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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0187
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Einleitung

machen und die evangelischen Prädikanten ausweisen würden. Dies lehnten Mülhausen und die anderen
Städte jedoch ab. Entsprechend kamen in der Woche nach Jakobi 1526 nur die Boten aus Basel, Bern und
Zürich nach Mülhausen, um dort den Bundeseid zu leisten96.
Wegen der wachsenden Spannungen mit der Regierung in Ensisheim wandte sich Mülhausen auf den
Treffen in Bern am 18. und 19. März und in Einsiedeln am 7. Mai 1527 hilfesuchend an die Eidgenossen-
schaft97. Auf der am 6. Juni 1527 nach Luzern einberufenen Tagsatzung lehnte ein Teil der Orte aber eine
Unterstützung Mülhausens ab, solange die Stadt an der neuen Lehre festhielt. In dem Luzerner Beschluß
finden sich bereits die Forderungen (teilweise sogar mit gleicher Wortwahl), welche die Gesandten der Orte
dann am 1. Juli in Mülhausen der städtischen Führung vortrugen: 1. Loslösung von der Luterischen oder
Zwinglischen sect und dem nüwen mißgloben und Rückkehr zu der christenlichen kirchen ordnung und satzung,
aufgrund derer der Bund seinerzeit geschlossen worden war, 2. Ausweisung der evangelischen Pfarrer und
ihrer Ehefrauen, 3. rigorose Bestrafung derartiger Vergehen. In dem Luzerner Abschied wurden Mülhausen
die Konsequenzen seiner Entscheidung aufgezeigt: Wann wir söllichen anfanng, gute meinung und widerke-
rung zum allten, waren cristenlichen glouben vernemend, alls dann wellend wir innen beholffen sin [...]; wo aber
das nit geschicht unnd sy uff irm fürnemen verhertten und bliben, so wollen wir iren nünt beladen noch an-
nemen98 . Am 18. Juni fiel der Beschluß der Tagsatzung, vier Boten nach Mülhausen zu entsenden und der
Stadt die Forderungen vortragen zu lassen99.
In seiner Stellungnahme auf den Vortrag der Boten betonte der Magistrat zunächst die Bundestreue
Mülhausens gegenüber den anderen Orten. Dann verteidigte er sich gegen den Vorwurf, irrigen Lehren
anzuhängen, mit dem Hinweis auf das Predigtmandat vom Juli 1523, wonach das Wort Gottes von den
Predigern gemäß dem Zeugnis des Alten und Neuen Testaments, ohne menschliche Zusätze, gepredigt
werden solle. Die Verordnung zu den Prozessionen und Feiertagen führte der Magistrat als Beleg dafür an,
daß er keine christlichen Gewohnheiten abgeschafft, sondern nur Mißbräuche beseitigt habe. Die Bestra-
fung verheirateter Geistlicher wies er zurück, weil es für ein Eheverbot in der Schrift keine Belege gebe.
Trotz der politischen Gefahren war der Magistrat also nicht bereit, den Forderungen der altgläubigen
Orte Folge zu leisten100. Da eine Absicherung Mülhausens im gesamteidgenössischen Rahmen nicht mehr
möglich war, suchte die Stadt fortan engen Anschluß an die evangelischen Orte. Im September 1528 bat sie
um die Aufnahme in das am 25. Juni zwischen Zürich und Bern geschlossene „Christliche Burgrecht“. Die
Bitte wurde von den beiden Orten zunächst abgelehnt; im Februar 1529 wurde ihr dann aber doch ent-
sprochen101.
8. Im Auftrag des Rates erstelltes Gutachten des Leutpriesters und der beiden Prädikanten zu den
Gottesdiensten in der Karwoche, [März 1528] (Text S. 206)
Hatte man sich bis 1527 mit Blick auf eine mögliche Verständigung mit den altgläubigen eidgenössischen
Orten vor einer radikalen Neuordnung der Gottesdienste in Mülhausen gescheut, kam es in den beiden
nachfolgenden Jahren auf diesem Gebiet zu einem raschem Wandel. Begünstigt wurde dieser durch einen
Wechsel innerhalb der Geistlichkeit. Am 13. Dezember 1527 hatte die Stadt das Präsentationsrecht der
Pfarrkirche St. Stephan vom Deutschen Orden erworben (s. oben Nr. 6a und b). Der Rat verlieh das
Pfarramt an Augustin Geschmus, der bis dahin als Kaplan an St. Stephan tätig gewesen war102. Kurze Zeit

96 Vgl. Mossmann, Cartulaire 5, Nr. 2168, S. 113f.
97 Ebd., Nr. 2178, S. 126-130.
98 Ebd., Nr. 2192, S. 143f.
99 Ebd., Nr. 2193, S. 145.
100 Vgl. auch Fürstenberger, Mülhauser Geschichten,
S. 150f.

101 Vgl. Mossmann, Cartulaire 5, Nr. 2208, S. 154 und
Nr. 2216, S. 160-165.
102 Vor ihm hatte vermutlich Ulrich Glareti (Clarethi) die
Stelle innegehabt; zu ihm s. Bopp, Geistliche, Nr. 1687
und Meininger, Pasteurs, S. 73.

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