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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0177
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Einleitung

1. Die Entstehung und Gestalt von Reichsstift und Stadt Herford
Die Geschichte der Stadt Herford beginnt 789 mit der Gründung eines hochadeligen Frauenklosters, das auf
dem Eigengut des Edlen Waltger, auf dem Gebiet dreier älterer Höfe (Adonhusa, Herifurth und Libbere)
bei einer Furt im Mündungsgebiet der Aa in die Werre errichtet wurde.1 Als erstes Frauenkloster auf
sächsischem Boden stellte es zugleich das weibliche Pendant zur Abtei Corvey an der Weser dar. Im Jahre
823 wurde es Ludwig dem Frommen übertragen und somit von einem Eigenkloster in den Stand eines
Reichsklosters erhoben. Aus diesem Anlass wurde die Abtei Herford mit verstreut liegenden Gütern des
Klosters Corvey ausgestattet, die sich bis zum Rhein erstreckten. Aus Corvey wurden auch die Kanoniker
zur seelsorgerlichen Betreuung der Herforder Nonnen entsandt.2
Während das Reichskloster Herford dem Hochadel vorbehalten war, diente das 1011 von der Herforder
Äbtissin am benachbarten Luttenberg gegründete Stift St. Marien3 der Versorgung von Töchtern des nie-
deren Adels. Seit dem 12. Jahrhundert erscheint das Reichskloster, das dem Bistum Paderborn unterstand,
in den Quellen als Stift.4 Die Vogtei über das Reichsstift erwarben 1261 die Grafen von Sternberg, 1281 die
Kölner Erzbischöfe und 1382 die Herzöge von Jülich-Berg, die sie auch im 16. Jahrhundert noch besaßen.
Daneben fungierte der Erzbischof von Köln als kirchlicher Protektor des Stifts.5
Vermutlich um 940 wurden dem Kloster Herford die Markt-, Münz- und Zollrechte für den bei diesem
gelegenen Hof zu Odenhausen verliehen, was Otto I. 973 bestätigte. Mit dieser Urkunde wird das Entstehen
einer Siedlung um das Kloster greifbar, die um 1170 städtischen Charakter besaß und die vor 1224 durch die
von der Herforder Äbtissin und dem Kölner Erzbischof gegründete Neustadt erweitert wurde.6
Nicht nur die Marktrechtsverleihung des 9. Jahrhunderts, sondern auch die Ratsverfassung, die sich
Anfang des 13. Jahrhunderts in Herford formierte, zählte zu den ältesten Rechtsakten bzw. Entwicklungen
ihrer Art.7 1256 überließ die Äbtissin dem Magistrat die wichtigsten Gerichts- und Herrschaftsrechte in der
Stadt und behielt sich allein die archidiakonalen Befugnisse vor. Diese Rechtsabtretung war die Keimzelle
für den Status der Stadt, die zwar de jure nicht reichsunmittelbar war, de facto aber unabhängig von ihrer

1 Warnecke, 789 und wie alles begann, S. 590-609;
Pohl, Herford - Reichsabtei, S. 404-412; Pape, Sancta
Herfordia, S. 21-24; Kroker, Kaiser, S. 77-82; Han-
kel, Damenstifte, S. 38; von Fürstenberg, Ordinaria
loci, S. 14-20.
2 Pape, Sancta Herfordia, S. 25-28; Kroker, Kaiser,
S. 88-90; von Fürstenberg, Ordinaria loci, S. 20-38;
Brecht, Kirche und Bürger, S. 32; Hankel, Damen-
stifte, S. 37.
3 Von Boeselager, Im Schatten, S. 49f.
4 Cohausz, Herford, S. 20-28; Wolgast, Reichsabteien,
S. 20; Korte, Staatsrechtliche Stellung, S. 21; Kroker,
Kaiser, S. 95-98, 122f.; Rüthing, Monstrum Westpha-
liae, S. 9-23.
5 Brandt/Hengst, Geschichte 2, S. 29. Äbtissin Anna
von Limburg-Styrum trat Herzog Wilhelm V. von Jülich-
Kleve 1547 ihre Rechte in der Stadt Herford in einem
Zessionsvertrag ab, Abdruck des Vertrags bei Weddi-

gen, Peter Florens, Historisch-geographisch-statisti-
sche Beschreibung der Grafschaft Ravensberg, Bd. 2,
Leipzig 1790, S. 183-188. Vgl. Korte, Staatsrechtliche
Stellung, S. 73-93; Pohl, Herford - Reichsabtei, S. 405;
Vogelsang, Bielefeld, S. 57f.; Cohausz, Herford, S. 83;
Bei der Wieden, Die konfessionellen Verhältnisse,
S. 271; Rüthing, Monstrum Westphaliae, S. 22f.; von
Fürstenberg, Ordinaria loci, S. 103f. Gegen die Klever
Oberherrschaft strengte der städtische Magistrat einen
Prozess vor dem Reichskammergericht an, verlor diesen
jedoch 1557, Schröer, Reformation 1, S. 314; Neuser,
Kirchengeschichte, S. 68.
6 Pape, Sancta Herfordia, S. 59f.; Brecht, Kirche und
Bürger, S. 34; Normann, Herforder Chronik, S. 135-235;
Pohl, Herford - Reichsabtei, S. 405; Ilgen, Stadt- und
Gerichtsverfassung, S. 1-58.
7 Cohausz, Herford, S. 45-47; Pape, Sancta Herfordia,
S. 72-75, 123f.

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