebig bekannter Vertreter des Calvinismus in das Lebertal kam. Als
Buyrette durch seine scharfen Predigten für Unruhe sorgte, forderte ihn Egenolph zum Verlassen des Tales
auf. Buyrette widersetzte sich jedoch der Weisung; von einem Teil der Gemeinde scheint er dabei Unter-
stützung erfahren zu haben99. Egenolph ließ daraufhin die Kirche in Eckerich und die Kapelle in St. Bläsy,
91 Denis, Églises, S. 302. 98 Bopp, Geistliche, Nr. 743. Buyrette war vorher als Pre-
92 Vgl. Séguy, Assemblées, S. 112. diger in Lyon tätig gewesen.
93 Vgl. Denis, Églises, S. 302f. 99 Der Pfalzgraf Christoph setzte sich in einem Brief vom
94 Vgl. oben S. 98 mit Anm. 39. 9. Oktober 1568 für Buyrette bei Egenolph ein. Abdruck
95 Vgl. Denis, Églises, S. 301. des Schreibens in französischer Übersetzung bei Muh-
96 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 364. lenbeck, Histoire, S. 187f.
97 Das Schreiben findet sich im Bestand AD Haut-Rhin 1
E 83 / 169.

105
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften