Münster im Münstertal
städten Münster und Straßburg liegt wohl auch mit ein Grund dafür, daß ein Teil der folgenden Ordnungen
im Straßburger Stadtarchiv (1 AST 98) überliefert ist50.
1. Kientzheimer Vertrag, 19. März 1575 (Text S. 353)
Verliefen die ersten Jahre von Leckdeigs Tätigkeit in Münster noch ohne größere Konflikte zwischen Stadt
und Kloster ab, änderte sich die Lage mit der Ernennung Heinrichs von Jestetten zum Abt schlagartig. Für
Jestetten hatte sich vor allem die habsburgische Seite stark gemacht, hoffte sie doch, in ihm ein wirksames
Instrument zur Bekämpfung der reformatorischen Bewegung im Münstertal zu erhalten51. Jestetten ent-
täuschte die in ihn gesetzten Erwartungen zunächst nicht: Am Sonntag, dem 20. November 1569, nur vier
Monate nach seinem feierlichen Einzug in die Stadt, ließ der Abt die Pfarrkirche St. Leodegar von seinen
Amtsleuten besetzen. Leckdeig und die Gottesdienstbesucher wurden vertrieben und ein katholischer Prie-
ster feierte die Messe. Gleichzeitig ernannte der Unterlandvogt einen neuen Rat. Aber auch der neue Rat
hielt am evangelischen Glauben fest. Eine Abwesenheit des Abtes nutzte die Gemeinde, um die Pfarrkirche
am 8. Dezember wieder in ihren Besitz zu bringen. Als Jestetten dann am dritten Adventssonntag Messe
feiern wollte, wurde ihm der Zutritt zur Kirche gewaltsam verwehrt. Messgewänder und andere katholische
Kultgegenstände wurden auf die Straße geworfen. Der Konflikt zog sich in die Länge: Da der Abt nicht
mehr bereit war, wie bisher die Pfarrer in Münster und Mühlbach zu besolden, verweigerte die Reichsstadt
die Auslieferung des Zehnten und anderer Abgaben. Der Abt wiederum setzte die dreimal pro Woche
stattfindende Verteilung von Brot und Wein im Guteleutehaus aus und strich auch seinen Beitrag zum
Stadtalmosen52.
Am 15. Dezember 1570 beauftragte Kaiser Maximilian II. seinen Rat und Feldherrn Lazarus
Schwendi53 und den Hagenauer Magistrat mit der Vermittlung zwischen der Stadt Münster und dem
Abt54. Zu Verhandlungen kam es jedoch erst nach Jestettens Rücktritt, als mit Adam Holzapfel als Admi-
nistrator ein Mann die Leitung der Abtei übernahm, den der Münsterer Stadtschreiber Jeremias Schütz als
eine „verständige und friedliebende Person“ bezeichnet55. Vom 15. bis zum 19. März 1575 fanden im Schloß
Schwendis in Kientzheim nahe Kaysersberg die entscheidenden Gespräche zwischen den Parteien
statt56. Beide Parteien wurden dabei von Beratern unterstützt. Auf seiten des Administrators fungierten der
Offizial des Basler Bischofs und zwei Räte Erzherzog Ferdinands II. als Beiständer. Münster hatte seine
Forderungen in acht clagpuncten zusammengefaßt; der Administrator brachte dagegen insgesamt 74
Beschwerden vor. Nach Anhörung der beiden Parteien wurden von der Schiedskommission zunächst die
von der Stadt vorgetragenen Klagen verglichen, dann die des Administrators, wobei die Vermittler hier oft
mehrere Punkte zusammenfaßten. Am 19. März 1575 unterzeichneten beide Parteien den ausgehandelten
Vertrag57 .
Die in der Literatur als „Kientzheimer“ oder „Schwendischer Vertrag“ erscheinende Vereinbarung steht
in der langen Reihe von Verträgen, in denen das Verhältnis zwischen Abtei und Gemeinde geregelt worden
50 Zum Bestand 1 AST 98 des AMS (Églises d’Alsace et de
Montbéliard hors de Strasbourg, 1524-1681) vgl. Adam,
Inventaire, Sp. 138-140.
51 Vgl. Calmet, Histoire, S. 163-169; Ohl, Geschichte,
S.250-252.
52 Ausführliche Darstellungen der Geschehnisse im
November und Dezember 1569 in Hecker, Stadt,
S. 53f.; Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 399f.
53 Zu Lazarus von Schwendi s. das Biogramm unter Nr. 1,
Anm 5.
54 Vgl. Wilsdorf, Ville de Munster, S. 14; Bornert,
Monastères II,1, S. 384.
55 Vgl. Matter, Stadtschreiber, S. 76.
56 Zu Kientzheim und zum Schloß vgl. Eugène Papirer,
Kientzheim en Haute-Alsace. La ville de Lazare de
Schwendi, Colmar 1982.
57 Nach der Darstellung von Ohl, Geschichte, S. 282
geschah die Unterzeichnung durch den Administrator
der Abtei nur unter dem Druck Schwendis („daß er
[Schwendi], den Dolch in der Hand, den Klostermann
nötigte“).
