Hagenau
ständig verboten und die Zahl der Gäste bei den Hochzeiten deutlich reduziert, um jeden Überfluß beim
Essen und Trinken zu vermeiden, da man sonst ein weiteres Ansteigen der Preise befürchtet.
Fast stereotyp wird in allen drei Abschnitten der Zuchtordnung über die Zunahme der Laster Klage
geführt (bei uns gar uberhand genommen; dieweil solches [...] gemein geworden). Im ersten Teil der Ordnung
geht es dabei um den nachlässigen Besuch der Gottesdienste, der anscheinend bei beiden Konfessionen zu
beobachten war, da der Rat ausdrücklich betont, daß die Freiheit bei der Wahl der Konfession nicht die
Freiheit von der Pflicht zum Besuch der Gottesdienste beinhalte. Der zweite Teil der Ordnung behandelt
das Gotteslästern, die Flüche und Schwüre, der dritte und zugleich umfangreichste Teil die gesamte Band-
breite der sexuellen Vergehen (Ehebruch, Hurerei etc.), der Völlerei sowie die Bereiche Tanz und Spiel. Bei
den sexuellen Vergehen wird der Ehebruch am härtesten bestraft; die in anderen Zuchtordnungen vorhan-
dene Abstufung des Strafmaßes nach der Zahl der Vergehen fehlt hier aber. Die Themen Kuppelei und
Eheabsprachen wurden 1587 nochmals in einem eigenen Mandat (Nr. 7) aufgegriffen, dort jedoch mit einer
anderen Akzentsetzung.
Die Zuchtordnung ist als eines der wenigen Hagenauer Mandate dieser Zeit gedruckt worden, mögli-
cherweise in Straßburg, da die Stadt nach 1557 selbst keine eigene Druckerei mehr besaß107. Das Heft mit
acht Blättern war für die Verlesung der Ordnung auf den Zunftstuben bestimmt, die alle Vierteljahr statt-
finden sollte.
6. Vereinbarung zwischen der Stadt Hagenau und der Reichslandvogtei in Religionsfragen, 26. Juli 1578
(Text S. 448)
Auf Drängen Erzherzog Ferdinands übertrug Kaiser Maximilian II. die Durchsetzung seiner Weisung vom
27. Juli 1566 einer Kommission, die aber nicht tätig geworden zu sein scheint108. Vielmehr wurde 1571 eine
neue Kommission gebildet; ein Treffen mit dieser lehnte der Rat der Stadt Hagenau jedoch ab109. Statt-
dessen wandte er sich 1572 selbst an den Kaiser. Wie schon in seinem Schreiben vom Oktober 1566 berief er
sich dabei auf den Status Hagenaus als Reichsstadt und auf die Bestimmungen des Religionsfriedens. Eine
Gehorsamspflicht gegenüber dem Oberlandvogt in kirchlichen Angelegenheiten wies er nochmals
zurück110. Im März 1574 wurde die Stadt dann aber vor die kaiserliche Kommission geladen111. Zwei
Monate später, am 17. Mai, trafen die Kommissare in Hagenau ein112. Sie forderten die Rücknahme aller
kirchlichen Neuerungen und die Entlassung der evangelischen Geistlichen entsprechend dem kaiserlichen
Befehl vom Juli 1566. Dabei machten sie geltend, daß sich das Reformationsrecht des Religionsfriedens nur
auf die Kurfürsten und Fürsten beziehe, nicht aber auf die Städte. Allein die Städte, welche die Reforma-
tion vor dem Jahr 1555 eingeführt hätten, dürften an ihr festhalten. Darüber hinaus stellten die Kommis-
sare die Reichsstandschaft Hagenaus und die der anderen Städte der Dekapolis wegen ihrer Abhängigkeit
von der Landvogtei infrage. Damit wäre die Anwendung des Artikels 15 des Augsburger Religionsfriedens,
auf den sich Hagenau berief, überhaupt hinfällig geworden113.
Bereits vor dem Eintreffen der Kommissare hatte die städtische Führung erneut die Straßburger Syn-
dici Ludwig Gremp und Bernhard Botzheim eingeschaltet. Die beiden Juristen empfahlen den Ratsherren
ein festes und geschlossenes Auftreten gegenüber den Kommissaren. Bei einem Nachgeben in der Frage des
Reformationsrechts der Stadt fürchteten sie den Entzug weiterer Rechte und Privilegien in der
107 Vgl. Reske, Buchdrucker, S. 323.
108 AD Bas-Rhin C 5, Nr. 35 und 37.
109 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 445.
110 AD Bas-Rhin C 30, Nr. 9 und 17.
111 AM Haguenau GG 52, Nr. 4 (Schreiben vom 19. März
1574).
112 Die Verhandlungen am 17. und 18. Mai 1574 sind doku-
mentiert im „Prothocollum in causa religionis“ (AM
Haguenau GG 52, Nr. 5).
