Mülhausen
9. Im Auftrag des Rates erstelltes Gutachten des Leutpriesters und der drei Prädikanten
zur Gestaltung der Gottesdienstea
[vor 24. Dezember 1528]1
Die frag, so meini herren hand an unß gethon von
einem christlichen und usserlichen gotzdienst, ist
die:
Wann ein christenliche gemein zusammen kumpt
inn der kilchen, wie muß man sich halten, daß man
ein rechten, woren, christenlichen, ußwendigen gotz-
dienst ertzeige?
Antwort:
[I.] Wann ein christenliche gemein an eim Sontag
versamlet ist, so will von neten sein, daß der gantz
hauff der christen einhelliglich mitteinander und
mitt einem auch dem leyen verstendigen (daß ist
teutschen) psalmen oder lobgsang Gott, unseren
vatter, loben und im dancken umm alle guthat, so er
unß bewisen hatt, inn sunderheit durch seinen sun,
unseren herren Jesum Christum. Daß ist fürß erst.
Für daß ander, so sol man da verkünden on allen
betrug und worhafftig daß wort Gotteß und nitt
menschen laut2.
Für daß dritt, so sol man auch an Gott, unseren
vatter, ein andechtig gemein bett thon für alle stend
a Textvorlage (Handschrift): AM Mulhouse Nr. 3763
(ohne Blattzählung).
b Gestr.: ist.
c Gestr.: er[...].
d Gestr.: psalmen.
1 Das Gutachten trägt zwar nur die Unterschrift der drei
Prädikanten, ist aber vom Leutpriester Augustin Ge-
schmus durchgesehen und korrigiert worden. Es stammt
aus dem Jahr 1528, da Otto Binder sein Pfarramt erst zu
Beginn dieses Jahres in Mülhausen antrat (s. Anm. 44),
umgekehrt Bernhard Ronner aber im Januar 1529 be-
reits als Diakon von St. Theodor in Basel Erwähnung
findet (Anm. 45). Im Vorwort des Bekenntnisses der
Stadt Mülhausen (s. Nr. 14) heißt es, daß man im Jahr
1528 allerley mißprüch, irttung und verwändthe Gottes
dienst beseitigt habe. Und in der Gebweiler Chronik des
der christenheit, wie den Pau[lus] leret 1. Thi. 2.
[1-2], und für alleß, so einer christenlicher gemein
anglegenb und nott ist.
Zum fierdten, ist eß ein christenliche versam-
lung, so wirt sie deß herren Christi (inn welcheß na-
men sie versamlett ist3) nitt vergessen, aber4 sein
und seineß leidenß mitt grosser andacht und wirdig-
keit gedencken, wirt auch seinen tod verkünden5
und hoch preysen und dem vatter dancken (daß ist
eucharistiam halten6). Si werden auch alle do, je
einß demm anderen, seinen glouben und liebi be-
tzügenc, und daß alleß durch daß allerheiligest
nachtmal Jesu Christi, unserß herren, etc. Daß
nachtmal aber mag wol all Sontag gehalten werden
oder erst in XIIII tagen ein mol oder alle tag auch
inn der wochen, wie es den erforderen wirt die an-
dacht der menschen.
Zum fünfften, nach dem alß7 daß nachtmal Chri-
sti gehalten ist, will nitt ungeschickt sein, zu leben
nach dem exempel Christi und seiner apostel und
Gott widerumb dancken mitt einem lobgesang8,
mitt einemd oder II oder III, aber doch verstendigen
Dominikaners Seraphin Dietler wird berichtet, daß der
Mülhauser Rat an Weihnachten 1528 eine völlige Neu-
ordnung der Gottesdienste gutgeheißen habe (Die Geb-
weiler Chronik des Dominikaners Fr. Seraphin Dietler,
hrsg. von Johann von Schlumberger, Gebweiler
1898, S. 139f.). Der Ratsbeschluß selbst ist nicht erhal-
ten; er dürfte aber auf das Gutachten der drei Geist-
lichen zurückgehen. Vgl. Mieg, Réforme, S. 84f.
2 Zeugnis, s. FWb 9, Sp. 457-459.
3 Vgl. Mt 18,20.
4 Sondern, s. FWb 1, Sp. 74.
5 Vgl. 1Kor 11,26.
6 Das griechische Wort εύχαριστία bedeutet „Dankbar-
keit“ bzw. „Danksagung“.
