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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0507
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Einleitung

10. Eheordnung, [vor 1593] (Text S. 525)
Im sogenannten „Alten Rotbuch“ der Stadt Colmar, einer Sammlung der Beschlüsse und Verordnungen des
Rates von 1362 bis zum Beginn des 15. Jh.129, ist für das Jahr 1372 ein erstes Mandat zum Eherecht
überliefert. Darin legt der Rat fest, daß ein Partner, der den anderen vergeblich vor dem bischöflichen
Gericht um die Ehe „angesprochen“ hat, diesem die durch den Prozeß entstandenen Kosten ersetzen soll
(iren schaden ablegen)130. Mit dieser Bestimmung, die sich auch in den Gesetzessammlungen anderer Städte
wiederfindet, sollte das überhandnehmende Prozessieren vor dem geistlichen Gericht eingedämmt werden.
Nach der Schaffung des Colmarer Ehegerichts im Jahr 1581 (s. die Erläuterungen zu Nr. 6, oben
S. 483f.) muß es zum Entwurf der Eheordnung gekommen sein, da das Gericht in der Ordnung bei der
Behandlung der Frage der Scheidung nach der Desertion eines Ehepartners erwähnt ist. Die Eheordnung
selbst ist dann in die 1593 angelegte Sammlung „Der Stadt Colmar Municipal Stadt-Recht“ (AM Colmar
FF 58)131 aufgenommen worden.
Wie in anderen Städten ist auch bei der Colmarer Eheordnung ein vorrangiges Ziel die Unterbindung
heimlicher Eheabsprachen der Paare. Die Colmarer Ordnung geht dabei aber insofern über vergleichbare
Regelungen hinaus, als sie neben der Gegenwart von Zeugen bei der Eheabsprache noch deren Dokumen-
tation durch den Stadtschreiber im Ratsprotokoll verlangt132. Eine Besonderheit der Colmarer Ordnung
stellt auch die Definition des Wortes „Eheleute“ dar: Nach dieser Definition kommt eine Ehe nicht schon
durch die Absprache zwischen Mann und Frau zustande, sondern erst durch die Verlobung mit Handschlag
und den öffentlichen Kirchgang (bei Witwen durch den Handschlag und den Vollzug der Ehe). Die häufig in
anderen Ordnungen anzutreffenden Bestimmungen zur Abkündigung der Ehe auf der Kanzel und die zum
Teil detaillierten Anweisungen zum Kirchgang fehlen hier dagegen völlig133. Eine zentrale Rolle in der
Colmarer Ordnung spielen vermögensrechtliche Fragen, etwa bei verschwenderischem Verhalten oder bei
Desertion eines Ehepartners. Eine Scheidung sieht die Ordnung für den Fall einer langanhaltenden Tren-
nung vor. Die Erkrankung eines Ehepartners an Aussatz stellt dagegen keinen Scheidungsgrund dar134.
11. Mandat gegen Gotteslästerung, [vor 1593] (Text S. 528)
Siehe hierzu die Erläuterungen unter Nr. 4.
12. Hochzeitsmandat, 11. April 1601 (Text. S. 529) / 14. Hochzeitsmandat, 3. Dezember 1608 (Text S. 532)
Im „Neuen Rotbuch“ (AM Colmar BB 44) und in der Sammlung von Verordnungen im Bestand AM
Colmar FF 626 sind eine Reihe von Hochzeitsmandaten überliefert. Vom 1. Dezember 1556 datiert dabei
ein Beschluß des R,ates, wonach Paare, die zu spät zur Messe kommen, abgewiesen und zur Strafe erst in der
folgenden Woche eingesegnet werden sollen135. In der 1562 vom Rat erlassenen und 1570 erneuerten Hoch-
zeitsordnung wird die Dauer der Feierlichkeiten auf zwei Tage und die Zahl der Gäste auf 64 Personen
(Einheimische und Fremde) festgesetzt. Die Abhaltung der Gabenhochzeiten in Herbergen und Gasthäu-
sern wird untersagt; bei den Ürtenhochzeiten, bei denen die Gäste das Brautpaar nicht beschenkten, dafür
aber ihre Zeche selbst zahlten, wird der Beitrag der Gäste auf zwei Batzen begrenzt136. In einem wenige
Seiten später im „Neuen Rotbuch“ eingetragenen undatierten Mandat, das mit der Ordnung von 1562 bzw.

129 Vgl. Sittler, Inventaire, S. 8.
130 Finsterwalder, Colmarer Stadtrechte, S. 315.
131 Vgl. Sittler, Inventaire, S. 34.
132 Vgl. Frassek, Eherecht, S. 190-193 und S. 241-246;
Sehling, EKO XX,1, Nr. 11, S. 219; in diesem Band
Mülhausen Nr. 11, S. 218-220.

133 Vgl. Sehling, EKO XX,1, Nr. 11, S. 221; Nr. 30, S. 342
etc.
134 Zu den Scheidungsgründen vgl. Dietrich, Eherecht,
S. 69-74 und Frassek, Eherecht, S. 252-256.
135 AM Colmar BB 44, S. 431.
136 AM Colmar BB 44, S. 240.

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