Einleitung
Zukunft114. Der Magistrat lehnte entsprechend eine Befragung der einzelnen Ratsherren durch die Kom-
missare ab. Da der Status Hagenaus als Reichsstadt gefährdet schien, schlossen sich auch die katholischen
Mitglieder des Rates der ablehnenden Haltung gegenüber den Kommissaren an115.
Die Kommissare verließen die Stadt unter Androhung der kaiserlichen Ungnade. Hagenau wandte sich
daraufhin an den Städtetag, der sich am 22. August 1574 in Speyer versammelte. Dieser sagte die Unter-
stützung einer Gesandtschaft an den Kaiser durch Räte Nürnbergs und Straßburgs zu116. Vom November
1574 bis zum Januar 1575 verhandelte eine Delegation, welcher der Hagenauer Stettmeister Rochus Botz-
heim und zwei Vertreter der Stadt Colmar angehörten, in Wien am Kaiserhof117.In seiner Antwort auf den
Protest der Gesandten erklärte Kaiser Maximilian II., es sei nicht seine Absicht, den Reichsstädten an
ihrem herbrachten stand, auch habenden freiheiten, rechten und gerechtigkeiten ichtes zu praeiudicieren118. Das
Vorgehen der kaiserlichen Kommissare in Hagenau im Jahr 1574 gehörte auch zu den Gravamina der Städte
auf dem Augsburger Reichstag von 1582119.
Die Einführung der Reformation in Colmar, der nach Hagenau bedeutendsten Stadt der Dekapolis, im
Mai 1575 stärkte die Position der evangelischen Seite120. Im Oktober 1576 starb Kaiser Maximilian II.; sein
Nachfolger Rudolf II. berief in der Hagenauer Angelegenheit eine neue Kommission, die anscheinend aber
erst im Sommer 1578 zusammentrat121. Dieser Kommission, der u.a. auch Lazarus von Schwendi angehörte,
gelang es schließlich, eine Vereinbarung zwischen der Stadt und der Reichslandvogtei zu erzielen. In dieser
fand die Position Hagenaus, die Reformation auf der Grundlage des Augsburger Religionsfriedens einzu-
führen, zwar keine Anerkennung; der evangelische Gottesdienst wurde aber in der Stadt zugelassen122.
Wie problematisch das Nebeneinander der beiden Konfessionen trotz der Vereinbarung war, zeigen die
Klagen der altgläubigen Seite über die schlechte Behandlung ihrer Geistlichen gegenüber dem evangelischen
Prädikanten und seinem Helfer. Immer wieder beschwerte sich der Unterlandvogt Nikolaus Bollweiler in
seinen Briefen über die Bevorzugung der evangelischen Pfarrer. Den Ratsherren, welchen nach dem Über-
gang der Pfarreien St. Georg und St. Nikolaus an die Stadt im Jahr 1535 die Verwaltung der Pfarrgüter und
auch die Ernennung der Pfarrer oblag, warf er vor, bewußt alle guten Kandidaten zu vergraulen, um der
katholischen Seite zu schaden123. In einem Brief vom 23. Juni 1575 ermahnte Erzherzog Ferdinand den Rat
der Stadt Hagenau deshalb ernstlich, die beiden Pfarrkirchen mit qualificierten catholischen priestern zu
versehen124.
Nach den von Jean-Paul Grasser überlieferten Zahlen herrschte ein deutliches Ungleichgewicht in der
Bezahlung der Geistlichen der beiden Konfessionen: So bezogen der evangelische Pfarrer Philipp Heerbrand
und sein Diakon im Jahr 1566 eine Summe von 200 Pfund (ohne Behausung); der katholische Pfarrer an St.
Georg und die drei Kapläne mußten sich hingegen mit 140 Pfund begnügen125. Auch nach der Vereinbarung
von 1578 scheint sich an der ungleichen Verteilung nicht viel geändert zu haben: So beschwerte sich Kaiser
Rudolf II. 1579 und 1582 über die geringen Einkünfte (competens) der katholischen Geistlichen; 1585 hielt
114 Die Stellungnahme von Gremp und Botzheim findet sich
in AM Haguenau GG 52, Nr. 2: [...] das ewer erbarn rats-
herren für einen mann standen und sich durch kein practic
noch persuasion inn einichen weg nit trennen laßen, sonder
mannlich und beharlich zusammen hallten und solches
rund [...] verweigern und abschlagen. [...] so sind sie nit
allein umb das vornembste stuck irer reichsfreyheiten kum-
men, sunder haben auch nichts gewißers zugewartten, dann
das sie inn andern vil ringern stucken von tag zu tag je
lenger je mehr weichen und nachgeben müssen.
115 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 445; Grasser,
Crises, S. 200, Anm. 80.
116 Vgl. RTA, Reichsversammlungen, Der Reichstag zu
Augsburg 1582, Bd. 2, Nr. 252, S. 960f., Anm. 14.
117 Vgl. Greyerz, City Reformation, S. 109.
118 Vgl. RTA, Reichsversammlungen, Der Reichstag zu
Augsburg 1582, Bd. 2, Beilage zu Nr. 247, S. 942f.
119 Ebd., Bd. 2, Nr. 252, S. 960f.
120 Vgl. dazu den Abschnitt zu Colmar S. 476-478.
121 Vgl. Hanauer, Protestantisme, S. 164.
122 Vgl. Jaeger, Réformation, S. 40.
123 Vgl. Grasser, Crises, S. 162.
124 AM Haguenau GG 52, Nr. 7.
125 Grasser, Crises, S. 200, Anm. 88. Bei diesen Zahlen ist
jedoch zu berücksichtigen, daß die evangelischen Geist-
lichen in der Regel verheiratet waren und eine Familie
besaßen.
