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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0352
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Weißenburg

sie dannochter106 nach gelegenheit der ubertrettung
und der Gebür nach straffen.
Da auch jemands, wer doch der wehre, einigen Ehe-
halten107, Knecht oder Mägdt zu solcher üppigkeit,
untrew und ungehorsam ursach geben, angereitzt,
abgericht108 und verführt hette, den oder die wollen
wir gleicher gestalt, da es uns fürkompt, der gebür
nach ungestrafft nicht lassen.
Dieweil auch der Knecht und Mägd Lohn, wie auch
angedingte109 Schenckungen, zu einer ganzen gemei-
nen Bürgerschafft mercklichen beschwernuß also er-
steigert110, Auch solcher Pracht und unverantwort-
licher Ubermuth sonderlichen von den Mägden in
Kleidungen geübt, daß mehr als viel, Ja, es ist dazu
kommen, daß man zwischen vermögenden Personen
und Dienstbotten keinen underscheidt mehr sehen
und eins vor dem andern erkennen kan, Welches
aber billig und keineswegs hinfürter zugedulgen.
Wollen demnach sowohl Herrn, Meister, Frawen,
alß das Gesindt ernstlichen vermahnt haben, in an-
dingung der Loehn die billigkeit zu treffen und das
ein jedes seinem Standt gemäß sich kleide unnd al-
len schändlichen, überflüssigen Pracht abstelle, da-
mit nicht noth seye, deßwegen sonderbare verord-
nung und tax111 vorzunemmen, Wie dann ebenmes-
sig die neben Loehn und angedingte Schenckungen
sollen hiemit gäntzlichen, sowol dem Geber alß dem
Nemmer, verbotten sein. Es soll sich auch kein
Knecht oder Madgt auß einem Dienst in ein andern
verdingen, es hab dann noch zwen Monat lang zu
seiner versprochenen zeit außzudienen112, damit sich
die Herrschaften, Meister oder Frawen, bey denen
sie dienen, zu rechter und guter zeit umb ander Ge-
sind bewerben113 und es zuwegen bringen mögen.

106 Überdies, außerdem, s. FWb 5, Sp. 153.
107 Dienstboten, s. Grimm, DWb 3, Sp. 43f.
108 Beeinflußt, s. FWb 1, Sp. 294.
109 Vereinbarte, verabredete, s. Anm. 90.
110 Angestiegen sind, s. DRW 3, Sp. 284.
111 Vorschrift, s. Grimm, DWb 21, Sp. 228f.
112 Ausdienen = (eine vertraglich vereinbarte Zeit) zu Ende
dienen, abdienen, s. FWb 2, Sp. 949.
113 Sich bemühen um, s. FWb 3, Sp. 2269.

Und so offt sich ein Gesind, es seyen Knecht oder
Mägdt, verdingen und den Weinkauff nem-
men114 wirdt, sollen sie schuldig und verbunden sein,
daß versprochen Ziel und Zeit auszudienen und, sich
dieselben Zeit in dieser Statt anderwerts zu verdin-
gen noch zu dienen, nit macht haben, Sonder, wo
eins oder mehr solch versprochen Ziel nit außdienen
noch in demselben Dienst bleiben wollet, daß der
oder dieselben sollen, so lang solche versprochene
Zeit ist, diese Statt meiden. Deßgleichen soll auch
keiner verdingten Magdt hinfürter in die Ernde zu
gehen zugelassen, Sonder hiemit verbotten sein und
mit nichten gestattet werden.
Von Handwercksleuten, Taglöhnern und Fuhrleuten
Weil sich auch befunden, daß es mit den Hand-
wercksleuten und Taglöhnern uber alle wol angese-
hene Publicierte Ordnung bishero nicht hernacher
gewolt, Indem von etlichen die Zeit und Stunden, in
und von der Arbeit zu gehen, nicht gehalten, bey
gesetztem Lohn und geordnetem Truncke sich nicht
settigen lassen oder bleiben, So wöllen wir hiemit
unnd bevehlen nachmals ernstlich, daß deren jeder
solche ungebür hinforter abschaffe unnd seinen Tag-
lohn trewlich verdienen solle, damit ihnen der Lohn
auch erschießen115 und gedeyen möge.
Insonderheit aber, dieweil viel under den Rebleuten,
sonderlich frembde, so Taglöhn thun, deß Trunks
halben nicht zu ersettigen116, sondern den Burgers-
mann uber gesetzte Ordnung mit ubermessigem
Trincken beschweren, Welches keineswegs zu gedul-
den, Damit sich aber der Rebman und Taglöhner
desto weniger zu beklagen, unnd dieweil die Arbei-
ten, auch Taglöhn, ungleich, so will man, so viel den
vorrechts Taglohn117 an Gelt und Wein anlangt, es

114 Zum Zeichen eines geschlossenen Vertrages und zu des-
sen Bestätigung wird von beiden Parteien Wein getrun-
ken; daher heißt die Bestätigung des Vertrages figürlich
der „Weinkauf“, s. Adelung 4, Sp. 1459; Grimm,
DWb 28, Sp. 946f.
115 Nützlich, ersprießlich sein, s. Grimm, DWb 3, Sp. 961f.
116 Zu befriedigen, s. Grimm, DWb 3, Sp. 949.
117 Hiermit ist wohl der vereinbarte Tageslohn gemeint.

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