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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0479
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9. Erklärung der evangelischen Ratsmitglieder 1603

man den malefitz personen43 allein priester der alt-
ten religion hat ufftringen wöllend, sich ihre maye-
stat über solchem stritt allergnedigst dahin ercleert,
das man inen ihrem begern noch eintweder ein prie-
ster der altten religion oder aber der Augsp[urgi-
schen] Confession praedicanten einen zuordnen
soltte44.
Ist nun das vonn der kay[serlichen] mayestat den
malefitz personen gut geheisen worden, das sie nach
ihrem gefallen | trost vonn priestern oder praedican-
ten inn ihren vorstehenden sterbensnöthen suchen
mögen, so würd one allen zweiffel bey irer kay[ser-
lichen] mayestat noch allerunderthenigst unnd
gehorsamist uff erheischenden notfall künden ent-
schuldigt werden, das wir unß und unsere evangeli-
sche burgerschafft mit notwendigen kirchendienern
zuversehen begehrn, da man sich denn billich erin-
nern soll, das weilund allerhöchstgedachte keiß[er-
liche] mayestat Maximilianus es bey anndern frey-
und reichsstetten, welchen inn der Augsp[urgischen]
Confession hat eintrag geschehen wöllen, also ge-
halten, unnd dahin gehandelt worden, das man die
burgerschafft bey irem exercitio religionis ruwig hat
müssen bleiben lassen, wie man nicht weniger bey
der jezt regierenden röm[ischen] kay[serlichen] ma-
yestat dergleichen exempel auch hatt.
Dann, ob wir unß wohl zu berichten45 wissen, das
man bey dem anfang der religion Augsp[urgischer]
Confession mer nit alß zwo personen zun Barfüesern
gehabt46, so ist es doch an dem, das man seit anno
d Erg. über der Zeile.
e Erg. am Rand.
f Korr. aus: kirchen.

43 Straftäter, s. DRW 9, Sp. 73f., vor allem diejenigen, die
zum Tode verurteilt worden sind (Grimm, DWb 12,
Sp. 1500). Zur seelsorgerlichen Betreuung vor der Hin-
richtung vgl. Sehling, EKO XX,1, Nr. 61, S. 657-659
„Unterricht und Trost für die arme Sünder, so zum Tode
verurtheilet sind“.
44 Mandat Kaiser Rudolfs II. vom 18. Oktober 1576 (AM
Haguenau GG 52, Nr. 10). Der Streit war im Januar
1567 ausgebrochen, als ein wegen Sodomie Angeklagter
den geistlichen Beistand des lutherischen Pfarrers Phil-
ipp Heerbrand verlangte, der Schultheiß Michael von
Ampringen dies aber ablehnte. Zum Verlauf der Ausein-

etc. 82 und jezt inn die 20 jar, ohne alle contradic-
tion unnd einige beschweerung, jederzeit 3 personen
hochnotwendig bey unserer kirchen hat gebrauchen
müssen, inn ansehung, das sich die burgerschaft seer
gemehrt, unnd das es darumb desto nötiger, dieweil
unser pfarrer altt47 unnd der helffer ein valetudina-
rius48 und sehr blöder49 mann ist. Daheer wir ursach
gnug, bey einer so starcken anzahl der gemein, wel-
che inn der statt hin unnd wider weit außgebreit
und deren auch nicht wenigere alß deren vonn der
alten religion sein, unns mit noch einem ann deß
vacierenden herrn Michel Bocken, seeligen, stell zu-
versehen, damit auf alle fell die glieder unserer
christlichen gemeinf mit nothwendigen trost und |
den h. sacramenten jederzeyt mögen versehen wer-
den. Unnd wie man bißanhero in dißen 20 jaren,
also obgemeldt, ab der underhaltung des 3. predi-
gers sich nie beschwerdt, also het man sich billich
derselben noch nit50 beschweren sollen, dieweil sie
vonn dem einkommen, deren sich ein erbarer rath
von gemeiner statt wegen gemächtigt unnd welche
billich gemeiner burgerschafft zugehörn, werden ge-
nommen.
Wir erinnern unß zwar, das von wegen der beharr-
lichen contributionen unnd unvermögen die under-
haltung nit mehr zugeben vorgewendt worden. Her-
gegen aber, so wissen wir, das die contributiones
bißheer zu solcher underhaltung nicht angewendet,
unnd das wir mit andern diß ortts gleichen last tra-
gen unnd auch denselben hinfüro der kay[serlichen]
mayestat unnd gemeiner christenheit zum besten
andersetzung, die zeitweise zur Lähmung des Gerichts-
wesens in Hagenau führte, vgl. Hanauer, Protestan-
tisme, S. 161-164 sowie Grasser, Crises, S. 161 und
S. 200, Anm. 82.
46 Hier wohl: erinnern.
46 Den Pfarrer und einen Diakon.
47 Das Geburtsjahr des in Vaihingen / Enz geborenen Pfar-
rers Georg Volmar ist nicht bekannt. Volmar war aber
bereits 1571 als Diakon nach Hagenau gekommen; 1575
trat er dann die Nachfolge des verstorbenen Philipp
Heerbrand als Pfarrer an. Vgl. Bopp, Geistliche,
Nr. 5384.
48 Kränklicher Mann.
49 Schwacher, gebrechlicher, s. FWb 4, Sp. 634f.
50 Erst recht nicht.

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