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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0424
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Hagenau

was zur Folge hatte, daß die Sitze in den Händen weniger Familien blieben11. 1331 traten neben die zwölf
Schöffen 24 Vertreter der Handwerkerschaft in den Rat ein. Die „Vierundzwanziger“ (im folgenden XXIV)
wurden jedes Jahr am Sonntag Trinitatis, dem Schwörtag, aus den Zünften gewählt12. Diese Neuordnung
des Rates wurde von Ludwig dem Bayern am 6. März 1332 genehmigt und durch dessen Nachfolger jeweils
bestätigt. Unter König Wenzel erhielt der „Vierundzwanziger-Brief“ dann seine endgültige Form. Dieses
Dokument vom März 1379 bildete bis zum Dreißigjährigen Krieg die städtische Verfassung13. Nach der
Neufassung von 1379 konnten die Schöffen auch aus den Reihen der Bürger genommen werden. An die
Stelle der bisher gängigen Kooptation der Schöffen trat ihre Wahl durch den gesamten Rat, also durch die
XXIV und die alten Schöffen. Erstmals wurden 1391 drei Bürger auf diese Weise zu Schöffen gewählt14.
Den Vorsitz bei den Versammlungen des aus Schöffen und XXIV bestehenden Stadtrats hatte der
regierende Stettmeister inne. Er wurde am Sonntag nach dem Schwörtag von den Schöffen aus ihren Reihen
gewählt. Dem Stettmeister stand ein aus den XXIV berufener Marschalk zur Seite, der ihn bei seiner
Amtsführung unterstützen sollte, der gleichzeitig aber auch eine Kontrollfunktion ausübte. Stettmeister
und Marschalk traten jeweils gemeinsam ihr Amt an. Nach einem Vierteljahr wurden sie abgelöst und
erscheinen in der Folge als Alt-Stettmeister bzw. Alt-Marschalk15. Wenn sich die Schöffen mit den neuge-
wählten XXIV und den abgetretenen, alten XXIV versammelten, bildeten sie zusammen den Großen
Rat16. Schöffen und XXIV hielten aber auch getrennte Versammlungen ab: Die Schöffen bereiteten dabei
als Schöffenrat in der „Reichslaube“ oder in der Kanzlei die Sitzungen des Stadtrates vor oder besprachen
schwierige politische Probleme. Die XXIV kamen in der „Marschalkkräte“ zusammen; hierbei standen
naturgemäß Fragen des Handwerks im Vordergrund17. Gegen Ende des Mittelalters bildete sich ein engerer
Führungskreis heraus, der sogenannte „Magistrat“, der viele Angelegenheiten unter Umgehung des Stadt-
rats in der Kanzlei beriet. Er bestand aus den vier Stettmeistern, den vier Marschalken und dem Stadt-
schreiber18.
In der 1354 von Kaiser Karl IV. ins Leben gerufenen Dekapolis kam Hagenau die Rolle eines Vorortes
zu. Es lud zu den Versammlungen des Städtebundes ein, die zunächst in Schlettstadt und später dann in
dem nicht zum Bund gehörenden Straßburg stattfanden. Die Hagenauer Kanzlei führte die Korrespondenz
des Bundes. Zusammen mit Colmar stellte es bei Botschaften an den Kaiser oder bei den Reichs- und
Städtetagen jeweils die Gesandten19.

B. Kirchen und Klöster
Hagenau gehörte wie große Teile des Unterelsaß zum Bistum Straßburg20. Entsprechend den beiden
ursprünglichen Siedlungsschwerpunkten besaß es zwei Pfarreien. Die in der „Oberstadt“ gelegene Kirche
St. Georg, deren Baubeginn in die Zeit Herzog Friedrichs des Einäugigen fällt, war zunächst Filialkirche
von Schweighausen (Königshof), erlangte aber durch die oben bereits genannte Urkunde Konrads III. 1143
ihre Selbständigkeit21. Die Weihe der Kirche erfolgte 1189 durch den Bischof von Straßburg. Aufgrund der
wachsenden Gemeinde wurde das Kirchenschiff 1371 um drei Joche erweitert. Vor der Reformation besaß
die Kirche zahlreiche Kaplaneien. Das „Georgenwerk“ zählte zu einer der reichsten Kirchenfabriken im

11 Vgl. Hanauer / Klélé, Statutenbuch, S. 37f.; Gras-
ser / Traband, Haguenau, S. 79f.
12 Die entsprechende Urkunde ist abdruckt in Hanauer /
Klélé, Statutenbuch, S. 46f. Bereits 1164 scheint eine
gewisse Organisation der Bäcker und der Metzger
bestanden zu haben. Mitte des 15. Jh. gab es 21 Zünfte
in Hagenau. Vgl. Grasser / Traband, Haguenau,
S. 53.
13 Abdruck in Hanauer / Klélé, Statutenbuch, S. 48-50.

14 Vgl. Grasser / Traband, Haguenau, S. 48.
15 Vgl. Grasser / Traband, Ville impériale, S. 80.
16 Vgl. Hanauer / Klélé, Statutenbuch, S. 51f.
17 Vgl. Grasser / Traband, Ville impériale, S. 81.
18 Ebd., S. 81f.
19 Vgl. Vogler, Décapole, S. 21-23.
20 Vgl. die Karte in Gatz, Atlas, S. 133.
21 Vgl. auch Grasser / Traband, Ville impériale, S. 35.

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