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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0436
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Hagenau

er der Stadt sogar Vertragsbruch vor, da die Bezüge der Pfarrer von St. Georg und St. Nikolaus nicht zum
Unterhalt reichten126.
7. Mandat gegen Kuppelei und heimliche Eheabsprachen, 22. Februar 1587 (Text. S. 452)
Die Jahre nach der 1578 zwischen der Stadt und der Reichslandvogtei vermittelten Vereinbarung brachten
eine Zeit der Blüte für die evangelische Gemeinde in Hagenau. Die Zahl der Evangelischen unter den
Bewohnern stieg deutlich an127. Zu ihrer seelsorgerlichen Betreuung wurde deshalb 1581 ein zweiter Diakon
angestellt. Vor allem unter den führenden Familien der Stadt gehörten viele zu den Evangelischen128.
Über die Ausgestaltung des Lebens der evangelischen Gemeinde bleiben die Dokumente des Hagenauer
Archivs jedoch vielfach stumm. So gibt es auch keine Informationen darüber, ob es in Hagenau, wie 1581 in
Colmar129, zur Schaffung eines Ehegerichts kam. Neben der umfassenden Zuchtordnung von 1571 (Nr. 5)
ist lediglich ein Mandat gegen Kuppelei und heimliche Eheabsprachen vom Februar 1587 überliefert, das
die Bestimmungen der Zuchtordnung ergänzt. In diesem Mandat werden die verschiedenen Formen der
Kuppelei (so wol die so zu ehren als die zu unehren) unter Strafe gestellt und die daraus hervorgegangenen
Verlobungen bzw. Ehen für ungültig erklärt. Auch die zwischen Söhnen und Töchtern ohne die Zustimmung
der Eltern oder der Vormünder geschlossenen Verbindungen sind ungültig; den Pfarrern wird ihre Ausru-
fung und Einsegnung strikt untersagt.
Das Mandat ist als einer der letzten Erlasse des sogenannten „Alten Statutenbuchs“ überliefert. Die
Anlage des Statutenbuchs ging auf einen Beschluß von Stettmeister und Rat vom 18. Juni 1339 zurück; die
vorliegende Gestalt des Buchs stammt aber aus der zweiten Hälfte des 15. Jh.130
8. Verbot jeglicher Angriffe und Diskussionen wegen der Religion, 3. Juni 1588 (Text S. 454)
Das Jahr 1585 markiert den Beginn einer katholischen Gegenbewegung in Hagenau131. Es kam zu ersten
Spannungen innerhalb der Stadt. Ihr Auslöser waren die Predigten des im Juni 1584 zum Pfarrer von
St. Georg berufenen Bernhard Brand aus Ladenburg. In seinen Predigten hatte Brand die Evangelischen
mehrfach scharf angegriffen. Der Rat leitete deshalb im März 1585 eine Untersuchung ein und enthob
Brand zwei Monate später seines Amtes132. Auf die Initiative des Unterlandvogts Nikolaus Bollweiler, der
die Entlassung als Reaktion des „protestantischen“ Rates auf Brands Erfolge bei der Mobilisierung der
Gläubigen wertete, kam es zur Einrichtung einer Predigerstelle für Brand im Augustinerkloster133. Zwei
Aufforderungen des Rates an den Provinzial der Augustiner in Mainz, Brand von dort zu entfernen, weil er
mit seinen Predigten gegen den Religionsfrieden verstoße, blieben ohne Erfolg134. Am 4. Juli 1585 erließ der
Rat daraufhin ein Verbot, die Augustinerkirche zu besuchen. Bei seinem Erlaß stützte er sich auf ein von
dem Straßburger Syndicus Johannes Nervius135 erstelltes Gutachten, wonach der Unterlandvogt kein Recht
zur Installation des Pfarrers bei den Augustinern besessen habe. Nur einen Tag später protestierte Boll-

126 AM Haguenau GG 53, Nr. 19. Nach Grasser, Crises,
S. 165 betrug das Einkommen der acht katholischen
Geistlichen im Jahr 1586 zusammen 425 Pfund, das der
drei evangelischen (Pfarrer und jetzt zwei Diakone) 470
Pfund.
127 Die von Jaeger, Réformation, S. 44 vermuteten deux
tiers de la population dürften aber wohl zu hoch gegriffen
sein.
128 Vgl. die Liste der Familien ebd., S. 45.
129 Vgl. die Einleitung zu Colmar, S. 483f.
130 Vgl. die Einleitung zu Hanauer / Klélé, Statuten-
buch, S. XVII-XXII. Ein neues Statutenbuch wurde

erst im 17. Jh. angelegt; dessen Vorrede datiert vom 3.
Februar 1676.
131 Vgl. dazu Jaeger, Réformation, S. 45-48, Hanauer,
Protestantisme, S. 212ff. sowie Grasser, Crises,
S.165-169.
132 AM Haguenau GG 53, Nr. 1 und 2 (mit Zeugenberichten
in Sachen Bernhard Brand).
133 Vgl. Grasser, Crises, S. 165.
134 AM Haguenau GG 53, Nr. 8-10 sowie Nr. 16-18.
135 Zu Johannes Nervius vgl. Sehling, EKO XX,1, S. 502,
Anm. 9 sowie in diesem Band Colmar Nr. 1.

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