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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0426
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Hagenau

II. Die Reformation in Hagenau
In Hagenau wurde der evangelische Gottesdienst erst Mitte der sechziger Jahre des 16. Jh. durch eine
Entscheidung des städtischen Rates eingeführt. Neben der evangelischen Gemeinde bestanden die beiden
katholischen Pfarreien St. Georg und St. Nikolaus sowie die Klöster fort. Die Geschehnisse in Hagenau
hatten großen Einfluß auf die Einführung der Reformation in dem ebenfalls zur Dekapolis zählenden
Colmar32.
Hagenau war vom Ende des 15. bis zur Mitte des 16. Jh. ein Zentrum des Druckwesens. Bereits 1489
hatte Heinrich Gran hier eine Offizin eröffnet. In seiner Werkstatt erschien der Erstdruck der „Dunkel-
mänerbriefe“33. Neben Gran war ab 1516 Thomas Anshelm in Hagenau tätig, der vor allem durch seine
Drucke der Werke des Humanisten Johannes Reuchlin Bekanntheit erlangt hat und in dessen Offizin
Melanchthon eine Zeitlang als Korrektor arbeitete34. Bei Anshelm und dann vor allem bei seinem Schwie-
gersohn und Nachfolger Johannes Setzer erschienen zahlreiche Schriften von Luther, Melanchthon, Brenz
und anderen Reformatoren35. Auch der ab 1524 neben Setzer in Hagenau tätige Amandus Farckall druckte
reformatorische Schriften36. Am 6. Juli 1524 wurden deshalb die Drucker auf die Kanzlei bestellt, und es
wurde ihnen die Veröffentlichung von Büchern ohne vorherige Prüfung durch die Kanzlei untersagt37. Trotz
dieser Weisung erschienen weiterhin reformatorische Schriften in Hagenau, auch wenn es sich dabei meist
um Werke in lateinischer Sprache handelte38. Daran scheint auch die im August 1528 von Kaiser Karl V. an
den Rat ergangene Weisung zur Konfiskation einiger in Hagenau veröffentlichter Bücher nichts geändert zu
haben39.
Ein Anhänger der evangelischen Lehre war der seit 1518 in Hagenau tätige Rektor der Lateinschule
Michael Wendelin Hilspach (eigentlich: Zimmermann)40. Im Juli 1524 wurde er erstmals des predigens
halben durch den Rat ermahnt, ein weiteres Mal im Mai des folgenden Jahres41; kurz darauf entließ ihn der
Rat siner lutterischen materie halp42. Hilspach ging zunächst nach Straßburg; in den folgenden Jahren war er
dann als Rektor der Lateinschulen in Pforzheim und Zweibrücken tätig, bevor er in Zweibrücken zum
Pfarrer und Superintendenten ernannt wurde.
Im April 1525 besuchte der aus Hagenau gebürtige Wolfgang Capito seine Heimatstadt. Er predigte am
Palmsonntag und am darauffolgenden Ostersonntag, spendete das Abendmahl unter beiderlei Gestalt und
taufte das Kind eines Buchdruckers nach dem neuen, in Straßburg gebräuchlichen Ritus. Nachhaltige
Wirkung scheint der Aufenthalt Capitos nicht gehabt zu haben. Zwar kam es in Hagenau wie in anderen
Städten im Umfeld des Bauerkriegs zu Forderungen nach der Annahme des Bürgerrechts durch die Geist-
lichen und nach ihrer Beteiligung an den städtischen Lasten und Aufgaben. Am 17. und 24. Mai 1525
leistete entsprechend ein Teil des Klerus den Bürgereid; für den Juli 1525 ist dann die Zahlung von Wacht-

32 Vgl. dazu die Einleitung zum folgenden Abschnitt über
Colmar S. 476f.
33 Vgl. Reske, Buchdrucker, S. 320f.
34 Vgl. ebd., S. 321 sowie den Abschnitt über Thomas Ans-
helm in Matthias Dall’asta / Gerald Dörner,
Johannes Reuchlins Bibliothek gestern und heute.
Schätze und Schicksal einer Büchersammlung der
Renaissance, Ubstadt-Weiher u.a. 2007, S. 31-41.
35 Vgl. Grasser / Traband, Ville impériale, S. 127.
36 Vgl. Reske, Buchdrucker, S. 322.
37 Vgl. Frédéric Hartweg, Lutherdrucke in Hagenau,
in: Martin Luther. Leben, Werk, Wirkung, hrsg. von
Günter Vogler u.a., Berlin 21986, S. 367-375.
38 Vgl. Burg, Catalogue des livres, S. 44-48 (Johannes

Brenz), S. 48f. (Johannes Bugenhagen), S. 57 (Confessio
Augustana), S. 80 (Justus Jonas), S. 85-87 (Martin
Luther), S. 88-97 (Philipp Melanchthon).
39 Das Schreiben findet sich im Bestand AM Haguenau
GG 50.
40 Vgl. Bopp, Geistliche, Nr. 2254; Biundo, Geistliche,
Nr. 2195 sowie Rudolf Hermsdorf-Benau, Michael
Wendelin Hilspach. Ein Lebensbild, Hagenau 1941
(= Veröffentlichungen des Museums in Hagenau im
Elsaß). Hilspach hatte als Kaplan des Speyerer Weihbi-
schofs Anton Engelbrecht an der Entlassung Martin
Bucers aus dem Dominikanerorden mitgewirkt.
41 Vgl. Hanauer, Protestantisme, S. 54, Anm. 2.
42 Vgl. Knepper, Schul- und Unterrichtswesen, S. 223.

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