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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Dörner, Gerald [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0492
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Colmar

schen Adel und Bürgern (gemeinen lüten) vor. Zu den Ratsherren traten nun fortan die von den Zünften
gewählten Zunftmeister hinzu10. Ein letzter Aufstand des Adels, der vom Landvogt und den Städten der
Dekapolis niedergeschlagen wurde, führte 1360 zu einer deutlichen Verschiebung der Gewichte innerhalb
der städtischen Führung: Von der in der neuen Verfassung festgelegten Zahl von 30 Ratssitzen entfielen
nurmehr acht auf den Adel sowie zwei auf die mit ihm verbündeten Familien des Patriziats; die restlichen
zwanzig Sitze wurden von den Zunftmeistern der Colmarer Zünfte11 eingenommen. Die Zünfte hatten auch
das neugeschaffene Amt des Obristmeisters inne12.
Zu einer weiteren Verfassungsänderung kam es im Jahr 1521. Die Zahl der Ratsmitglieder wurde dabei
von 30 auf 24 reduziert. Von diesen stellte der Adel vier Räte; die restlichen 20 Sitze belegten die Vertreter
der nun noch zehn Zünfte13. An der Spitze der städtischen Regierung stand der jährlich gewählte Obrist-
meister. Unterstützt wurde er durch die Stett- bzw. Bürgermeister, deren Zahl 1360 auf drei festgelegt
worden war. Der Obristmeister und die drei Stettmeister bildeten zusammen mit dem Schultheißen den
Magistrat. Ein Schultheiß findet erstmals 1219 Erwähnung; im September 1425 erwarb die Stadt das Amt
von König Sigismund14.
Ein Teil des Rates mit seinen 24 Mitgliedern stellten seit 1521 die sogenannten „Dreizehner“. Bei ihnen
handelte es sich ursprünglich um Mitglieder einer Kommission von angesehenen Bürgern, die durch den
Rat gewählt wurden und diesen mit ihren Empfehlungen unterstützen sollten. Die erstmals 1424 belegte
Kommission scheint zunächst in Fragen der Sicherheit und Verteidigung konsultiert worden zu sein; später
wurde sie auch bei weiteren Themen hinzugezogen. 1521 setzte sie sich aus zehn Vertretern der Zünfte und
den drei Stettmeistern zusammen. Keine Erwähnung mehr finden 1521 die sogenannten „Achter“ oder
„Echtwer“. Anscheinend war diese Kommission, die bereits in den dreißiger Jahren des 14. Jh. erscheint, für
die Verbannung von Personen aus der Stadt zuständig.
Neben dem Rat und dem Magistrat gab es noch die Versammlung der Schöffen. Die Schöffen fungierten
als Beisitzer des Schultheißen bei Gericht. Sie wurden durch die Zünfte ernannt. Was ihre Zahl anbelangt,
gab es beträchtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Zünften: Während die bedeutendste Zunft, die der
Kaufleute und Schneider, im 16. Jh. über 20 Schöffen stellte, begnügten sich die anderen Zünfte in der Regel
mit 10-12 Vertretern. Bei wichtigen städtischen Entscheidungen wurden die Schöffen durch den Rat und
Magistrat befragt15.
In Colmar kamen dem Weinanbau und dem Weinhandel eine zentrale Rolle zu16. Den Mittelpunkt des
wirtschaftlichen Lebens bildete das „Kouffhus“, das erstmals 1370 erwähnt ist. Colmar prägte eigene Mün-
zen und gehörte dem Rappenmünzbund an. In der Allianz der Zehnstädte, die 1354 ins Leben gerufen
worden war, nahm Colmar neben Hagenau die führende Position ein. Die Gesandtschaften der Dekapolis zu
den Reichstagen rekrutierten sich in der Regel aus Delegierten dieser beiden Städte17.

10 Finsterwalder, Colmarer Stadtrechte, Nr. 94,
S. 112f.: sullen in den Rat gan und urteil sprechen als der
Rat, und in den Rat sweren als die vierundzweinzig. Vgl.
Livet, Histoire de Colmar, S. 55f.
11 Zünfte erscheinen in Colmar erstmals Ende des 13. Jh.
1356 gab es zwanzig Zünfte in der Stadt. Aufgrund der
sinkenden Einwohnerzahl und der erheblichen wirt-
schaftlichen Probleme Anfang des 16. Jh. wurde ihre
Zahl 1521 auf zehn reduziert. Vgl. Clauss, Historisch-
topographisches Wörterbuch, S. 202 und 204; Braeu-
ner / Lichtle, Dictionnaire de Colmar, S. 83f. sowie
Lucien Sittler, Les corporations et l’organisation du
travail à Colmar jusqu’au XVIIe siècle, in: Artisans et
ouvriers d’Alsace, Straßburg 1965, S. 47-77.
12 Am 15. August 1361 wurde die neue Verfassung durch

Karl IV. bestätigt, s. Finsterwalder, Colmarer
Stadtrechte, Nr. 116, S. 141-144 sowie Nr. 120, S. 147.
Vgl. Dictionnaire historique 4, S. 388; Braeuner /
Lichtle, Dictionnaire de Colmar, S. 82.
13 Finsterwalder, Colmarer Stadtrechte, Nr. 200,
S. 253-256. Vgl. Livet, Histoire de Colmar, S. 62f.
14 Finsterwalder, Colmarer Stadrechte, Nr. 173,
S. 217f.
15 Vgl. Dictionnaire historique 4, S. 388f. Zu den Mitglie-
dern der einzelnen Organe s. die Aufstellung bei Sitt-
ler, Membres.
16 Vgl. Lucien Sittler, Le commerce du vin de Colmar
jusqu’en 1789, in: Revue d’Alsace 89 (1949), S. 37-56.
17 Zur Mitgliedschaft Colmars in der Dekapolis s. den ent-
sprechenden Beitrag von Gabriel Braeuner in Vogler,

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