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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0281
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20. Anweisung an die Prädikanten 1557

Unnd als vor langen jarenn ein magistratt by vylenn
huchverstendigenn, gotzgelerten, cristelichenn kir-
chendieneren unnd kirchen inn rhadt befundenn,
ouch by inenn selbs, lirem kleinfugen3 verstandt
nachl, fur nutzlichenn erwogen, daß aller unwyl,
zanck, nydt unnd haßm, deßglychenn andere laster,
fäl unnd mangel, die sich zu zeyten nnit alleinn by
den kirchen unnd den dienerenn, osunder auch byo
anderen sunderbarenn4 personenn begebenn unnd
zutragen, nit fuglicher noch kuntlicher dan durch
ein conversationn unnd frundtlich, cristlich ge-
sprech mogenn abgeleitt, zerleytt oder verbeßeret
werden, unnd doruff denn predicanten, solche con-
versationes zu gelegner zeytt zuhaltenn, ernstlichen
befelch geben, ist aber dem byßanher nit gelebt wor-
den5 , doruß dan erfolgt, daß vil ding uff die cantzel
erwachßenn6, da zu zyttenn nit der halbe theilp an
ime selbs warhafftig, dodurch ein oberkeyt unnd
gantze gemeindt verkleinneret7 unnd unruwig ge-
macht, deßglychenq, etwan unwißendt, dingen also
schmehlichen ußgangenn, oderr mit heytteren wort-
ten narren unnd grob, tol, unwißende esel, mit an-
derenn mer spenen wortlin8, sunder | offentlichenn,
geschehenn unnd gewendt worden, daß nun mer ver-
geblichenn dan erbuwlichen geweßenn. Wan man
aber dem befelh, von der oberkeytt empfangen, (wie
billich) were nachkumen, einanderen frundtlichenn
angesprochen9, alle furgefallene mengel, ouch ir eyg-
ner unwyl, so sy, sdie predicanten selbss, wider ein
anderenn tragen, mit anderen iren menschlichen ge-
brechenn, tdie sy glych als wol als ander menschen
an inen habent , durch geburliche mittel hatten und

l-l Erg. am Rand.
m Gestr.: so bißher etwann under denn predicanten sich
gehalten.
n-n Erg. am Rand
o-o Erg. am Rand.
p Gestr.: wer.
q Korr. aus: eins und.
r Korr. aus: auch.
s-s Erg. am Rand.
t-t Erg. am Rand.
u Erg. am Rand.
v Gestr.: in dem selbigen.
w Korr. aus: diß.

3 Geringen, s. Grimm, DWb 11, Sp. 1107f.

kunnen mogen, sunst kuntelicher verbeßert unnd
die offenbare laster der gebur nach gestrafft worden,
deßhalbenn ein ersamer rhadt die herrn predicanten
wil hiemit abermalen mit ernst ermandt unnd da-
nebenu befolhenn haben, daß sy zum wenigsten alle
VI wuchen ein convocation halten unndv under den
fier predicanten ye einer nach dem anderen darin
presidens unnd keiner uff denn anderen schauwen
lernten, ouch die anderen dry samt dem pfarherrn in
Ylzig10 unnd der Gutten leutten caplan11, so auch
herzu erfordert werden, dem betreffenden hierinnen
gehorsamen sollen unnd, waß sy dan vur straffwir-
digs unnd daß billich abgestellt erfaren, daß nit also
glych uff der cantzel ußschryen, sunder zuforderst |
denn heupterenn anzeygenn unnd furbringenn, da-
mit diew nach solchem denn rhedtenn furgebracht
grundtlichen erfarenn unnd der gebure nach ge-
strofft werden mogindt.
Wan auch byß anher by den lychpredigen der abge-
storbenen ein theyl sunder byß inn hymel erhebt,
den anderen aber ir sundtlichs lebenn in angeherdt
der frundtschafft12, so ondaß von wegen irs abge-
storbenen frundts leydig, uffgerupfft13 unnd byß in
die hel gestoßen, unnd daßelbig mer uß eygnem af-
fect dan uß cristlichem yffer bescheenn, der wegen
sol man sich in verkhundung uff der cantzlenn unnd
by gemelten lychpredigenn deßelbigen ruemens und
scheltenns ermeßigen14 unnd abstan, daß wordt der
ermanung unnd deß trostes bruchenn unnd hiemit
die abgestorbnen dem urtheyl Gottes laßen befolhen
sein.

4 Besonderen, s. Grimm, DWb 16, Sp. 1576f.
5 Folge geleistet worden, s. FWb 6, Sp. 719.
6 Gelangen, gebracht werden, s. Adelung 1, Sp. 1949;
Grimm, DWb 3, Sp. 1038.
7 (Moralisch) herabgesetzt, s. Grimm, DWb 25, Sp. 662.
8 Streitsüchtigen Worten, s. Grimm, DWb 16, Sp. 1884.
9 Zur Rede gestellt, s. FWb 1, Sp. 1465f.
10 Das nördlich der Stadt gelegene Dorf Illzach gehörte zu
Mülhausen.
11 Der Kaplan des Guteleutehauses.
12 In Anwesenheit der Verwandtschaft.
13 Gescholten (werden), s. FWb 2, Sp. 626; Idiotikon 6,
Sp. 1210f.
14 Mäßigen, s. Adelung 1, Sp. 1920.

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