Das Reichsstift und die Stadt Essen
ziats zugunsten anderer Familien (Honoratioren) zurück.7 Die Handwerker waren in Gilden und Ämter
zusammengeschlossen und machten seit 1409 durch den Vierundzwanzigerausschuss politische Mitspra-
cherechte geltend.8
Nach dem Tod der Äbtissin Sophia von Gleichen 1489 brach der dritte Äbtissinnenstreit aus, in dessen
Folge 1495 die Vogtei über das Stift, die im späten 13. Jahrhundert in die Hand der Herzöge von Kleve
gekommen war, erblich an das Herzogshaus gebunden wurde. Aufgrund der mit der Vogtei gekoppelten
Rechte versuchten die Klever Herzöge, Einfluss auf die städtische Politik zu nehmen.9
Die Essener Kirchen gehörten zum gleichnamigen Dekanat der Erzdiözese Köln.10 Der Stiftskirche, die
Pfarrrechte besaß, waren zwei Filialkapellen unterstellt: Die Kirche St. Johann, die im Immunitätsbezirk
des Stifts und in unmittelbarer Nähe zur Münsterkirche lag, diente als Hauptkirche für das Kanoniker-
kapitel. Die Martkirche St. Gertrud fungierte als Kirche der Bürgerschaft. Sie wurde 1523 der Kanoniker-
kirche St. Johann inkorporiert und ihre Pfarrer fortan aus den Reihen der Kanoniker gewählt.11 Beide
Filialen besaßen Seelsorgerechte mit Ausnahme des Begräbnisrechts, das bei der Stiftskirche blieb. Neben
diesen beiden Gotteshäusern, die zur engeren Kirchenfamilie des Essener Stifts gehörten, wurde die städ-
tische Sakrallandschaft durch die Kapellen des Heilig-Geist-Spitals12 und des Siechenhauses vor den Toren
der Stadt13 sowie durch sechs Beginenkonvente14 bereichert.
2. Die evangelische Bewegung und humanistische Reform der 1530er-1560er Jahre
Die Erforschung der Essener Reformationsgeschichte wird durch eine schlechte Überlieferungssituation
erschwert. Vor allem für die 1530er Jahre sind nur wenige Quellen erhalten, etwas besser sieht es für die
zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts aus.
Nach dem Augsburger Reichstag von 1530 setzte sich die reformatorische Bewegung in Territorien und
Städten des Rheinlands und in Westfalen durch. Auch einige Essener Stiftsdamen zeigten sich der neuen
Lehre gegenüber aufgeschlossen, zumal manche aus Grafenhäusern stammten, die in ihren Territorien die
Reformation einführten. Äbtissin Sibylla von Montfort (reg. 1534-1551) blieb jedoch beim alten Glauben.
Nach dem Vorbild Herzog Johanns III. von Kleve (reg. 1521-1539) interpretierte sie die reformatorischen
Ideen in erasmischem Geist.15 Hierzu gehörte auch, dass sie die Klever Kirchenordnung von 1532/33 an
St. Gertrud einführte.16 Dies geht aus dem Anstellungsschreiben für den Priester Johann Steinhuis vom
21. August 1538 hervor, in dem sie die Stiftskanoniker anwies, sich bei den kirchlichen Zeremonien nach der
von Herzog Johann III. erlassenen „Reformatio“ zu richten.17
7 Fehse, Stadt Essen, S. 183; Burghard, Stadtbürger,
S. 113f.
8 Helbich, Pax et Concordia, S. 45f.; Fehse, Stadt
Essen, S. 188-191, 203f.; Ribbeck, Übersicht, S. 18f.,
22f.; Schilp, Autonomie, S. 94-96.
9 Geuer, Kampf, S. 105-144; Müller, Reformation,
S. 27; Helbich, Pax et Concordia, S. 43.
10 Hömberg, Pfarrsystem, S. 41 Karte Nr. 3.
11 Bettecken, Stift, S. 145-155; Schilp, Pfarreien,
S. 60-64; ders., Kanonikerkonvent, S. 187-195; Hel-
bich, Pax et Concordia, S. 51; Fehse, Stadt Essen,
S. 209-216; Müller, Reformation, S. 28f.; Weier,
Pfarrstruktur, S. 86-89; Gerchow, Bürger, S. 167-172;
ders., Damen, S. 87; Arens, Kapitel, S. 121-128; Hol-
beck, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte, S. 117-
178; Haas, Karriereknick, S. 223-250; Greyerz, City
Reformation, S. 172. Zu den Essener Pfarrkirchen siehe
auch Bädeker/Heppe, Geschichte, S. 492-504; Hegel,
Vergangenheit, S. 67.
12 Arens, Hospital, S. 77-128.
13 Ders., Siechenhaus, S. 44-95.
14 Im alten Hagen, im Kettwig, am Turm, im Neuen Hagen,
im Zwölfling und im Dunkhaus, Müller, Reformation,
S. 28f.; Fehse, Stadt Essen, S. 213f.; Gerchow, Bürger,
S.173-175.
15 Küppers-Braun, Katholisch, S. 24f., 45; Schilp,
Essen - Stift, S. 300.
16 Zur Klever Kirchenordnung, siehe oben, S. 34ff. Abdruck
oben, S. 52-72.
