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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0124
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Das Hochstift und die Stadt Minden

Dem kleinen weltlichen Territorium der Bischöfe von Minden stand ein geistlicher Jurisdiktionsbereich
gegenüber, der um das Fünffache größer als dieses war. Zum Bistum gehörten beträchtliche Teile der
Braunschweig-Lüneburger Fürstentümer, der Grafschaften Hoya, Ravensberg und Diepholz, ferner das
Bonifatius-Stiftin Hameln, das Zisterzienserkloster Loccum, das Zisterzienserinnenkloster Rinteln, die
Augustinerinnenklöster Mariensee, Marienwerder bei Neustadt, Wennigsen und Barsinghausen sowie die
Benediktinerinnenklöster Obernkirchen im heutigen Landkreis Schaumburg und Fischbeck an der
Weser.7 Das Bistum Minden, das dem Erzbistum Köln unterstand, wurde 1230 in zehn Archidiakonats-
bezirke unterteilt, 1261 und 1316 kamen zwei weitere hinzu, die aus den bestehenden abgetrennt worden
waren. Die Diözese umfasste rund 200 Pfarrkirchen und etwa ebenso viele diesen untergeordnete Kirchen
und Kapellen.8
Die Stadt Minden war aus einer Siedlung an der Weser entstanden, der 977 das Marktrecht verliehen
worden war. Die Kommune entwickelte sich unabhängig vom bischöflichen Immunitätsbezirk, spätestens
um 1230 war die Stadt im Rechtssinne voll ausgebildet.9 Der städtische Rat wurde von den „Vierzigern“
gewählt, die sich aus Mitgliedern der Kaufleutegilde und der Zünfte (Ämter) zusammensetzten.10
Minden gehörte der Hanse und dem Rheinischen Städtebund an.11 Vor dem Hintergrund ihrer wirt-
schaftlichen Stärke strebte die Stadt nach Emanzipation vom Bischof als ihrem Stadtherrn. Die Position
des bischöflichen Richters (Wichgraf) in der Stadt war schwach, und bis Mitte des 14. Jahrhunderts hatte
Minden sich zahlreiche Rechte ersessen oder ihrem Stadtherrn abgekauft und agierte - wie auch die Han-
sestädte Herford oder Soest - weitgehend eigenständig. Anfang des 16. Jahrhunderts hatte Minden gegen-
über dem Bischof einen derart autonomen Status erlangt, dass dieser sich gezwungen sah, Verträge mit
seiner Landstadt zu schließen.12
In Minden lag mit dem Domstift St. Petri und Gorgonii13 nicht nur die Kathedralkirche des Bistums,
hier ließen sich auch verschiedene Orden nieder. Zu den seit dem 11. Jahrhundert belegten Ansiedlungen
gehörten die Benediktinerinnen mit dem Marienstift14 und die Benediktiner mit dem Kloster St. Mauritius
(seit 1435 Mauritius und Simeon).15 In diesem Jahrhundert wurde auch das Chorherrenstift St. Martin16
gegründet. Diese drei Kirchen fungierten seit dem 15. Jahrhundert gleichzeitig als Pfarrkirchen der Stadt,
unter denen St. Martin die Hauptkirche und zugleich das Gotteshaus des Rats darstellte, da hier die
Gottesdienste anlässlich der Ratswahl gefeiert wurden. Die enge Verbindung des städtischen Magistrats mit

7 Olpp, Aus dem kirchlichen Leben, S. 44-48; Gatz, Bis-
tümer, S. 470-475; Krieg, Geschichte des Bistums,
S. 43f.; Schröer, Reformation 2, S. 24; Nordsiek, Vom
Fürstbistum, S. 251; Aschoff, Minden, S. 813; Schopp-
meyer, Ausformung, S. 22f.
8 Holscher, Beschreibung; Kohl/Gatz, Bistum, S. 56;
Nordsiek, Anfänge, S. 74-81; Olpp, Aus dem kirchli-
chen Leben, S. 44f.
9 Nordsiek, Topographie, S. 13-30; Schoppmeyer, Aus-
formung, S. 15-21; Ditt, Stadteinzugsbereich, S. 183f.
10 Schröer, Reformation 2, S. 267-269.
11 Schoppmeyer, Untersuchungen, S. 57-83.
12 Kruppa, Nathalie, Emanzipation vom Bischof. Zum
Verhältnis zwischen Bischof und Stadt am Beispiel Min-
den, in: Grieme, Uwe u.a. (Hg.), Bischof und Bürger.
Herrschaftsbeziehungen in den Kathedralstädten des
Hoch- und Spätmittelalters (VMPIG 206/StGS 26), Göt-
tingen 2004, S. 67-87. Vgl. Rogge, Miteinander, S. 27-
29; Bruning, Konfessionalisierung, S. 84f.; Aschoff,
Minden, S. 813; Schoppmeyer, Ausformung, S. 17f.

13 Brandt, Minden - Domstift, S. 593-606.
14 Die Stiftskirche St. Marien wurde um 1000 gegründet.
Während der Konvent Mitte des 16. Jahrhunderts alt-
gläubig war, nutzte die seit 1530 evangelische Gemeinde
die Kirche für ihre Gottesdienste, Nordsiek, Anfänge,
S. 54; Brandt, Minden - Benediktinerinnen, S. 606-613;
Wilms, Geschichte, S. 18 Anm. 26.
15 Das Kloster St. Mauritius wurde 1042 gegründet. 1435
wurde es vom Werder vor dem Wesertor in die Stadt ver-
legt. Durch die im gleichen Jahr erfolgte Inkorporation
der Pfarrkirche St. Simeon entstand das Doppelpatrozi-
nium St. Mauritius und Simeon, Krieg, Einführung,
S. 44; Nordsiek, Anfänge, S. 56-59; Schütte, Minden
- Benediktiner, S. 613-619.
16 Das Chorherrenstift St. Martin war kurz vor 1029
gegründet worden, Behr, Minden - Kollegiatstift St.
Martini, S. 619-624; Nordsiek, Beiträge zur Geschich-
te; S. 229-390; ders., Studien zur Geschichte S. 9-132;
ders., Untersuchungen zur Geschichte, S. 133-227; ders.,
Anfänge, S. 65f.; Wilms, Geschichte, S. 23 Anm. 34.

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