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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0418
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Münster im Münstertal

7. Anweisung des Rates zu den Predigtena
3. November 1604

Sambstag, den 3. Novembris 1604,
ließ ein erb[arer] rhatt beiden pfarherren1 dise for-
malia coram anzeigen: Zu der zeit, als jeder bestallet
und zu predigeren uf- und angenommen worden,
habe ein rhatt auß gewißen ursachen alles uner-
bauwlich holhüppen2 inen undersagt und darvon ab-
gewarnnet3. Deßen aber unerachtet befinde sich
doch, daß etwan zu mehrmalen der bäpstler durch
unzeittigen4 eifer uf der cantzel zimlich schmählich
gedacht werde, welches aber kheins wegs sein soltte,
sondern, do in der lehr etwas zu refutieren5, soltte
daßelbig mit guter christlicher, apostolischer be-
scheidenheit und sanftmuht beschehen. Dan do sie,
pfarrherren, jetzigen zustandt des hl. Römischen
reichs beßere nachrichtung6 hetten, wurde es ohn
zweifel dißer abwarnung und undersagens nit be-
dörffen. Zu dem solche herbe anziehungen7 er-
bauweten nit allein nichts, sondern sie thetten noch
darzu schaden. Und diß für eins. |288v|
Fürs ander falle einem rhatt auch dise beschwerdt
für, daß in sontag und in wuchen predigten alhie zue
statt die oberhkeitten gantz verächtlicht, schandt-
lich und schmehlich hindurch gezogen und ange-
zept8 werde, dergestaltten, daß auch neuwlicher ta-
gen in einer eintzigen predigt der rhat zehen mal in
erclerung des Decalogi ohne alle scheuw auß geha-
der metzt9 worden, davon ein gantze burgerschafft

a Textvorlage (Handschrift): AM Munster FF 84, Bl.
288r-289r.
1 Pfarrer in Münster war zu dieser Zeit David Funck, in
Mühlbach Konrad Caesar. Vgl. Bopp, Protestantische
Pfarrer I, S. 67 und II, S. 91-93.
2 Schmähen, Spotten, s. Grimm, DWb 10, Sp. 1719.
3 Vgl. Nr. 2, S. 371. Zu abwarnen = jemanden warnen, et-
was zu tun, s. FWb 1, Sp. 477.
4 Unangebrachten, s. Grimm, DWb 24, Sp. 2281f.
6 Widerlegen.

in allen winckeln eben gnug zusagen und ihr urttheil
dabey zufellen wiß, alles der oberkheit zu höchster
schmach und verkleinerung, welches aber einem
rhatt, uf solche weis zugedulden, nit gemeint sein
werde10. Were derhalben deßen begehrn, daß dises
übermeßig außfegen11 hinfüro eingestelt und vermit-
ten werde, dan man khönde in privat haußwesen nit
alles zu boltzen trehen12, zu geschweigen in re-
publ[ica]. Es gehe diser zeit einem rhatt wie einem
schiffman, der nit allweg sein schiff an das ort brin-
gen khonde, dohin ers gern haben wolte; muß etwan
dem schiff und windt zusehen.
Tertio, dieweil auch hievormals bey mehrtheils ver-
fallener kirchenordnung beide pfarherren begehrt, es
woltten die damals anwesende herren einem rhatt
fürbringen, daß ein große notturft, die neuwe kir-
chenordnung anzustellen13, und wan ein rhatt solche
angestelt, begehrten sie, pfarherren, daß solche inen
übergeben, auch zeit zugelaßen werde, darüber zu-
sitzen und zuverbeßern etc., welches nun mehr be-
schehen. Es hette sich aber ein rhatt darüber erclert
und woltten, das sie, pfarrherr, die altte kirchenord-
nung under die handt nemmen und darauß ein neu-
we |289r| verfaßen soltten, welche als dan einem
rhatt ad revidendum et publicandum zuüberreichen.
Uber dises sie, beide pfarherr, begehrt, zu irer er-
clerung über solche drey puncten inen zeit bitz

6 Vom 16. bis 18. Jh. anstelle von „Nachricht“, s. Grimm,
DWb 13, Sp. 104f.
7 Vorhaltungen bzw. Schmähungen, s. FWb 1,
Sp.1616-1618.
8 Angegriffen, s. FWb 1, Sp. 1603 (s.v. anzäpfung).
9 Aus Haderei, Zank heraus niedergemacht, s. Grimm,
DWb, 5, Sp. 2314 und DWb 12, Sp. 2154.
10 Nicht im Sinn habe, s. FWb 6, Sp. 845.
11 Schelten, Schmähen, s. FWb 2, Sp. 991.
12 Übel auslegen, s. Adelung 1, Sp. 1122.
13 Ins Werk zu setzen, s. FWb 1, Sp. 1488f.

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