113 Vgl. Jaeger, Réformation S. 36f.; Grasser, Crises,
S. 199, Anm. 79.
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ständig verboten und die Zahl der Gäste bei den Hochzeiten deutlich reduziert, um jeden Überfluß beim
Essen und Trinken zu vermeiden, da man sonst ein weiteres Ansteigen der Preise befürchtet.
Fast stereotyp wird in allen drei Abschnitten der Zuchtordnung über die Zunahme der Laster Klage
geführt (bei uns gar uberhand genommen; dieweil solches [...] gemein geworden). Im ersten Teil der Ordnung
geht es dabei um den nachlässigen Besuch der Gottesdienste, der anscheinend bei beiden Konfessionen zu
beobachten war, da der Rat ausdrücklich betont, daß die Freiheit bei der Wahl der Konfession nicht die
Freiheit von der Pflicht zum Besuch der Gottesdienste beinhalte. Der zweite Teil der Ordnung behandelt
das Gotteslästern, die Flüche und Schwüre, der dritte und zugleich umfangreichste Teil die gesamte Band-
breite der sexuellen Vergehen (Ehebruch, Hurerei etc.), der Völlerei sowie die Bereiche Tanz und Spiel. Bei
den sexuellen Vergehen wird der Ehebruch am härtesten bestraft; die in anderen Zuchtordnungen vorhan-
dene Abstufung des Strafmaßes nach der Zahl der Vergehen fehlt hier aber. Die Themen Kuppelei und
Eheabsprachen wurden 1587 nochmals in einem eigenen Mandat (Nr. 7) aufgegriffen, dort jedoch mit einer
anderen Akzentsetzung.
Die Zuchtordnung ist als eines der wenigen Hagenauer Mandate dieser Zeit gedruckt worden, mögli-
cherweise in Straßburg, da die Stadt nach 1557 selbst keine eigene Druckerei mehr besaß107. Das Heft mit
acht Blättern war für die Verlesung der Ordnung auf den Zunftstuben bestimmt, die alle Vierteljahr statt-
finden sollte.
6. Vereinbarung zwischen der Stadt Hagenau und der Reichslandvogtei in Religionsfragen, 26. Juli 1578
(Text S. 448)
Auf Drängen Erzherzog Ferdinands übertrug Kaiser Maximilian II. die Durchsetzung seiner Weisung vom
27. Juli 1566 einer Kommission, die aber nicht tätig geworden zu sein scheint108. Vielmehr wurde 1571 eine
neue Kommission gebildet; ein Treffen mit dieser lehnte der Rat der Stadt Hagenau jedoch ab109. Statt-
dessen wandte er sich 1572 selbst an den Kaiser. Wie schon in seinem Schreiben vom Oktober 1566 berief er
sich dabei auf den Status Hagenaus als Reichsstadt und auf die Bestimmungen des Religionsfriedens. Eine
Gehorsamspflicht gegenüber dem Oberlandvogt in kirchlichen Angelegenheiten wies er nochmals
zurück110. Im März 1574 wurde die Stadt dann aber vor die kaiserliche Kommission geladen111. Zwei
Monate später, am 17. Mai, trafen die Kommissare in Hagenau ein112. Sie forderten die Rücknahme aller
kirchlichen Neuerungen und die Entlassung der evangelischen Geistlichen entsprechend dem kaiserlichen
Befehl vom Juli 1566. Dabei machten sie geltend, daß sich das Reformationsrecht des Religionsfriedens nur
auf die Kurfürsten und Fürsten beziehe, nicht aber auf die Städte. Allein die Städte, welche die Reforma-
tion vor dem Jahr 1555 eingeführt hätten, dürften an ihr festhalten. Darüber hinaus stellten die Kommis-
sare die Reichsstandschaft Hagenaus und die der anderen Städte der Dekapolis wegen ihrer Abhängigkeit
von der Landvogtei infrage. Damit wäre die Anwendung des Artikels 15 des Augsburger Religionsfriedens,
auf den sich Hagenau berief, überhaupt hinfällig geworden113.
Bereits vor dem Eintreffen der Kommissare hatte die städtische Führung erneut die Straßburger Syn-
dici Ludwig Gremp und Bernhard Botzheim eingeschaltet. Die beiden Juristen empfahlen den Ratsherren
ein festes und geschlossenes Auftreten gegenüber den Kommissaren. Bei einem Nachgeben in der Frage des
Reformationsrechts der Stadt fürchteten sie den Entzug weiterer Rechte und Privilegien in der
107 Vgl. Reske, Buchdrucker, S. 323.
108 AD Bas-Rhin C 5, Nr. 35 und 37.
109 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 445.
110 AD Bas-Rhin C 30, Nr. 9 und 17.
111 AM Haguenau GG 52, Nr. 4 (Schreiben vom 19. März
1574).
112 Die Verhandlungen am 17. und 18. Mai 1574 sind doku-
mentiert im „Prothocollum in causa religionis“ (AM
Haguenau GG 52, Nr. 5).
113 Vgl. Jaeger, Réformation S. 36f.; Grasser, Crises,
S. 199, Anm. 79.
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