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Zukunft114. Der Magistrat lehnte entsprechend eine Befragung der einzelnen Ratsherren durch die Kom-
missare ab. Da der Status Hagenaus als Reichsstadt gefährdet schien, schlossen sich auch die katholischen
Mitglieder des Rates der ablehnenden Haltung gegenüber den Kommissaren an115.
Die Kommissare verließen die Stadt unter Androhung der kaiserlichen Ungnade. Hagenau wandte sich
daraufhin an den Städtetag, der sich am 22. August 1574 in Speyer versammelte. Dieser sagte die Unter-
stützung einer Gesandtschaft an den Kaiser durch Räte Nürnbergs und Straßburgs zu116. Vom November
1574 bis zum Januar 1575 verhandelte eine Delegation, welcher der Hagenauer Stettmeister Rochus Botz-
heim und zwei Vertreter der Stadt Colmar angehörten, in Wien am Kaiserhof117.In seiner Antwort auf den
Protest der Gesandten erklärte Kaiser Maximilian II., es sei nicht seine Absicht, den Reichsstädten an
ihrem herbrachten stand, auch habenden freiheiten, rechten und gerechtigkeiten ichtes zu praeiudicieren118. Das
Vorgehen der kaiserlichen Kommissare in Hagenau im Jahr 1574 gehörte auch zu den Gravamina der Städte
auf dem Augsburger Reichstag von 1582119.
Die Einführung der Reformation in Colmar, der nach Hagenau bedeutendsten Stadt der Dekapolis, im
Mai 1575 stärkte die Position der evangelischen Seite120. Im Oktober 1576 starb Kaiser Maximilian II.; sein
Nachfolger Rudolf II. berief in der Hagenauer Angelegenheit eine neue Kommission, die anscheinend aber
erst im Sommer 1578 zusammentrat121. Dieser Kommission, der u.a. auch Lazarus von Schwendi angehörte,
gelang es schließlich, eine Vereinbarung zwischen der Stadt und der Reichslandvogtei zu erzielen. In dieser
fand die Position Hagenaus, die Reformation auf der Grundlage des Augsburger Religionsfriedens einzu-
führen, zwar keine Anerkennung; der evangelische Gottesdienst wurde aber in der Stadt zugelassen122.
Wie problematisch das Nebeneinander der beiden Konfessionen trotz der Vereinbarung war, zeigen die
Klagen der altgläubigen Seite über die schlechte Behandlung ihrer Geistlichen gegenüber dem evangelischen
Prädikanten und seinem Helfer. Immer wieder beschwerte sich der Unterlandvogt Nikolaus Bollweiler in
seinen Briefen über die Bevorzugung der evangelischen Pfarrer. Den Ratsherren, welchen nach dem Über-
gang der Pfarreien St. Georg und St. Nikolaus an die Stadt im Jahr 1535 die Verwaltung der Pfarrgüter und
auch die Ernennung der Pfarrer oblag, warf er vor, bewußt alle guten Kandidaten zu vergraulen, um der
katholischen Seite zu schaden123. In einem Brief vom 23. Juni 1575 ermahnte Erzherzog Ferdinand den Rat
der Stadt Hagenau deshalb ernstlich, die beiden Pfarrkirchen mit qualificierten catholischen priestern zu
versehen124.
Nach den von Jean-Paul Grasser überlieferten Zahlen herrschte ein deutliches Ungleichgewicht in der
Bezahlung der Geistlichen der beiden Konfessionen: So bezogen der evangelische Pfarrer Philipp Heerbrand
und sein Diakon im Jahr 1566 eine Summe von 200 Pfund (ohne Behausung); der katholische Pfarrer an St.
Georg und die drei Kapläne mußten sich hingegen mit 140 Pfund begnügen125. Auch nach der Vereinbarung
von 1578 scheint sich an der ungleichen Verteilung nicht viel geändert zu haben: So beschwerte sich Kaiser
Rudolf II. 1579 und 1582 über die geringen Einkünfte (competens) der katholischen Geistlichen; 1585 hielt
114 Die Stellungnahme von Gremp und Botzheim findet sich
in AM Haguenau GG 52, Nr. 2: [...] das ewer erbarn rats-
herren für einen mann standen und sich durch kein practic
noch persuasion inn einichen weg nit trennen laßen, sonder
mannlich und beharlich zusammen hallten und solches
rund [...] verweigern und abschlagen. [...] so sind sie nit
allein umb das vornembste stuck irer reichsfreyheiten kum-
men, sunder haben auch nichts gewißers zugewartten, dann
das sie inn andern vil ringern stucken von tag zu tag je
lenger je mehr weichen und nachgeben müssen.
115 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 445; Grasser,
Crises, S. 200, Anm. 80.
116 Vgl. RTA, Reichsversammlungen, Der Reichstag zu
Augsburg 1582, Bd. 2, Nr. 252, S. 960f., Anm. 14.
117 Vgl. Greyerz, City Reformation, S. 109.
118 Vgl. RTA, Reichsversammlungen, Der Reichstag zu
Augsburg 1582, Bd. 2, Beilage zu Nr. 247, S. 942f.
119 Ebd., Bd. 2, Nr. 252, S. 960f.
120 Vgl. dazu den Abschnitt zu Colmar S. 476-478.
121 Vgl. Hanauer, Protestantisme, S. 164.
122 Vgl. Jaeger, Réformation, S. 40.
123 Vgl. Grasser, Crises, S. 162.
124 AM Haguenau GG 52, Nr. 7.
125 Grasser, Crises, S. 200, Anm. 88. Bei diesen Zahlen ist
jedoch zu berücksichtigen, daß die evangelischen Geist-
lichen in der Regel verheiratet waren und eine Familie
besaßen.
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