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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0198
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Mülhausen

menner berufen werden, die gemeinsam mit den Pfarrern und Diakonen ein getrüw ernstlichs ufsechen auf die
Gemeindeglieder hatten. Von den drei sogenannten „Bannherren“ sollten zwei aus dem Rat und einer aus
der Gemeinde stammen. Die Geistlichen gehörten dem Gremium selbst nicht an, sondern waren diesem nur
beigeordnet. Sie verloren damit deutlich an Einfluß, während das Laienelement gegenüber der Reforma-
tionsordnung eine deutliche Stärkung erfahren hatte171. Obwohl auch in der Neufassung vom Dezember
1530 der kirchliche Charakter des Banns grundsätzlich Anerkennung fand, war er jetzt eng mit der obrig-
keitlichen Strafgewalt verbunden172. Indem der Rat weltliche Strafen bis hin zur Ausweisung der betreffen-
den Person aus der Stadt verhängte, setzte er sich über den Willen Oekolampads hinweg, nach dessen
Vorstellung der Kirchenbann keine weltliche Bestrafung zur Folge haben sollte173. Die grundsätzliche Frage,
ob die Verhängung des Banns eine weltliche oder kirchliche Aufgabe sei, blieb zwischen dem Rat und der
Geistlichkeit umstritten174.
Wie problematisch das Thema Kirchenbann war, zeigt die obengenannte Auslassung von Art. 7 des
Basler Bekenntnisses im Mülhauser von 1537 (s. unter Nr. 14). Gerade an der Übertragung der Banngewalt
auf die weltliche Obrigkeit entzündete sich die Kritik der Mülhauser Geistlichen in ihrer Denkschrift vom
25. Dezember 1540. Sie forderten eine Rückkehr zum Bann als Instrument der Kirchenzucht in den Händen
der Seelsorger nach den Vorstellungen Oekolampads. Das Mißfallen der Pfarrer und Diakone fand auch die
Einberufung der Synode durch den Rat und die Beschränkung der Verhandlungen der Synode ausschließlich
auf kirchliche Fragen. Von seiten der Geistlichen wurde der Vorwurf erhoben, daß sich die Ratsherren zwar
die Zuchtgewalt anmaßten, sich dieser selbst aber nicht unterwerfen wollten. Auf wenig Gegenliebe stieß
auch die Anweisung, Personen, die sich vergangen hatten, nicht mehr namentlich auf der Kanzel bekannt-
zumachen. Im Zusammenhang mit der Synodalordnung lebte also der Streit über die Frage neu auf, was auf
die Kanzel gehöre und was nicht (s. Nr. 1). Die Geistlichen erinnerten die Ratsherren an die Propheten und
Apostel, die Sünde und Unrecht öffentlich gebrandmarkt und dabei auch die Herrschenden nicht ausge-
klammert hatten. Gerade die Kritik am Verhalten der Obrigkeit von der Kanzel wollten sich die Geistlichen
nicht verbieten lassen.
16. Beschluß zur Aufrichtung einer christlichen Ordnung, 26. Januar 1541 (Text S. 241)
Die Initiative zu diesem Erlaß ging von den in den Zünften gewählten Sechsern bzw. Sechsleuten aus175.
Das Ziel der Initiative war zunächst einmal eine Verbesserung der Disziplin innerhalb der Zünfte selbst. Die
Sechser kritisierten, daß bei keiner der Zünfte eine rechte ordnung bestehe. Entsprechend zielt ein Teil ihrer
Vorschläge, wie etwa die Einschränkung der Abendzechen auf den Stuben und die Bestrafung von Trun-
kenheit, auf die Zünfte. Die einzelnen Mitglieder werden zur Anzeige von Verfehlungen der Zunftgenossen
beim Zunftmeister oder beim Bürgermeister verpflichtet.
Darüber hinaus ging es den Sechsern aber auch um den Vorbildcharakter der städtischen Führung
insgesamt. Daraus leitet sich die Forderung nach einem ordentlichen und ehrbaren Auftreten ihrer Mit-
glieder in der Öffentlichkeit ab. Wegen ihrer Aufgabe als Vorbild sollen die Vergehen von Ratsherren und
Zunftmeistern entsprechend schärfer, nämlich mit dem doppelten Strafmaß, geahndet werden. Eine solche
Regelung findet sich bereits in den Eheordnungen von 1530 und 1534; dort ist sie allerdings auf den Ehe-
bruch beschränkt (s. Nr. 11, S. 222f.). Als Vorbilder hatten nach Auffassung der Sechser auch die Geistli-
chen zu dienen. Anscheinend gab es über sie aber keine Klagen, da die Sechser darauf verzichteten, die
Pfarrer und Diakone beschicken zu lassen.

171 Vgl. Kuhr, Macht des Bannes, S. 207-209. 174 Vgl. ebd., S. 225.
172 Ebd., S. 211. 175 Zu den Sechsern vgl. oben S. 156.
173 Vgl. Ehrensperger, Gottesdienst, S. 224.

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