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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0179
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Einleitung

Reformation freundlich gegenüber41. Auch der Konvent der Augustinereremiten schloß sich unter der Lei-
tung Pruckners bald der Reformation an. Nach und nach verließen die Mönche ihr Kloster. Am 2. Mai 1525
wurde es offiziell aufgehoben und die Güter dem Spital übertragen42. Der Konvent der Franziskaner zählte
Anfang der zwanziger Jahre lediglich zwei oder drei Brüder; 1525 hielt sich dann nur noch der Guardian
Johannes Habermann im Kloster auf. Am 20. Februar 1529 beschloß der Rat dessen Aufhebung. Haber-
mann floh daraufhin mit dem Archiv in das Kloster Thann. In der Folge strengte der Orden vor dem
Reichskammergericht in Speyer einen Prozeß gegen die Stadt um die Rückgabe der Güter an43. Die beiden
bei den Franziskanern beheimateten Bruderschaften, die Sebastians- und die Rochusbruderschaft, hatten
sich bereits im Oktober 1524 aufgelöst44. Aufsehen erregte das Ende des Klarissenklosters, des größten
Konvents in der Stadt, auch weil sich hier die eidgenössischen Orte einschalteten (s. unten Nr. 7). Da sich
das Kloster in einer desolaten finanziellen Lage befand, war im Mai 1522 eine Vereinbarung zwischen dem
Provinzial und dem Magistrat getroffen worden, wonach sich die Schwestern entweder anderen Konventen
anschließen oder zu ihren Familien zurückkehren sollten. Zuletzt hielten sich nur noch zwei Schwestern im
Kloster auf; diese widersetzten sich aber vehement der endgültigen Aufhebung des Klosters. Im Sommer
1529 verließen aber auch sie Mülhausen45.
Der größte Widerstand gegen die Reformation in Mülhausen kam von außen, von seiten der österrei-
chischen Regierung in Ensisheim und von seiten der Eidgenossenschaft. Die Reformation in Mülhausen war
mehrfach Gegenstand der Beratungen der Tagsatzung. Dabei wurde gerade durch die altgläubigen Orte
politischer Druck auf Mülhausen ausgeübt. Und das ohnehin angespannte Verhältnis zum Haus Habsburg
verschlechterte sich durch den konfessionellen Konflikt noch weiter.

1. Mandat zur Predigt des Evangeliums, 25. bzw. 29. Juli 1523 (Text S. 187)
Ende des Jahres 1522 hatte der Prior des Augustinereremitenklosters Nikolaus Pruckner mit der öffentli-
chen Verkündigung des Evangeliums in Mülhausen begonnen, indem er eine Predigtreihe über den Römer-
brief in der Klosterkirche hielt. Als Pruckner im Juli 1523 vom Provinzial der rheinisch-schwäbischen
Ordensprovinz Konrad Treger46 seines Amtes als Prior enthoben wurde, bot ihm der Rat an, seine Predigt-
tätigkeit in der Pfarrkirche St. Stephan fortzusetzen, und verlieh ihm zur Versorgung die zweite Pfründe des
dem Evangelisten Johannes geweihten Altars47. Da es innerhalb der Mülhauser Geistlichkeit, aber auch in
der Bevölkerung, zu einem heftigen Streit über Pruckners Predigten kam, sah sich der Rat bald zum
Handeln gezwungen, zumal ein Erlaß des Reichsregiments vom 6. März 1523 alle Äußerungen von den
Kanzeln verbot, die in irgendeiner Weise zu ungehorsam, uneinigkeit und aufrur führen konnten48.
Ende Juli 1523 erließ der Rat deshalb ein Mandat, das sich sowohl an die Geistlichkeit als auch an die
Gläubigen richtete. Darin ordnete er an, daß alle mit der Verkündigung beauftragten Geistlichen, einbe-
zogen waren auch die Prediger der in Mülhausen ansässigen Orden, nur noch das Evangelium verkündigen
sollten und was sich mit der Hl. Schrift belegen lasse. Ausdrücklich untersagt wurde jegliche Polemik und
das gegenseitige Beschimpfen von den Kanzeln. Von den Gläubigen aber sollten die Prädikanten nicht
wegen ihrer Predigten angeklagt oder geschmäht werden.
Das Mülhauser Mandat steht in einer langen Reihe von Predigtmandaten, die städtische Obrigkeiten in
den Jahren 1523 und 1524 erließen. Es begann mit dem Zürcher Mandat vom 29. Januar 1523, das ein

41 Moeder, Église, S. 106: Des seize chapelains, dix adop-
tèrent [...] la Réforme.
42 Vgl. Mieg, Réforme, S. 33f.
43 Ebd., S. 92 und 117.
44 Vgl. Moeder, Église, S. 82.
45 Ebd., S. 115-118.

46 Zu Konrad Treger vgl. das Biogramm in Sehling, EKO
XX,1, Nr. 61, S. 545, Anm. 45.
47 Vgl. Mieg, Réforme, S. 15.
48 Abdruck des Mandats des Reichsregiments vom 6. März
1523 in RTA JR 3, Nr. 84, S. 447-452. Das Mandat wie-
derum geht auf einen Abschied des Nürnberger Reichs-
tags von 1522 zurück, ebd., Nr. 117, S. 736-759.

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