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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Dörner, Gerald [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0437
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Einleitung

weiler gegen das Verbot; der Unterlandvogt sah in dieser Maßnahme nun seinerseits eine Mißachtung des
Religionsfriedens136. Auf Veranlassung Bollweilers ermahnte Kaiser Rudolf II. in einem Schreiben vom 14.
November 1585 die städtische Führung, Brand unvertrieben zu lassen137 Im Mai des folgenden Jahres
befand sich Brand noch immer auf seiner Stelle. Um den Frieden in der Stadt wiederherzustellen, erließen
Stettmeister und Rat im August 1587 ein Mandat, wonach jeder Bewohner Hagenaus den anderen wegen
seines Glaubens annehmen und dulden solle138. Das Mandat, das nicht mehr erhalten zu sein scheint, wird
in dem vorliegenden Dekret vom 3. Juni 1588 angeführt.
9. Erklärung der evangelischen Ratsmitglieder, 11. / 21. April 1603 (Text S. 455)
Im Laufe der neunziger Jahre verschoben sich die Mehrheitsverhältnisse im Hagenauer Stadtrat zu Gun-
sten der altgläubigen Seite. Bereits 1596 klagte der protestantische Stettmeister Daniel Hecker über das
wachsende Ungleichgewicht in dem Gremium: Entgegen der in der Vereinbarung von 1578 versprochenen
Parität der beiden Konfessionen in der Stadt würden nurmehr Katholiken in den Rat gewählt, während die
Evangelischen davon ausgeschlossen blieben139. Vor allem in den Reihen der XXIV scheinen die Altgläu-
bigen stark an Boden gewonnen zu haben, während die Protestanten zu dieser Zeit den Schöffenrat noch
dominierten. Auch freiwerdende Ämter, wie etwa das des Rektors der Lateinschule, wurden nun vorrangig
mit Katholiken besetzt (s. unten Nr. 11). In ihrer Eingabe vom 12. Januar 1601 erhoben die Evangelischen
deshalb den Vorwurf, das die der Augspurgischen confession zugethanen [...] vilfältig übergangen [...], gleich
[als] ob keiner [...] düchtig, ämpter zutragen140.
Hinzu kamen Entscheidungen des Rates, welche die evangelische Seite als Angriff auf ihre Rechte
verstehen mußte. So weigerte sich die katholische Ratsmehrheit nach dem Tod des zweiten Diakons
Michael Bock im August 1602, mit dem Hinweis auf die angeschlagene finanzielle Situation der Kirchen-
fabrik, die Besoldung dieser Stelle weiterhin zu tragen. Dabei argumentierte sie, daß die Stelle erst 1581,
also nach dem vom Kaiser approbierten Vergleich von 1578 geschaffen worden sei, also eine von diesem
Vertrag und damit vom Kaiser nicht gedeckte Neuerung darstelle.
Eine weitere Eingabe von evangelischer Seite mit der Bitte um Übernahme der Besoldung durch die
Stadt wiesen die Ratsherren am 17. Januar 1603 zurück. Die Berufung eines zweiten Helfers auf eigene
Kosten stellte man der Gemeinde frei. In der Zwischenzeit hatten sich die Kirchenpfleger der evangelischen
Gemeinde anscheinend bereits an Herzog Friedrich von Württemberg gewandt mit der Bitte um Überlas-
sung eines Geistlichen. Den Kirchenpflegern, meist selbst Mitglieder des Rates, wurde deshalb vorgehalten,
ihre Gehorsamspflicht gegenüber der Stadt und dem Kaiser mißachtet und einem fremden Herrn hoheit-
liche Rechte zugebilligt zu haben. Die Spannungen zwischen den katholischen und den evangelischen Räten
verschärften sich zusätzlich noch durch die Einführung des Gregorianischen Kalenders.
Die evangelischen Ratsmitglieder sahen sich deshalb im April 1603 zu einer offiziellen „Erklärung und
Gegenprotestation“ veranlaßt. Darin wehrten sie sich gegen den Vorwurf, mit der Kontaktaufnahme zu
Herzog Friedrich von Württemberg die Autorität des städtischen Rates und des Kaisers in Frage gestellt zu
haben. Sie wiesen darauf hin, daß die württembergischen Herzöge in der Vergangenheit bei der Berufung
evangelischer Kirchen- und Schuldiener stets eingeschaltet worden seien. Mit Blick auf die Ermahnung
beider Konfessionen in den Reichsstädten zu Frieden und gegenseitiger Achtung im Augsburger Religions-
frieden warnten sie vor den Folgen, wenn aufgrund zufälliger Ratsmehrheiten ein Teil der Bevölkerung zur
Annahme der katholischen oder der evangelischen Lehre gezwungen würde. Die „Erklärung“ der evange-
136 Der Brief Bollweilers befindet sich in AD Bas-Rhin 138 Vgl. auch Grasser, Crises, S. 167.
C 31, Nr. 87. In diesem wird auch der Erlaß des Hage- 139 Vgl. Hanauer, Protestantisme, S. 245f.
nauer Rates zitiert. 140 AM Haguenau GG 54, Nr. 3.
137 AM Haguenau GG 53, Nr. 19.

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