17 MünsterA Essen, A 315, fol. 1v: „reformationem illustris
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ziats zugunsten anderer Familien (Honoratioren) zurück.7 Die Handwerker waren in Gilden und Ämter
zusammengeschlossen und machten seit 1409 durch den Vierundzwanzigerausschuss politische Mitspra-
cherechte geltend.8
Nach dem Tod der Äbtissin Sophia von Gleichen 1489 brach der dritte Äbtissinnenstreit aus, in dessen
Folge 1495 die Vogtei über das Stift, die im späten 13. Jahrhundert in die Hand der Herzöge von Kleve
gekommen war, erblich an das Herzogshaus gebunden wurde. Aufgrund der mit der Vogtei gekoppelten
Rechte versuchten die Klever Herzöge, Einfluss auf die städtische Politik zu nehmen.9
Die Essener Kirchen gehörten zum gleichnamigen Dekanat der Erzdiözese Köln.10 Der Stiftskirche, die
Pfarrrechte besaß, waren zwei Filialkapellen unterstellt: Die Kirche St. Johann, die im Immunitätsbezirk
des Stifts und in unmittelbarer Nähe zur Münsterkirche lag, diente als Hauptkirche für das Kanoniker-
kapitel. Die Martkirche St. Gertrud fungierte als Kirche der Bürgerschaft. Sie wurde 1523 der Kanoniker-
kirche St. Johann inkorporiert und ihre Pfarrer fortan aus den Reihen der Kanoniker gewählt.11 Beide
Filialen besaßen Seelsorgerechte mit Ausnahme des Begräbnisrechts, das bei der Stiftskirche blieb. Neben
diesen beiden Gotteshäusern, die zur engeren Kirchenfamilie des Essener Stifts gehörten, wurde die städ-
tische Sakrallandschaft durch die Kapellen des Heilig-Geist-Spitals12 und des Siechenhauses vor den Toren
der Stadt13 sowie durch sechs Beginenkonvente14 bereichert.
2. Die evangelische Bewegung und humanistische Reform der 1530er-1560er Jahre
Die Erforschung der Essener Reformationsgeschichte wird durch eine schlechte Überlieferungssituation
erschwert. Vor allem für die 1530er Jahre sind nur wenige Quellen erhalten, etwas besser sieht es für die
zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts aus.
Nach dem Augsburger Reichstag von 1530 setzte sich die reformatorische Bewegung in Territorien und
Städten des Rheinlands und in Westfalen durch. Auch einige Essener Stiftsdamen zeigten sich der neuen
Lehre gegenüber aufgeschlossen, zumal manche aus Grafenhäusern stammten, die in ihren Territorien die
Reformation einführten. Äbtissin Sibylla von Montfort (reg. 1534-1551) blieb jedoch beim alten Glauben.
Nach dem Vorbild Herzog Johanns III. von Kleve (reg. 1521-1539) interpretierte sie die reformatorischen
Ideen in erasmischem Geist.15 Hierzu gehörte auch, dass sie die Klever Kirchenordnung von 1532/33 an
St. Gertrud einführte.16 Dies geht aus dem Anstellungsschreiben für den Priester Johann Steinhuis vom
21. August 1538 hervor, in dem sie die Stiftskanoniker anwies, sich bei den kirchlichen Zeremonien nach der
von Herzog Johann III. erlassenen „Reformatio“ zu richten.17
7 Fehse, Stadt Essen, S. 183; Burghard, Stadtbürger,
S. 113f.
8 Helbich, Pax et Concordia, S. 45f.; Fehse, Stadt
Essen, S. 188-191, 203f.; Ribbeck, Übersicht, S. 18f.,
22f.; Schilp, Autonomie, S. 94-96.
9 Geuer, Kampf, S. 105-144; Müller, Reformation,
S. 27; Helbich, Pax et Concordia, S. 43.
10 Hömberg, Pfarrsystem, S. 41 Karte Nr. 3.
11 Bettecken, Stift, S. 145-155; Schilp, Pfarreien,
S. 60-64; ders., Kanonikerkonvent, S. 187-195; Hel-
bich, Pax et Concordia, S. 51; Fehse, Stadt Essen,
S. 209-216; Müller, Reformation, S. 28f.; Weier,
Pfarrstruktur, S. 86-89; Gerchow, Bürger, S. 167-172;
ders., Damen, S. 87; Arens, Kapitel, S. 121-128; Hol-
beck, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte, S. 117-
178; Haas, Karriereknick, S. 223-250; Greyerz, City
Reformation, S. 172. Zu den Essener Pfarrkirchen siehe
auch Bädeker/Heppe, Geschichte, S. 492-504; Hegel,
Vergangenheit, S. 67.
12 Arens, Hospital, S. 77-128.
13 Ders., Siechenhaus, S. 44-95.
14 Im alten Hagen, im Kettwig, am Turm, im Neuen Hagen,
im Zwölfling und im Dunkhaus, Müller, Reformation,
S. 28f.; Fehse, Stadt Essen, S. 213f.; Gerchow, Bürger,
S.173-175.
15 Küppers-Braun, Katholisch, S. 24f., 45; Schilp,
Essen - Stift, S. 300.
16 Zur Klever Kirchenordnung, siehe oben, S. 34ff. Abdruck
oben, S. 52-72.
17 MünsterA Essen, A 315, fol. 1v: „reformationem illustris
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