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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0184
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Mülhausen

Gutachten vorgeschlagene Entlastung der Schüler griffen die Ratsherren auf, indem sie die Mitwirkung der
Schüler auf das Hochamt an den Sonn- und Feiertagen sowie auf die Vesper am Vorabend und am Abend
der Festtage beschränkten.
Auch nach der weiteren Umgestaltung der Gottesdienste im Laufe der Reformationszeit behielten die
Schüler bestimmte Aufgaben im Gottesdienst. Nach der von dem Pfarrer Konrad Finck (Vinck) entwor-
fenen Schulordnung aus dem Jahr 1551 wirkten sie an den beiden Gottesdiensten am Sonntag mit. Darüber
hinaus sollten sie auch in den Gottesdiensten unter der Woche den Psalm vor und nach der Predigt singen.
Die Ordnung Fincks enthielt genaue Anweisungen für den Schulmeister, wie er die Schüler für diese Auf-
gabe vorzubereiten und wie er für deren angemessenes Verhalten in der Kirche zu sorgen hatte. Zumindest
für den Fall großer Kälte im Winter gestattete Finck den Schülern, wäbrend der Predigt zum Aufwärmen in
die Schule zurückzukehren76.
6a. Anfrage des Komturs des Deutschordenshauses zur Tätigkeit des Leutpriesters, 27. Juli [1524] (Text
S. 199) / 6b. Stellungnahme des Rates zur Anfrage des Komturs, [nach 27. Juli 1524] (Text S. 202)
Anfang 1524 hatte der bisherige Leutpriester Johannes Kaysersberg, welcher der Reformation ablehnend
gegenüberstand, auf sein Amt verzichtet; als Entschädigung erhielt er die freigewordene Pfründe des Hl.
Kreuz-Altars in der Stephanskirche. Kaysersberg war erst vier Jahre zuvor zum Leutpriester ernannt wor-
den; davor hatte er eine der beiden Stellen als Helfer versehen. Ende des Jahres 1524 verließ er die Stadt
Mülhausen77. Sein Nachfolger wurde der aus Freiburg i. Br. stammende Simon Oeler, vermutlich ein Bruder
des am 8. Dezember 1521 verstorbenen Komturs der Mülhauser Johanniterkommende Markus Oeler78.
Simon Oeler hatte seit 1501 die Kaplaneipfründe in der Marienkapelle innegehabt. Zu seiner Wahl als
Pfarrer trug wohl nicht zuletzt auch das freundschaftliche Verhältnis zum Komtur des Deutschordens-
hauses Georg von Andlau bei79.
Mit dem Wechsel von Johannes Kaysersberg zu Simon Oeler könnte die Eingabe beim Mülhauser Rat
zusammenhängen, in welcher der Komtur der Deutschordenskommende als Inhaber der Kollatur diesen um
Auskunft zu einigen Fragen bat, die sich aus der veränderten religiösen Situation für die Amtsführung des
Leutpriesters ergaben. Mit seiner Anfrage erkannte Andlau ein Mitspracherecht des Rats in den Fragen der
Amtsführung des Leutpriesters ausdrücklich an.
Teilweise bezieht sich Andlau in seiner Eingabe direkt auf frühere Entscheidungen der städtischen
Führung, die Anlaß zu Unstimmigkeiten gegeben hatten. In dem Mandat zu den Prozessionen und Feier-
tagen (Nr. 4) war eine Reihe von Festen gestrichen worden; trotzdem sollte an diesen Tagen Gottesdienst
gehalten und auch gepredigt werden. Anscheinend wehrte sich nun aber der Leutpriester gegen die Ver-
pflichtung. Die Ratsherren zeigten in diesem Fall ein gewisses Entgegenkommen und gestatteten dem
Leutpriester, die Predigt an den Prädikanten oder einen der Kapläne von St. Stephan abzutreten. Im Fall
der Beteiligung der Geistlichen am Hochamt hielten sie dagegen an ihrer ursprünglichen Entscheidung vom
28. April 1524 fest, wonach die Messe gemeinsam vom Schulmeister und den Kaplänen und Helfern gesun-
gen werden sollte (Nr. 5).
Die größten Probleme aus der veränderten Situation ergaben sich für den Leutpriester anscheinend bei
den Trauungen. Während die Ehen bislang zweimal von der Kanzel und einmal vor der Kirche abgekündigt
worden waren, wollten nun einige Paare ohne vorherige Abkündigung eingesegnet werden. Möglicherweise
spielten dabei auch die für das Aufgebot erhobenen Gebühren eine Rolle. Die Erhebung dieser Gebühren
76 AM Mulhouse Nr. 4481 (ohne Blattzählung). Vgl. die 78 Vgl. Wagner, Couyents, S. 72.
Inhaltsangabe der Schulordnung in Benner, Écoles, 79 Vgl. Mieg, Réforme, S. 45f. und die Nachweise auf
S. 15. S. 73; Gide, Église, S. 230-232.
77 Vgl. Gide, Église, S. 258; Moeder, Église, S. 106f.

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