Evangelische Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts

4. Rechtfertigung der Einführung der Reformation [1566]

undertheniger entschuldigung lund gegebenen ant-
wurtl von wegen vile obligender hochwichtigster ge-
schefft nit mher ingedenck gewest, mauch sich selbst
deß religionsfridens nit gnugsamlich erinnert habe.
Dan, wo solchs geschehen, so setzen wir in keynen
zweyfel, E[wer] key[serliche] may[estat] wurde uns
solches zweiten befelchs gnedigst und vetterlich
uberhebt40 haben, wie wir dan nachmals gentzlich
persuadiert41 seind, das E[wer] key[serlichen]
may[estat] intent42 und meynung gar nit seym, uns
wider den außtrucklichen inhalt deß religionsfridens
zubeschweren oder | unmiltiglich dahin zutringen,
das wir wider unser eigen gewißen das jhenige aller
dings uffheben und abthun solten, das wir als crist-
lich und dem wort Gottes gemeß, zu viler menschen
trost und heyl, wolbedachtlich haben uffrichten las-
sen, damit wir dan viler frommer, guthertziger con-
scientz hochlich betrueben, auch die gottliche
maiestet n(deren man vor allen dingen zu gehorsa-
men schuldig43)n beschwerlich belaydigen, bey me-
niglichen grosse ergernuß verursachen, obey gemey-
ner burgerschafft vil unwillens und zwitracht erre-
geno, und uns bey vilen hohen und nidern stenden
ein seer nachredlichen verwiß44 erwecken, pauch uns
in eyn ewigen veracht coniiciernp unnd, in summa,
uns selbst auß dem religionsfriden gentzlich und al-
ler dings setzen45 wurden.
Dan derselbig vermag je clarlich unnd außtrucken-
lich, das kein stand deß reichs von wegen der Augs-

habe bewegen lassen, das auch Ewer keyserliche maye-
stat.
l-l Erg. am Rand.
m-m Erg. am Rand.
n-nErg. am Rand.
ο-ο Erg. am Rand.
p-p Erg. am Rand.
q-q Erg. am Rand.
r-r Erg. am Rand.
s Korr. aus: der.
t-tErg. am Rand.
u Gestr.: oder vor andern.
v Gestr.: soll.
w Gestr.: soll.

40 Überhoben, erlassen, s. Grimm, DWb 23, Sp. 308.

purgischen confession und derselbigen leer und ce-
remonien wider sein conscientz, gewissen und willen,
durch mandat oder sonst in eynische andere gestallt
getrungen oder beschwerdt, sondern bey solcher re-
ligion, glauben, kirchen, preuchen, ordnungen und
ceremonien, so uffgericht oder nachmals uffgericht
werden mochten, ruwiglich und fridlich gelassen
werden soll etc.46
Weyl uns dan der religionsfriden mit rotunden47,
hellen worten zugibt, das wir die Augspurgisch con-
fession und derselben ceremonien in allen kirchen
hetten uffrichten und die alt gentzlich abschaffen
megen, und wir aber solches nit gethon, sonder al-
lein ein kirch, qso ettlich jar lang vaciertq48, zu der
Augspurgischen confession verordnet roder ingeno-
menr und die andern alle bey irer herprachten reli-
gion rewiglich pleiben lassen haben, so wollen wir
uns underthenigst getrosten49, E[wer] key[serliche]
may[estat] werde uns dies gutthat deß religionsfri-
dens nit zu benemen50 begern, sonder uns dabei vet-
terlich pleiben lassen, bevorab51 weyl dero geliebter
her vatter selbst durch ein gemeine reichs constitu-
tion geordnet, das kein declaration oder etwas an-
ders, tauch auß volkhomenheitt, so demselbigen ver-
hindernu mocht, angenommen werdenv, sonder
solchs alles von unwurden und uncrefften seinw und
daruff weder in oder ausserhalb rechtens nichts ge-
handelt oder gesprochen werden soll etc.52

41 Überzeugt, s. Grimm, DWb 13, Sp. 1569.
42 Absicht, s. FWb 8, Sp. 168f.
43 Vgl. Apg 5,29.
44 Böse Nachrede, s. Grimm, DWb 13, Sp. 101.
45 Außsetzen = ausnehmen, ausschließen.
46 Hier wird der Art. 15 des Augsburger Religionsfriedens
zitiert, s. RTA, JR 20,4, Nr. 390, S. 3108f. Vgl. dazu
auch unter Colmar Nr. 1, S. 493.
47 Runden, s. Lexer 2, Sp. 509.
48 Gemeint ist die Franziskanerkirche, vgl. dazu die Ein-
leitung S. 405.
49 Darauf vertrauen, s. FWb 6, Sp. 1751f.
50 Entziehen, s. FWb 3, Sp. 1286-1288.
51 Insbesondere.
52 Vgl. RTA, JR 20,4, Nr. 390, S. 3113 (Art. 28).

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