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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0507
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Einleitung

1. Die Entwicklung und Gestalt von Reichsstift und Stadt Essen
Das Essener Frauenstift bildet die Keimzelle der späteren Stadt. Um 850 wurde eine klösterliche Frauen-
gemeinschaft gegründet, die seit Ende des 10. Jahrhunderts als Stift bezeichnet werden kann. Zusammen
mit Gandersheim und Quedlinburg zählte die Essener Gründung zu den großen sächsischen Hochadelsstif-
ten, der mit Mathilde II., Sophia und Theophanu drei ottonische Königstöchter als Äbtissinnen vorstan-
den.1 Möglicherweise bereits bei der Gründung, spätestens aber seit Mitte des 10. Jahrhunderts, war das
Kloster exemt.2 Für die Seelsorge der Frauen war dem Stift eine Klerikergemeinschaft angegliedert, die sich
im 12. Jahrhundert zu einem Kanonikerkapitel vereinigte.3
Das Stift und sein Immunitätsbezirk bildeten den Siedlungskern des Orts und der späteren Stadt Essen,
die bereits im 11. Jahrhundert von einer Mauer umgeben war.4 1227/28 titulierte König Heinrich (VII.) die
Essener Äbtissin als Reichsfürstin, und nach der Schlacht von Worringen (1288) konnte das Stift ein kleines
Territorium erwerben, dem die Stadt Essen, die Herrlichkeit Rellinghausen, die westlich von Dortmund
gelegenen Dörfer Huckarde und Dorstfeld sowie das Breisiger Ländchen am Mittelrhein (zwischen Koblenz
und Bonn) zugehörten. Die Äbtissin stand somit nicht nur dem Kanonissenkapitel vor, sondern war auch
Herrin der Stadt und des übrigen stiftischen Territoriums.
Bei seinem Aufenthalt in Essen erkannte Kaiser Karl IV. der Stadt 1377 die Reichsunmittelbarkeit zu.
Dieses Privileg wurde zwar 1379 von König Wenzel bestätigt, der Essener Rat nahm die Reichsfreiheit
jedoch nicht an. Auf diese Weise umging er die damit verbundenen Zahlungen an den Kaiser, zumal es der
Stadt auf anderem Wege gelang, eine gewisse Unabhängigkeit zu erwerben: 1399 schloss der Rat mit der
Äbtissin einen Vergleich, in dem er ihre Landeshoheit anerkannte, und sie dem Rat im Gegenzug zahlreiche
rechtliche und finanzielle Freiheiten zugestand. De iure war die Stadt also der stiftischen Landeshoheit
unterworfen, de facto agierte sie jedoch weitgehend selbständig.5
Ihre unabhängige Position hatte die Stadt nicht zuletzt auch ihrer wirtschaftlichen Kraft zu verdanken.
Durch die Lage am Hellweg, der wichtigsten west-östlichen Fernhandelsstraße, standen die Essener Kauf-
leute in intensivem Kontakt mit westfälischen und rheinischen Städten, allen voran mit Dortmund, Wesel
und Duisburg. Als Mitglied der Hanse unterhielten sie darüber hinaus Beziehungen bis weit in den Ostsee-
raum hinein.6
Im 14. Jahrhundert lebten rund 3000 Menschen in der Stadt. Die politischen und gesellschaftlichen
Strukturen waren ähnlich wie in Dortmund ausgeprägt: Das städtische Patriziat war Träger der politischen
Macht und stellte den 14-köpfigen Rat. Im Laufe des 16. Jahrhunderts ging die Vorrangstellung des Patri-

1 Bettecken, Stift, S. 18-42; Schilp, Essen - Stift,
S. 296-298, 302f.; Müller, Reformation, S. 25; Ger-
chow, Damen, S. 71-75; Hegel, Vergangenheit,
S. 33-44.
2 Pätzold, Ecclesia, S. 1-25. Vgl. Hegel, Vergangenheit,
S. 77-81; Gerchow, Damen, S. 115f.
3 Schilp, Kanonikerkonvent, S. 167-231; Arens, Kapitel,
S. 101-164; Brandt, Herrenkapitel, S. 5-144; Haas,
Kanoniker-Kapitel, S. 27-61; Müller, Reformation,
S. 25.

4 Bettecken, Stift, S. 43-69, 164-167, 203-212; Schilp,
Essen - Stift, S. 299; ders., Überlegungen, S. 84; Fehse,
Stadt Essen, S. 169-183.
5 Helbich, Pax et Concordia, S. 43f.; Kuhlendahl, Ein-
führung, S. 33-36; Ascherfeld, Entstehung, S. 101
Anm. 18; Schilp, Überlegungen, S. 86-89; Ribbeck,
Übersicht, S. 21f.; Greyerz, City Reformation, S. 172.
6 Greyerz, City Reformation, S. 171; Jahn, Geschichte,
S.182-185.

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