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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0333
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Einleitung

Lasten beteiligen und ihre Konkubinen entlassen oder diese heiraten4*'. Bereits im Juli 1525 wurde die Stadt
aber durch den Kurfürsten von der Pfalz und seine Verbündeten erobert. Die Anführer des Aufruhrs, unter
ihnen der Vikar an St. Johann, Johannes Merkel (Merckler)48, wurden hingerichtet und am 15. Juli wieder
altgläubige Priester an den Pfarrkirchen eingesetzt. Darüber hinaus zitierte der Reichsfiskal Dr. Kaspar
Mart die Stadt wegen der Unterstützung der Bauern vor das Reichskammergericht49. Der erste Versuch, in
Weißenburg die Reformation einzuführen, war damit zunächst gescheitert.
Neun Jahre später unternahm der Pfarrer an St. Michael, Georg Kess, einen erneuten Anlauf. Kess war
Anfang 1534 aus der Markgrafschaft Baden nach Weißenburg gekommen00. Er stand mit den Straßburger
Reformatoren in brieflichem Kontakt. Im Juni 1534 versuchten der Propst und das Kapitel des Stifts Kess
abzusetzen. Dieser fand jedoch die Unterstützung des Magistrats, der am 26. Juni den Kanonikern das
Verlassen der Stadt gebot. Durch die Vermittlung des Junkers Reinhard von Rothenburg kam ein Vergleich
zwischen der Stadt und dem Stift zustande. Nach diesem konnte Kess zunächst auf seiner Stelle bleiben und
bis zur endgültigen Regelung durch ein Konzil das Evangelium predigen51. 1535 schloß sich auch der Pfarrer
von St. Johann, Matthias Kleindienst, der Reformation an und führte an seiner Pfarrkirche den evangeli-
schen Gottesdienst ein52.
Am 22. Juli 1536 berichtete Martin Bucer in einem Schreiben an Luther, daß sich die Weißenburger
Prediger zur Unterschrift unter die Wittenberger Konkordie bereit erklärt hätten53. Ein Jahr später schloß
sich die Stadt dem Schmalkaldischen Bund an54. Angesichts der engen Verbindung der Weißenburger
Geistlichen zu den Straßburger Reformatoren ist es sehr wahrscheinlich, daß den Gottesdiensten in St.
Johann und St. Michael die Straßburger Agende00 zugrundegelegt wurde. Die Verwendung des Straßburger
Gesangbuchs von 1541°6 ist jedenfalls durch Briefe von Georg Kess an Konrad Hubert bezeugt57.
1. Vertrag zwischen dem Stift und der Stadt Weißenburg, 12. April 1560 (Text S. 317)
Das Interim wurde in Weißenburg mit aller Strenge durchgeführt. Die beiden evangelischen Pfarrer wurden
abgesetzt und an ihre Stelle traten erneut zwei katholische Geistliche. Der Pfarrer von St. Michael, Georg
Kess, blieb jedoch in der Stadt und betreute die Glieder seiner Gemeinde weiterhin seelsorgerlich58. Wäh-
rend der Dauer des Interims scheinen die evangelischen Bewohner vielfach Gottesdienste in den Nachbar-
gebieten besucht zu haben. Nach dem Augsburger Religionsfrieden konnte Kess in sein Amt zurückkehren.
1557 trat dann Georg Mornhinweg an seine Stelle59.

4' Die 14 Artikel sind enthalten in der Handschrift Biblio-
theque Humaniste de Selestat ms. 188, Bl. 12v-13v, die
Stellungnahme der Geistlichen ebd., Bl. 13v-15r.
48 Zu ihm s. Bopp, Geistliche, Nr. 3449.
49 Vgl. die minutiöse Darstellung der Ereignisse in Jean
Rott, Der Bauernkrieg und die Stadt Weißenburg im
Elsaß. Bemerkungen zur Quellenlage und Versuch einer
genaueren Chronologie, in: Ders., Investigationes
historicae. Églises et societe au XVIe siècle 1, Straßburg
1986, S.210-225.
50 Bopp, Geistliche, Nr. 2698.
01 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 387. Der Ver-
trag ist in Bibliothèque Humaniste de Selestat ms. 188
enthalten.
02 Vgl. Bopp, Geistliche, Nr. 2790.
03 Vgl. Bucer, Deutsche Schriften 6,1, S. 199, Anm. 73.
54 Vgl. Röhrich, Geschichte 2, S. 235.
55 Sehling, EKO XX,1, Nr. 23, S. 262—282 mit Formu-
laren für das Einsegnen der Ehe, die Taufe, den Abend-

mahlsgottesdienst, die Versehung der Kranken und das
Begräbnis.
56 Gesangbuch, darinn begriffen sind die aller fürnemisten
und besten Psalmen, Geistliche Lieder und Chorgeseng
aus dem Wittenbergischen, Strasburgischen und anderer
Kirchen Gesangbüchlin zusamen bracht [...], Straßburg
1541 mit einer Einführung von Martin Bucer.
57 Vgl. AMS 1 AST 155, Nr. 41, S. 107f., Nr. 46, S. 119f.
und Nr. 53, S. 133f. In dieser Sammlung „Epistolae
XVI“ finden sich insgesamt 30 Briefe von Kess (hier
Caseus oder Caseolus) an Konrad Hubert und ein
Schreiben an Bucer und Capito.
58 AMS 1 AST 155, Nr. 44, S. 113-116.
59 Mornhinweg war 1531 aus der Markgrafschaft Baden
ausgewiesen worden und nach Straßburg gekommen.
Dort war er zunächst als Pfarrer im südlich der Stadt
gelegenen Ostwald tätig gewesen, dann als Diakon an St.
Peter und an St. Thomas in Straßburg (vgl. Bopp,
Geistliche, Nr. 3601).

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