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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Dörner, Gerald [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0190
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Mülhausen

den reformierten Kantonen aber gewaltsam niedergeschlagen wurde, führte 1586 schließlich zum vollstän-
digen Bruch mit den katholischen Ständen. Im Juli 1588 wurde auf einer Versammlung in Aarau bestätigt,
daß Mülhausen nur noch mit den fünf reformierten Kantonen verbündet sei115.
10. Gutachten des Leutpriesters und der Prädikanten zu den ihnen vorgelegten Basler und Straßburger
Ordnungen, [um den 26. November 1529] (Text S. 213)
Nach der Überlieferung des Chronisten Hans Stoltz wurde am Montag nach Fastnacht 1529 (15. Februar)
die Messe in Mülhausen abgeschafft116. Ein entsprechendes Mandat des Magistrats ist in den Beständen des
Mülhauser Stadtarchivs jedoch nicht überliefert117. Stoltz bringt die Abschaffung der Messe mit dem Auf-
treten von „Häretikern“ in Verbindung, die aus Basel nach Mülhausen gekommen waren. In Basel selbst
hatte der Rat bereits am 5. Januar unter dem Druck der Zünfte ein Aussetzen der Messe bis Ende Mai
beschlossen. Von diesem Beschluß ausgenommen waren nur das Münster und die beiden Kirchen St. Peter
und St. Theodor, in denen täglich einmal Messe gefeiert werden durfte. Einen Monat später ordnete der
Basler Rat die Aussetzung der Messe auch für die Landschaft an. Außerdem ließ er, nachdem es am
9. Februar zum Bildersturm im Münster gekommen war, die Kirchen durch Werkleute ausräumen. Am
13. Februar wurde die Bevölkerung auf die neue Ordnung vereidigt. An dieser Vereidigung nahmen die
Gesandten mehrerer evangelischer Orte der Eidgenossenschaft teil, darunter auch die Vertreter der Stadt
Mülhausen118. Nach deren Rückkehr scheint es dann, wohl beeinflußt durch die Basler Ereignisse, zu dem
Beschluß des Mülhauser Magistrats gekommen zu sein, die Messe abzuschaffen. Nur fünf Tage nach dem
Beschluß zur Abschaffung der Messe, am 20. Februar, drangen Ratsmitglieder in das Franziskanerkloster
ein, nahmen dort Altargeräte, Messgewänder und andere Kultgegenstände an sich und zerstörten die
Altäre119.
Mit der Abschaffung der Messe und dem damit vollzogenen vollständigen Bruch mit der alten Kirche
ergab sich für Mülhausen die Notwendigkeit zum Aufbau neuer kirchlicher Strukturen. Zur Beratung der
zahlreichen, mit dem Neuaufbau verbundenen Fragen rief der Magistrat eine Kommission ins Leben, deren
Vorsitz der Bürgermeister Achatius Gilgauer übernahm. Aus den Reihen dieser Kommission erging der
Auftrag an den Leutpriester Augustin Geschmus und die beiden Prädikanten Jakob Augsburger und Otto
Binder (Ronner hatte die Stadt inzwischen wieder verlassen), die Basler Reformationsordnung vom 1. April
1529 und die Straßburger Zuchtordnung vom 25. August 1529 zu prüfen, inwieweit sie sich als Grundlage
für einen Neuaufbau der Mülhauser Kirche eigneten.
Die Basler Reformationsordnung, die vornehmlich ein Werk Oekolampads ist, umfaßt zwei große Teile:
Der erste Teil enthält Bestimmungen zur Verkündigung des Evangeliums, zur Berufung der Pfarrer, Dia-
kone und Subdiakone sowie zur Kontrolle ihrer Lehre und Lebensführung, zur Einrichtung von Synoden,
zur Predigt und der Verwaltung der Sakramente, zum kirchlichen Unterricht, zur Seelsorge an den Kran-
ken, zur Neuordnung der Pfarreien, zu den Gottesdienstzeiten, den Feiertagen, zur Ehe, ihrer Einsegnung
und Scheidung, und zu den Eherichtern (s. dazu die folgende Nummer), zu den Bildern in Kirchen sowie zu
den Schulen und der Universität. Der zweite Teil enthält eine Zuchtordnung. Darin werden die Themen

115 Mossmann, Cartulaire 6, Nr. 2676, S. 190f. Vgl.
Oberlé, Zugewandter Ort, S. 67f. Zum Finingerhandel
s. Livet, Histoire de Mulhouse, S. 79-81.
116 Vgl. Stoltz, Ursprung, S. 48: auf Montag nach der alten
faßnacht, da kommen die ketzer von Baßel gehn Mülhau-
ßen, und wie sie zu Baßel gethon hetten, so grimmiglich
wardt es zu Mülhaußen auch verbracht, sie haben an allen

beyden orthen das heilig sacrament abgethon. Gott erbarm
es.
117 Ratsprotokolle liegen wegen des Brandes des Rathauses
erst ab dem Jahr 1551 vor. Vgl. Post / Benner, Ver-
zeichnis, S. 464.
118 Vgl. Dürr / Roth, Aktensammlung 3, S. 284, 289 und
303 sowie Roth, Reformation 2, S. 16.
119 Vgl. Mieg, Réforme, S. 91f.

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