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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0178
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Das Reichsstift und die Stadt Herford

Stadtherrin agierte. Die eigenständige Position gegenüber der Äbtissin wurde durch die Mitgliedschaft in
der Hanse unterstrichen, der Herford seit 1342 angehörte.8
Im 14. Jahrhundert lebten zwischen 2500 und 3500 Menschen in Herford, im 16. Jahrhundert sollen es
rund 4000 gewesen sein.9 Herford war zu dieser Zeit von einer Mauer mit zwölf Türmen und fünf Toren
umgeben.10 Die so befestigte Stadt bot offenbar ausreichend Schutz, denn schon im 13. Jahrhundert sie-
delten sich zahlreiche Orden und geistliche Gemeinschaften hier an. Sie machten Herford zu einem geist-
lichen Zentrum, das als „sancta Herfordia“ bekannt wurde: In der Altstadt ließen sich um 1286 zunächst
die Franziskaner nieder, 1288 folgten die Augustiner-Eremiten, 1412 ist ein Klarissenhaus erwähnt, 1428
kamen die Brüder vom gemeinsamen Leben (Fraterherren) nach Herford, denen 1453 auch die Schwestern
folgten. In der Neustadt wurde im 13. Jahrhundert eine Johanniterkommende gegründet, und 1414 wurde
das Kollegiatstift St. Johann und Dionys vom nahe gelegenen Enger an die Johanniskirche verlegt.11
Die drei Herforder Stiftskirchen fungierten gleichzeitig als Pfarrkirchen. Während die zum Reichsstift
gehörige Münsterkirche für die Bewohner der Altstadt gedacht war, diente die Kirche des Kollegiatstifts
St. Johann und Dionys denen der Neustadt und die Stiftskirche St. Marien auf dem Berge vor den Toren
der Stadt war die Kirche für die Bewohner des östlichen Umlandes. Im Gegensatz zu diesen drei mit
Pfarrrechten ausgestatteten Gotteshäuser besaßen die Jakobskirche im Stadtbezirk Radewig und die
Marktkirche St. Nicolai nur den Status von Kapellen.12

2. Die Einführung der Reformation
Seit Anfang der 1520er Jahren gab es in Herford eine reformatorische Bewegung, die von den Fraterherren
um Jakob Montanus und den Augustinern um den Prior Gottschalk Kropp ausging.13 Die Fraterherren und
die Augustiner vertraten die beiden Zweige der Devotio moderna, einer spätmittelalterlichen Reformbe-
wegung, an die auch Luthers Theologie anknüpfte. Insbesondere die Herforder Fraterherren standen in
engem Kontakt zu Luther und verkündigten ab 1523 die neue Lehre.14

8 Cohausz, Herford, S. 28-46; Rüthing, Monstrum
Westphaliae, S. 17-20; Schröer, Reformation 1, S. 313;
Pape, Sancta Herfordia, S. 59f., 96f.; Rohmann, Bilder-
streit, S. 12.
9 Andermann, Geistlichkeit, S. 11; Angermann, Volks-
leben, S. 76; Bruning, Konfessionalisierung, S. 91.
10 Vgl. Angermann, Volksleben, S. 31, Karte 9.
11 Schröer, Reformation 1, S. 316; Pape, Sancta Herfor-
dia, S. 155-159. Zur Entwicklung Herfords im Schatten
des Reichsstifts und zu den übrigen geistlichen Institutio-
nen in der Stadt siehe Hengst, Klosterbuch 1, S. 404-
438; Cohausz, Herford; Korte, Staatsrechtliche Stel-
lung; Brandt/Hengst, Geschichte 2, S. 266f., 280,
283-285, 298f.; Kroker, Kaiser, S. 77-126; Normann,
Herforder Chronik, S. 236-254; Schirmeister, Mönche,
S. 127-139; Hoburg, Beginen, S. 140-146; Pape, Sancta
Herfordia, S. 104f., 106f.; 131f.; Hankel, Damenstifte,
S.37-39.
12 Leesch, Pfarrorganisation, S. 333; Brecht, Kirche und
Bürger, S. 36f.
13 Schröer, Reformation 1, S. 316-318, 325-327; Rich-
ter, Herford, S. 7-13; Stupperich, Glaube und Politik,

S. 98-101; ders., Herforder Fraterhaus und die Reforma-
tion, S. 9-12; Hölscher, Reformationsgeschichte,
S. 16f.; Rothert, Kirchengeschichte, S. 29-34; Han-
kel, Damenstifte, S. 39; Pape, Sancta Herfordia, S. 165.
14 Das Herforder Fraterhaus war unter den deutschen Nie-
derlassungen die einzige, die sich der Reformation öffnete,
Schröer, Reformation 1, S. 327-337; Neuser, Kirchen-
geschichte, S. 66f.; Stupperich, Bugenhagen und West-
falen, S. 389-391 Anlage 1; Leesch/Stupperich, Fra-
terhaus II, S. 187-199 (Briefe). Zu den Herforder Frater-
herren siehe auch Brandt, Fraterhaus, S. 197-210;
Stupperich, Herforder Fraterhaus und die Devotio
moderna, S. 14-21, 51-66; ders., Luther und das Frater-
haus, S. 219-238; ders., Herforder Fraterherren, S. 339-
353; ders., Devotio moderna, S. 11-26; ders., Eigenart,
S. 129-131; Pape, Sancta Herfordia, S. 175-178; Lan-
deen, Luther, S. 145-164; Sander, Reformation,
S. 4-7,13; Meier, Alltag, S. 225-245; Hölscher, Refor-
mationsgeschichte, S. 8-10; Stell, Katholische Kirche,
S. 12-16; Brandt, Fraterhaus, S. 199ff.; Cohausz, Her-
ford, S. 80f. Anm. 6.

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