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städten Münster und Straßburg liegt wohl auch mit ein Grund dafür, daß ein Teil der folgenden Ordnungen
im Straßburger Stadtarchiv (1 AST 98) überliefert ist50.
1. Kientzheimer Vertrag, 19. März 1575 (Text S. 353)
Verliefen die ersten Jahre von Leckdeigs Tätigkeit in Münster noch ohne größere Konflikte zwischen Stadt
und Kloster ab, änderte sich die Lage mit der Ernennung Heinrichs von Jestetten zum Abt schlagartig. Für
Jestetten hatte sich vor allem die habsburgische Seite stark gemacht, hoffte sie doch, in ihm ein wirksames
Instrument zur Bekämpfung der reformatorischen Bewegung im Münstertal zu erhalten51. Jestetten ent-
täuschte die in ihn gesetzten Erwartungen zunächst nicht: Am Sonntag, dem 20. November 1569, nur vier
Monate nach seinem feierlichen Einzug in die Stadt, ließ der Abt die Pfarrkirche St. Leodegar von seinen
Amtsleuten besetzen. Leckdeig und die Gottesdienstbesucher wurden vertrieben und ein katholischer Prie-
ster feierte die Messe. Gleichzeitig ernannte der Unterlandvogt einen neuen Rat. Aber auch der neue Rat
hielt am evangelischen Glauben fest. Eine Abwesenheit des Abtes nutzte die Gemeinde, um die Pfarrkirche
am 8. Dezember wieder in ihren Besitz zu bringen. Als Jestetten dann am dritten Adventssonntag Messe
feiern wollte, wurde ihm der Zutritt zur Kirche gewaltsam verwehrt. Messgewänder und andere katholische
Kultgegenstände wurden auf die Straße geworfen. Der Konflikt zog sich in die Länge: Da der Abt nicht
mehr bereit war, wie bisher die Pfarrer in Münster und Mühlbach zu besolden, verweigerte die Reichsstadt
die Auslieferung des Zehnten und anderer Abgaben. Der Abt wiederum setzte die dreimal pro Woche
stattfindende Verteilung von Brot und Wein im Guteleutehaus aus und strich auch seinen Beitrag zum
Stadtalmosen52.
Am 15. Dezember 1570 beauftragte Kaiser Maximilian II. seinen Rat und Feldherrn Lazarus
Schwendi53 und den Hagenauer Magistrat mit der Vermittlung zwischen der Stadt Münster und dem
Abt54. Zu Verhandlungen kam es jedoch erst nach Jestettens Rücktritt, als mit Adam Holzapfel als Admi-
nistrator ein Mann die Leitung der Abtei übernahm, den der Münsterer Stadtschreiber Jeremias Schütz als
eine „verständige und friedliebende Person“ bezeichnet55. Vom 15. bis zum 19. März 1575 fanden im Schloß
Schwendis in Kientzheim nahe Kaysersberg die entscheidenden Gespräche zwischen den Parteien
statt56. Beide Parteien wurden dabei von Beratern unterstützt. Auf seiten des Administrators fungierten der
Offizial des Basler Bischofs und zwei Räte Erzherzog Ferdinands II. als Beiständer. Münster hatte seine
Forderungen in acht clagpuncten zusammengefaßt; der Administrator brachte dagegen insgesamt 74
Beschwerden vor. Nach Anhörung der beiden Parteien wurden von der Schiedskommission zunächst die
von der Stadt vorgetragenen Klagen verglichen, dann die des Administrators, wobei die Vermittler hier oft
mehrere Punkte zusammenfaßten. Am 19. März 1575 unterzeichneten beide Parteien den ausgehandelten
Vertrag57 .
Die in der Literatur als „Kientzheimer“ oder „Schwendischer Vertrag“ erscheinende Vereinbarung steht
in der langen Reihe von Verträgen, in denen das Verhältnis zwischen Abtei und Gemeinde geregelt worden
50 Zum Bestand 1 AST 98 des AMS (Églises d’Alsace et de
Montbéliard hors de Strasbourg, 1524-1681) vgl. Adam,
Inventaire, Sp. 138-140.
51 Vgl. Calmet, Histoire, S. 163-169; Ohl, Geschichte,
S.250-252.
52 Ausführliche Darstellungen der Geschehnisse im
November und Dezember 1569 in Hecker, Stadt,
S. 53f.; Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 399f.
53 Zu Lazarus von Schwendi s. das Biogramm unter Nr. 1,
Anm 5.
54 Vgl. Wilsdorf, Ville de Munster, S. 14; Bornert,
Monastères II,1, S. 384.
55 Vgl. Matter, Stadtschreiber, S. 76.
56 Zu Kientzheim und zum Schloß vgl. Eugène Papirer,
Kientzheim en Haute-Alsace. La ville de Lazare de
Schwendi, Colmar 1982.
57 Nach der Darstellung von Ohl, Geschichte, S. 282
geschah die Unterzeichnung durch den Administrator
der Abtei nur unter dem Druck Schwendis („daß er
[Schwendi], den Dolch in der Hand, den Klostermann
nötigte“).
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