7 Also.
8 Vgl. Mk 14,26par.
208
9. Im Auftrag des Rates erstelltes Gutachten des Leutpriesters und der drei Prädikanten
zur Gestaltung der Gottesdienstea
[vor 24. Dezember 1528]1
Die frag, so meini herren hand an unß gethon von
einem christlichen und usserlichen gotzdienst, ist
die:
Wann ein christenliche gemein zusammen kumpt
inn der kilchen, wie muß man sich halten, daß man
ein rechten, woren, christenlichen, ußwendigen gotz-
dienst ertzeige?
Antwort:
[I.] Wann ein christenliche gemein an eim Sontag
versamlet ist, so will von neten sein, daß der gantz
hauff der christen einhelliglich mitteinander und
mitt einem auch dem leyen verstendigen (daß ist
teutschen) psalmen oder lobgsang Gott, unseren
vatter, loben und im dancken umm alle guthat, so er
unß bewisen hatt, inn sunderheit durch seinen sun,
unseren herren Jesum Christum. Daß ist fürß erst.
Für daß ander, so sol man da verkünden on allen
betrug und worhafftig daß wort Gotteß und nitt
menschen laut2.
Für daß dritt, so sol man auch an Gott, unseren
vatter, ein andechtig gemein bett thon für alle stend
a Textvorlage (Handschrift): AM Mulhouse Nr. 3763
(ohne Blattzählung).
b Gestr.: ist.
c Gestr.: er[...].
d Gestr.: psalmen.
1 Das Gutachten trägt zwar nur die Unterschrift der drei
Prädikanten, ist aber vom Leutpriester Augustin Ge-
schmus durchgesehen und korrigiert worden. Es stammt
aus dem Jahr 1528, da Otto Binder sein Pfarramt erst zu
Beginn dieses Jahres in Mülhausen antrat (s. Anm. 44),
umgekehrt Bernhard Ronner aber im Januar 1529 be-
reits als Diakon von St. Theodor in Basel Erwähnung
findet (Anm. 45). Im Vorwort des Bekenntnisses der
Stadt Mülhausen (s. Nr. 14) heißt es, daß man im Jahr
1528 allerley mißprüch, irttung und verwändthe Gottes
dienst beseitigt habe. Und in der Gebweiler Chronik des
der christenheit, wie den Pau[lus] leret 1. Thi. 2.
[1-2], und für alleß, so einer christenlicher gemein
anglegenb und nott ist.
Zum fierdten, ist eß ein christenliche versam-
lung, so wirt sie deß herren Christi (inn welcheß na-
men sie versamlett ist3) nitt vergessen, aber4 sein
und seineß leidenß mitt grosser andacht und wirdig-
keit gedencken, wirt auch seinen tod verkünden5
und hoch preysen und dem vatter dancken (daß ist
eucharistiam halten6). Si werden auch alle do, je
einß demm anderen, seinen glouben und liebi be-
tzügenc, und daß alleß durch daß allerheiligest
nachtmal Jesu Christi, unserß herren, etc. Daß
nachtmal aber mag wol all Sontag gehalten werden
oder erst in XIIII tagen ein mol oder alle tag auch
inn der wochen, wie es den erforderen wirt die an-
dacht der menschen.
Zum fünfften, nach dem alß7 daß nachtmal Chri-
sti gehalten ist, will nitt ungeschickt sein, zu leben
nach dem exempel Christi und seiner apostel und
Gott widerumb dancken mitt einem lobgesang8,
mitt einemd oder II oder III, aber doch verstendigen
Dominikaners Seraphin Dietler wird berichtet, daß der
Mülhauser Rat an Weihnachten 1528 eine völlige Neu-
ordnung der Gottesdienste gutgeheißen habe (Die Geb-
weiler Chronik des Dominikaners Fr. Seraphin Dietler,
hrsg. von Johann von Schlumberger, Gebweiler
1898, S. 139f.). Der Ratsbeschluß selbst ist nicht erhal-
ten; er dürfte aber auf das Gutachten der drei Geist-
lichen zurückgehen. Vgl. Mieg, Réforme, S. 84f.
2 Zeugnis, s. FWb 9, Sp. 457-459.
3 Vgl. Mt 18,20.
4 Sondern, s. FWb 1, Sp. 74.
5 Vgl. 1Kor 11,26.
6 Das griechische Wort εύχαριστία bedeutet „Dankbar-
keit“ bzw. „Danksagung“.
7 Also.
8 Vgl. Mk 14,26par.
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